Stop! Ich muss das hier sofort stoppen! Ihn zu küssen ist total verkehrt, wenn man bedenkt, wie es derzeit zwischen uns steht. Ich wollte ihn zwar die ganze Zeit zurück, das kann ich schlecht leugnen, obwohl ich mir immer durch und durch darüber bewusst war, wie er mich behandelt hat. Ihn jetzt zu küssen, fühlt sich allerdings total falsch an. Leider nur aufgrund meiner Vorsätze, der Kuss an sich war wunderschön und hat die gleichen Gefühle in mir wie sonst hervorgerufen. Aber zwischen uns hat sich noch nichts geändert, wir haben nicht einmal richtig miteinander geredet, weil ich dafür zu stolz war und jetzt? Jetzt habe ich ihn sogar geküsst und einen Scheiß auf meinen Stolz gegeben, was ich mir gerade selber nicht verzeihen kann, aber so nah wie er mir war, da ist mir einfach eine Sicherung durchgebrannt. In seiner Näh kann ich nicht klar denken, er bringt einfach alle Hormone in mir komplett durcheinander. Das muss endlich aufhören, wenn ich unser Problem jemals vernünftig angehen will, doch was kann ich schon gegen diese Anziehung, die von ihm ausgeht, ausrichten? Eine Anziehungskraft, die ich stark unterschätzt habe, obwohl mir bewusst war, dass ich ihm nur schwer widerstehen kann, doch dass es so schlimm und unausweichlich ist, ihm immer wieder näher zu kommen, konnte ich mir nur ganz schwer vorstellen. Nie habe ich daran geglaubt, dass es sowas wirklich gibt. Nur mit größter Willenskraft schaffe ich es, mich wieder von Nik zu lösen und traue mich kaum, ihn anzusehen. Ich fühle mich so furchtbar schwach, weil ich so schnell eingeknickt bin, da glaubt Nik mir doch kein Stück, wenn ich ihm vorspiele, dass er mir völlig am Arsch vorbeigeht. Das hier hat alles zu Nichte gemacht, aber wenigstens war ich kein Alleintäter. Er hat diesen Kuss erwidert, das nicht nur halbherzig, er wollte es genauso sehr wie ich, das habe ich gespürt, denn so küsst man nicht ohne Leidenschaft. Leider heißt das bei Nik nur, dass er so etwas eben gerne tut und nicht, dass er das Gleiche für mich empfindet wie ich für ihn. Er würde mit der gleichen Leidenschaft mit mir schlafen, ohne dass es viel für ihn bedeuten würde, er macht das einfach nur gern. Ich hasse mich so sehr dafür, dass mir trotzdem der Gedanke kommt, das von eben zu wiederholen und mein Bett zum ersten Mal nicht nur zum Schlafen zu benutzen. Wenn es anders zwischen uns stünde, würde ich jetzt auf der Stelle über ihn herfallen, egal wie viele Leute sich auf unserem Grundstück befinden und wer etwas mitbekommen könnte. Enttäuscht stelle ich fest, dass ich kein Stück über ihn hinweggekommen bin, ich will ihn immer noch genauso sehr wie vor ein paar Wochen, wenn es nicht sogar noch schlimmer geworden ist, weil wir uns eine ganze Weile nicht gesehen haben. Oh ja, ich habe seine Nähe schrecklich vermisst. Da merke ich, dass ich unbedingt diesen Schrank verlassen und genügend Abstand zwischen uns beide bringen muss, bevor ich noch verrückt werde. Ich achte für ein paar Sekunden darauf, ob meine Großmutter noch zu hören ist, doch es scheint so, als wäre ich vor ihr sicher. Ob sie sogar in meinem Zimmer nach mir gesucht hat, ohne dass ich etwas mitbekommen habe, weil ich leicht abgelenkt war? Die Vorstellung, dass meine Oma uns beide beim Knutschen hätte erwischen können, finde ich erstaunlich komisch, dass ich mir ein Lachen verkneifen muss. Mir wird jedoch auch klar, dass ich mich wahrscheinlich nicht den ganzen Tag vor ihr verstecken kann.
„Wir sollten wieder runtergehen", schlage ich vor und stürme aus meinem Zimmer, wie ich vor meiner Großmutter davongestürmt bin. Ich will nicht riskieren, mir noch etwas von ihm anhören zu müssen, dass mich dazu bringt, diesen Kuss noch stärker zu bereuen. Oder ihn zu wiederholen, weil seine Nähe mich völlig benebelt.
„Vic, würdest du bitte mal eine Sekunde stehen bleiben und mit mir reden", ruft mir Nik hinterher.
„Bist du jetzt bitte still, bevor noch jemand mitkriegt, dass ich hier mit dir zusammen war!", keife ich ihn an und bekomme tatsächlich Angst, dass uns jemand zusammen sehen könnte. Wie mag das wohl aussehen, wenn wir gemeinsam rauskommen? Es könnte mir egal sein, das müsste es eigentlich, aber was habe ich davon, für Nik tausende von Standpauken zu hören zu bekommen? Er will mich nicht, also kann ich auch weiterhin so tun, als sei er nicht Teil meines Lebens.
„Ist das dein verdammter Ernst? Deine größte Angst ist es, mit mir gesehen zu werden? Tut mir leid, aber das ist echt erbärmlich", packt mich Nik am Arm und klingt fast ein wenig betrübt, aber nur fast, denn viel eher ist seine Stimme von seiner Wut eingenommen.
„Natürlich! Es ist sowieso nicht richtig, mich mit einem anderen abzugeben, solange Max und seine Eltern hier sind. Hinzu kommt, dass du absolut niemand bist, mit dem ich überhaupt gesehen werden sollte", kommt es härter aus meinem Mund, als es sollte. Ich weiß ganz genau, was ich da sage. Ich will ihn so gern verletzen, nachdem ich den wütenden Unterton zuvor bei ihm wahrgenommen habe. Ich klammere mich an alles, was mir irgendwie zeigen kann, dass ich ihm nicht egal bin oder dass er wenigstens so etwas wie Gefühle besitzt. Die Worte lassen sich erstaunlich einfach aussprechen, was leider wahrscheinlich daran liegt, dass sie zu einem kleinen Teil dem entsprechen, was ich wirklich denke. Ja, ich habe weiterhin Angst, so schnell kann ich weder sie ablegen, noch kann ich sofort alles verwerfen, was mir 19 Jahre lang eingetrichtert wurde. Ich stecke in einer Art Kampf gegen mich selbst, da kann mir sowas noch des Öfteren rausrutschen.
„Ich wusste es", meint Nik, in dessen Gesicht sich nun eine beinahe angsteinflößende Aggressivität abzeichnet. Ohne, dass ich ihn noch aufhalten könnte, stürmt er davon und es passiert etwas, mit dem ich noch weniger als mit dem Kuss gerechnet habe: Ich habe ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Wie kann sich die Stimmung zwischen uns nur jedes Mal so schnell vom einen Extrem zum anderen entwickeln? Vermutlich wäre das mit uns allein deshalb nie gut gegangen, zumindest macht dieser Gedanke seinen Verlust erträglicher.
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Diabolic Love
RomanceSchön, reich, beliebt. Das ist Victoria, da scheint es auch logisch zu sein, dass sie als Jahrgangsbeste ebenso einen erfolgreichen Uni-Abschluss macht, mit ihrem Freund Max auf ewig zusammenbleibt und bloß nicht unangenehm auffällt. Das alles fäll...