~1

809 49 83
                                    

𝐈𝐜𝐡 sitze gerade in der Küche und lausche dem plärrenden Radio, als meine Schwester, sich die Haare bürstend neben mir auftaucht und meine Aufmerksamkeit auf sich zieht

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

𝐈𝐜𝐡 sitze gerade in der Küche und lausche dem plärrenden Radio, als meine Schwester, sich die Haare bürstend neben mir auftaucht und meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Eine Weile beobachte ich sie fasziniert.

Ihre samtweichen Haare, die wie flüssige Schokolade glänzen, fallen ihr fast bis zum Bauchnabel, während meine beinahe jeden Tag wieder ziemlich fettig sind.

In unserer Familie haben eigentlich alle braune Haare, oder mittlerweile sogar schon graue, aber meine rotblonden, eigentlich orangefarbenen Haare, fallen nicht nur auf Familienfotos, sondern auch überall sonst auf.

Mit zwölf Jahren hatte ich auch noch so lange Haare wie Marea, aber da waren sie auch sehr dünn und ich hatte keine Lust mehr, meine Abende und Morgende damit zu verbringen, mir gefühlt die Hälfte der Haare vom Kopf zu bürsten, bis alles ordentlich und alle Knoten entfernt waren.

Danach tat mir die Kopfhaut jedes Mal wegen der Reizung, der Bürsterei, schmerzhaft weh.

An einem Freitag nach dem Sportunterricht, bin ich, ohne weiter darüber nachzudenken, zum nächsten Friseur gegangen und ließ mir dort die Haare kinnlang schneiden.

Über all die Jahre, habe ich meine Haare nie länger, als bis zur Schulter wachsen lassen.

Bereut habe ich es bis heute nicht.

Meine Mutter hat mich geschlagen, als sie es sah und auch in der Schule ist es nicht sonderlich gut angekommen. Mein Vater hat gelacht, als ich ihn am darauffolgenden Wochenende wieder besuchen durfte.

>>Zieh dein Ding durch und lass dich von nichts aufhalten<<, sagte er damals und ging kopfschüttelnd wieder in seine kleine Werkstatt.

>>Darf ich mir dein blaues Hemd ausleihen?<<, fragt Marea, während sie wieder ins Bad geht.

>>Klar<<, antworte ich und folge ihr, um mich noch ein wenig zu schminken.

Ich tusche meine Wimpern schwarz und ziehe mir einen schwarzen Kapuzenpulli über den Kopf, ehe ich in der Küche das Radio ausschalte. Meine Jeans ist schon total durchgetragen und der Stoff fühlt sich am Hintern und an den Knien ziemlich dünn an. Aber das stört mich kaum.

Im Flur schlüpfe ich in meine grauen Sneakers und schnappe mir meine Schultasche, ehe ich die Haustür öffne.

Marea drängt sich an mir vorbei und tippt auf ihrem Handy rum.

>>Haut ihr schon wieder ab, ohne euch zu verabschieden?<<, ruft unser Onkel und erscheint im Flur.

Marea verdreht die Augen, streckt den Kopf durch die Tür und winkt ihm, ehe sie zur Bushaltestelle läuft.

>>Bis nachher, Judd<<, sage ich mit einem gezwungenen Lächeln und gehe dann auch aus dem Haus und ziehe hinter mir die Tür ins Schloss.

Ich sehe Marea an der Bushaltestelle mit einem Jungen aus ihrer Klassenstufe flirten und wechsle hastig die Straßenseite, weil ich sowieso bevorzugt zu Fuß gehe. Um nicht erkannt zu werden, ziehe ich mir die Kapuze vom Pulli tief ins Gesicht und gehe flott mit gesenktem Blick weiter.

ℓℴ𝓋ℯ 𝑚𝑒 𝚛𝚒𝚐𝚑𝚝Where stories live. Discover now