Im Bad

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Im Bad

Nicole schaute in das Bad und glaubte an einen teuflischen Irrtum. So etwas konnte und durfte es nicht geben. Nicht in ihrer Wohnung, nicht in diesem Zimmer! Jemand keuchte und ächzte zugleich. Kein Fremder. Nicole hörte, dass sie die Geräusche selbst von sich gab und sie spürte auch, dass sich ihre Beine wie auf einen geheimen Befehl hin, in Bewegung setzten. Zwei Schritte ging sie ins Badezimmer, bevor sie abrupt stehen blieb und nach rechts schaute. Zum Spiegel hin. Darin sah sie nicht sich, sondern ein Monstrum von Mensch. Eine hässliche Gestalt, die soeben aus einem Schlammloch gekrochen zu sein schien. Ein Monstrum ohne Nase, Mund und Ohren. In den kleinen Augen spiegelte sich Licht... Oder leuchteten sie etwa selbst?

War das der Teufel? War diese runde Öffnung durch die Nicole schaute, der Eingang zur Hölle?

Aus der Öffnung drang ihr ein feuchter, widerlicher und stinkender Geruch entgegen. Gestank den sie nicht einordnen konnte, weil sie ihn nicht kannte. Am Anfang dachte sie, Thomas war wieder auf dem Klo gewesen und hat vergessen wie immer das Fenster aufzumachen, nachdem er sein Geschäft gemacht hatte. Aber diese Luft raubte, ihr den Atem.

Roch es nach verfaultem Fleisch? Dann waren es mindestens ein Dutzend Leichen, die von unzähligen Maden verzehrt wurden. Doch in der Mitte stand er. Der Unheimliche, die Gestalt des Schreckens. Sie starrte Nicole an und sie konnte nicht anders, als immer wieder in die beiden hellen Augen zu schauen, die kaltes Kunstlicht abzugeben schienen.

Nicht nur der Spiegel, die gesamte Wand hatte sich verändert. Es gab sie nicht mehr. Sie war zu einer breiten Öffnung geworden, um den Blick freizugeben in eine andere Welt.

Nicole hörte sich schluchzen. Sie war unfähig etwas zu tun, und sah den Körper immer kleiner werden, bis er schließlich völlig verschwunden war.

Diese unendliche Schwärze, vermischt mit der braunen Soße, hatte sie verschluckt. Die Gestalt hob die Arme langsam an. Sie wirkte wie ein Magier vor dem Altar. Über dem Kopf, legte sie beide Hände zusammen. Kaum hatten sich diese berührt, flimmerte die gesamte Szenerie auf, bevor sie dunkel wurde und sich der Vorhang des Vergessens über sie legte.

Vorbei! Die Welt gab es nicht mehr. Dafür war die normale zurückgekehrt.

Nicole schaute in den Spiegel, in dem sie sich nur noch undeutlich erkannte, weil er noch beschlagen war. Rechts und links baute sich die Wand mit dem etwas angeschmutzten Anstrich auf. Nichts wies mehr auf die unerklärliche Öffnung hin.

Jetzt erst spürte Nicole, dass sie schwankte. Sie konnte nicht mehr stehen. Sie musste sich einfach hinsetzen. Sie setzte sich auf dem Badewannenrand. Das alles gehörte zur Realität. Doch das Auftauchen dieses Unheimlichen, konnte sie nicht nachvollziehen.

Oder doch? Dieser Spiegel machte ihr Angst!



Der SpiegelWhere stories live. Discover now