Epilog

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-Rylin-

Ein halbes Jahr war vergangen. Vor ein paar Tagen war noch alles in Ordnung gewesen. Rylin hätte bald ihr erstes Semester des Psychologiestudiums beendet und Gale machte seine gemeinnützige Arbeit im Krankenhaus wirklich Spaß, auch wenn er sich sie als eine Art Strafe für seine Verbrechen selber aufgebürdet hatte. Vor einigen Tagen hatten sie noch einen Waldspaziergang gemacht.

"Wann wollen wir eigentlich heiraten?",brachte Rylin das heikle Thema zur Sprache.
"Ich hab's dir doch schon oft gesagt, mit mir gibt es keine Zukunft",antwortete Gale trocken.
"Aber du bist doch meine Zukunft. Mir ist egal, was du getan hast oder was du noch tun wirst. Hauptsache wird sind für den Rest unseres Lebens miteinander verbunden."

Gale atmete hörbar aus. Dann setzte er ein Lächeln auf. "Na gut, wenn es das ist, was dich glücklich macht, werde ich morgen einen Ring besorgen. Du verdienst einen vernünftigen Antrag."

Danach plannten sie noch, dass sie nach der Arbeit auf die Eisbahn gehen, an der sie sich das erste Mal getroffen hatten. Auf dem Rückweg versprach Gale ihr noch eine Überraschung. So schlief Rylin voller Vorfreude auf den nächsten Tag ein.

Als dann endlich ihre Vorlesung beendet war, beeilte sie sich, den nächsten Bus zu erwischen. Deswegen war sie schon eine Viertelstunde früher als geplannt da. Also beschloss sie sich schon einmal auf dem Eis wieder einzulaufen, schließlich stand sie seit Jahren nicht auf Schlittschuhen. Die Viertelstunde verging und Rylin überlegte, ob sie auf ihr Handy schauen sollte, um zu überprüfen, ob er ihre eine Nachricht geschrieben hat, dass er sich aus irgendeinem Grund verspäten würde.

Doch sie ließ es, weil sie sich daran erinnert, wie ihr Cloe damals geschrieben hatte, dass sie nicht kommen konnte, weil sie ein Date hatte. Irgendwie hielt sie es für ein schlechtes Omen.

Also verstrichen weitere zwanzig Minuten bis ihr Handy in ihrer Jackentasche zu vibrieren begann. Ohne zu schauen, wer anrief, nahm sie ab und fragte:"Gale, was ist los? Ist was passiert?"
"Ja, Ihrem Freund Gale ist etwas passiert",entgegnete eine Frauenstimme mitfühlend. "Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass er tot ist. Während seiner Schicht hat er das Bewusstsein verloren. Unsere Hilfe kam leider schon zu spät."

Gale hatte nun wirklich für eine Überraschung gesorgt. Durch den Schock verlor sie das Gleichgewicht. Aber es war kein Gale mehr da, der ihr aufhelfen könnte.

Es sollte wohl einfach nicht sein. Das war Gale schon lange klar gewesen. Rylin wollte es aber nie wahr haben. Sie wollte es immernoch nicht wahr haben.

Nun war sie auf seiner Beerdigung. Neben ihr stand ihre Familie. Besser gesagt, die Leute, die mit ihr verwandt waren. Aber Familie würde ja darauf schließen lassen, dass sie mit ihnen eine emotionale Bindung haben würde. Doch das war nicht der Fall.

Der Sarg wurde gerade hinuntergelassen. Gale hatte sein Geheimnis mit ins Grab genommen und Rylin würde es weiterhin hüten.
Als Rylin vom Erdloch aufsah, erblickte sie Aves ihr gegenüber stehend. Als Erstes fiel ihr der funkelnde, wahrscheinlich extrem teure Verlobungsring an ihrem Ringfinger auf. Genauso einen, den Gale ihr kaufen wollte, bevor er starb.

Es erschien Rylin so unfair, dass Aves alles bekam, was sie wollte. Es war ihr völlig egal, wer ihr diesen Ring geschenkt hatte, für sie zählte nur, dass Aves das Happy Ending bekam, das für sie vorgesehen war. Was wagte sie es eigentlich zu Gales Beerding zu kommen? Hatte dieses Mädchen überhaupt vor irgendetwas Respekt?

