17. Dezember || Zeitreisefreund

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Als er die Augen öffnete, war um ihn herum alles weiß. Einen Moment lang fragte er sich, wo er war, ob er jetzt Tod sein könnte, oder womöglich gerade auf dem Weg in den Himmel? Doch dann schaute er an sich herunter, bewegte seine Finger und stellte fest, dass er sich doch noch ziemlich lebendig fühlte, denn auf dem Weg in den Himmel würden einem doch hoffentlich solch pochende Kopfschmerzen erspart bleiben. Er versuchte seinen Kopf zu drehen, um sich den Raum, in dem er sich befand, genauer ansehen zu können, doch der stechende Schmerz, der ihm dabei durch die Schulter fuhr, verleitete ihn letztendlich doch erneut dazu, die ursprüngliche Position einzunehmen. Mit starrem, gegen die Decke gerichtetem Blick fiel ihm auf, dass ein unnatürlicher Geruch in der Luft lag. Es war eine Mischung aus befremdlichen Substanzen und dem Geruch von alten Menschen. Nichts, dass man freiwillig einatmete.

Mit einem Mal ertönte ein lautes Krachen und eine ganz in weiß gekleidete Dame betrat hektisch den ebenso weißen Raum.
„Ah wie ich sehe sind wach. Einen Moment ich hole schnell den Chef." Und schon war sie wieder weg und Maurice alleine und auf sich gestellt. Also beschloss er, sich – wenn auch sehr langsam – aufzurichten und seinen Schmerzen entgegen zur Tür zu bewegen. Doch kurz bevor er die Türklinke erreicht hatte, kam ihm das helle Brett entgegengeflogen und er stolperte irritiert rückwärts, konnte aber gerade noch sein Gleichgewicht bewahren. „Ach herrje, setzen sie sich bitte wieder hin, was haben sie denn vor?" „Vor ihrem plötzlichen Erscheinen war ich auf der Suche nach einem Ausgang.", erklärte Maurice dem Mann im weißen Kleidchen nachdrücklich. „Bitte setzten sie sich erstmal, ich soll sie zuerst über ihren gesundheitlichen Zustand unterrichten." „Wo befindet sich überhaupt meine Kleidung?" Maurice stand erneut auf und irrte durch den kleinen Raum. „Die bringt Ihnen gleich die Schwester. Ich muss sie wirklich bitten sich hinzusetzten. Erinnern Sie sich was passiert ist, bevor Sie hier aufgewacht sind?" Maurice beobachtete die Frau, die wieder in den Raum getreten war und jetzt eine kleine Tür in den weißen Wänden öffnete und seine Sachen herausholte. „Nun ja, da waren überall diese Kutschen und die leuchtende Telefonleitung und..." Der Mann im Kleid sah ihn mit fragendem Blick an und Maurice entschied sich dazu, dass es wohl die klügste Entscheidung wäre, nichts weiter zu sagen. Also schüttelte er schlichtweg den Kopf. Der Mann im Kleidchen notierte sich etwas auf seinem Brett und erklärte die Situation: „Die Sanitäter haben berichtet, dass Sie von einem Rennradfahrer angefahren wurden und sich durch den Aufprall eine Prellung in der Schulter, ein paar Hämatome und vermutlich auch eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen haben. Können sie mir ihren Namen nennen?" „Nun, selbstverständlich. Maurice Dollmeier." „Können sie mir sagen, wann sie geboren sind?" „Nun, ich – also..." Ein wenig verzweifelt stütze er den Kopf ins Gesicht. Nicht antworten wäre verdächtig, aber einem fremden Mann im Kleidchen zu viele Fakten preisgeben wäre ebenfalls ungünstig. „Ich wurde geboren an einem Dritten im Februar." Der Mann nickte. „Haben sie irgendwelche Ausweise dabei? Führerschein? Personalausweis? Wir brauchen ein Dokument für ihre Krankenkasse, sonst können wir sie nicht entlassen." Die Dame reichte Maurice seine Klamotten und er schüttelte als Antwort den Kopf.

„Haben sie Angehörige, die ihnen einen Ausweis vorbeibringen können?" Erneut schüttelte er den Kopf. Nein, hier, in dieser Zeit, gab es niemanden der ihn aus dieser Situation retten konnte. „In Ordnung. Dann spreche ich schnell draußen mit der Rezeption. Die findet einen Weg." Die Aussage schien für die Frau bestimmt gewesen zu sein, denn diese nickte und verließ gemeinsam mit dem Mann den Raum. Nebenbei, der Modegeschmack der Neuzeit war schon seltsam.

Dann überlegte Maurice, was er tun konnte. Auch wenn die Tür nicht verschlossen war, fühlte er sich irgendwie eingesperrt in diesem Raum und hatte keine Ahnung, wie er Patrick oder Michael erreichen sollte. Dummerweise hatte er seine kleine Goldkugel auf Patricks Esstisch liegen gelassen, dass hatte er festgestellt, nachdem er seine Manteltaschen mehrfach kontrolliert hatte, es gab also keinen Weg hier raus, solange nicht einer der beiden ihn finden würde.

Als die Tür sich das nächste Mal öffnete, traten wieder zwei komplementär eingekleidete Männer in den Raum. Sie schienen nicht ansatzweise so freundlich wie der Mann im Kleid und fragten ihn auch dementsprechend kühl aus. Auch diese Männer, anscheinend Polizeimänner, wie sie sich selbst nannten, fragten ihn nach seinem Namen, seinem Geburtsdatum und seinem Wohnort. Da er vieles davon aber nur sporadisch beantworten konnte, blieben die Männer skeptisch. „Hören Sie, Sie müssen schon kooperativer werden, wenn wir hier irgendwie fertig werden wollen. Sonst kommen wir hier nie mehr -"

Mitten im Satz schwang die Tür ein drittes Mal auf und ein völlig außer Atem aussehender Michael stand mit einem Mal den 2 Polizeimännern gegenüber. „Und wer sind sie?" „Ich bin – also", Micha schnappte immer noch nach Luft, er war wohl bis hier hergerannt, „Das da ist mein Bruder." Die beiden Männer sahen sich an, wandten sich dann Michael zu und forderten ihn auf, aus dem Raum zu gehen. „Mauri, zieh dich doch schon mal an!", rief dieser dem Blonden noch zu, bevor sich die Tür schloss und Maurice alleine dastand. Dennoch tat er wie ihm geheißen und bewegte sich langsam in Richtung der Tür, vor der er eine angeregte Diskussion vernahm. Keine 5 Minuten später wurde er von Micha aus dem Raum gezerrt, die scharfen Blicke der Männer beobachteten die beiden skeptisch. „Komm Brüderchen, ich würd' sagen wir gehen jetzt.", erklärte er dem Blonden noch betont laut, vermutlich damit die Polizeimänner das auch hörten und verschwand dann mit ihm aus dem riesigen Haus.

Als die beiden zwei Straßen weiter endlich kurz stehen blieben, atmete Michael erleichtert aus. „Patrick hatte Recht... wie er so schön sagte: Unser Zeitreisefreund macht echt nur Ärger."

#Adventskalender2018 ~ Das Lied der ZeitWhere stories live. Discover now