Als sie Aves' Anblick nicht weiter ertrug, schaute sie, wer noch so gekommen war. Neben Aves standen händchenhaltend Charlie und Luke. Na gut, dass Charlie hier war, war verständlich, schließlich hat er auch seinen Halbbruder verloren. Trotzdem kümmerte Luke sich gut um ihn, deswegen wird er die Trauerphase schon überstehen.

Aber wer war schon für Rylin da? Sie war wohl wieder allein, die Außenseiterin, die sie immer gewesen ist und scheinbar immer sein wird. Gale war wieder außer ihrer Reichweite, diesmal weiter weg als je zuvor, also machte es nur Sinn, dass sie wieder die alte Rylin wurde. Die Rylin, die sich um nichts scherrte und alleine am besten dran war. Wenn ihr eh alles egal war, was hielt sie dann noch auf dieser Beerdigung? Wenn sie nicht hier sein wollte, warum war sie es dann noch?

Also ging sie einfach unauffällig mittendrin und hoffte, dass es keinen stören würde. Sie lief die Abkürzung über den anderen Teil des Friedhofs. Doch wohin führte sie dieser Weg?

Nach Hause konnte sie nicht, denn es gab für sie kein zuhause ohne Gale.
Weil sie erstmal ihre Gedanken ordnen musste, ließ sie sich auf einer Bank nieder, den Kopf in die Hände gelegt. Könnte sie doch nur selbst in dem Durcheinander ihrer Gedanken durchblicken, dann wäre alles so viel einfacher. Aber wann war ihr Leben schon einfach gewesen?

"Ry?" Sie hoffte so sehr, dass Gale es war, der mit ihr sprach. Dass er seinen Tod nur vorgetäuscht hatte oder dass sein Geist sie in eine traumähnliche Welt mitnehmen würde, die sie die schreckliche Realität vergessen ließe. Doch nichts dergleichen geschah. Denn derjenige, der mit ihr sprach, war nicht Gale, sondern jemand, an den sie seit einem halbem Jahr kaum einen Gedanken verschwendet hatte.

"Such doch mal den Friedhof ab. Vielleicht liegen dort ja irgendwo deine Gefühle für mich begraben." Rylin wusste gar nicht, warum sie das gesagt hatte, weil sie eigentlich gar nicht in Stimmung für Scherze war. Aber sie hatte recht. Wenn er wirklich jemals Gefühle für sie hatte, waren diese jetzt genauso tot wie Gale. Schlussendlich hat sie es vielleicht doch geschafft, dass er sie hasste.

"Rylin, schau mich an." Sie tat, was er verlangte. Seine braunen Augen weiteten sich. Nein, sie durfte sie nicht wieder von einem Jungen verzaubern lassen. Gale hat ihr doch auch nur Schmerz zugeführt. Außerdem... "Übrigens alles Gute zur Hochzeit",meinte Rylin etwas trotzig. Jack schien verwirrt. "Du und Aves. Sie wird dir doch bald das Ja-Wort geben, oder?",fügte sie erklärend hinzu.

Verlegen kicherte Jack und entgegnete: "Aves? Ich? Nein, aber ich freue mich für sie." Ihre Wangen wurden heiß. Sie vergrub ihr Gesicht wieder in ihren Händen. Ihr war es irgendwie peinlich, dass es sie interessierte, mit wem Jack ging. Sie konnte ihr Herz laut pochen hören.

"Ich weiß, es ist zu früh, doch ich kann einfach nicht leugnen, dass... ich mich nicht etwas gefreut habe, dass Gale gestorben ist. Gleichzeitig war ich extrem traurig, da ich wusste, dass du auch traurig sein musstest. Trotzdem verstehe ich, wenn du deine Meinung nicht geändert hast oder mehr Überlegzeit brauchst." Er stand auf. Ein paar Schritte entfernte er sich.

'Nein, Gefühle. Mein Verstand ist stärker als ihr. Ihr werdet es nicht schaffen, dass...' Aber schon war Rylin aufgestanden. Sie rannte zu ihm hin und drückte ihm ihre Lippen auf seine. Und plötzlich wurde ihr klar, dass sie nie etwas anderes wollte. Als sie sich aus dem Kuss löste, musste sie lächeln. Sie schuldete Gale Dank. Schließlich wollte Gale immer, dass sie glücklich wurde und hat uneigennützig dafür gesorgt, dass sich wieder verliebte. Jack war Gales Geschenk an sie. Und dieses Geschenk würde sie von nun an zu schätzen wissen...

-Ende-

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