Kapitel 4

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Ich hörte Klopfen und mittlerweile wusste ich gar nicht mehr, ob dieses Klopfen echt war oder mein Kopf mir das nur vorspielte. Mein Kopf spielte mir viel vor, was kein Wunder war, wenn so viel Cannabis in meinem Körper war, gemischt mit dem Alkohol, der durch meine Venen floss. Ich ging nicht auf dieses Klopfen ein, sondern versuchte meine Finger so zu kontrollieren, dass sie in der Lage waren das Gras aufs Papier zu schieben und dieses zu einem Joint zu drehen. Es fiel mir schwerer, als noch vor zwei Stunden, wo ich völlig nüchtern war, aber ich merkte, dass meine Gedanken wenigstens gestillt waren und ich so in mein eigenes Paradies abgetaucht war. Mein Kopf fragte sich gar nicht mehr, warum ich hier war geschweige denn warum keiner mehr da war. Vielleicht war ja jemand da, vielleicht war das Klopfen echt. Es war auf jeden Fall hartnäckig. Ich ging dennoch darauf nicht ein, sondern legte mich wieder auf die Couch. Den Joint hielt ich zwischen den Fingern. Doch das Klopfen hörte immer noch nicht auf, es war immer noch da. Ich ging weiter darauf nicht ein, sondern legte die Stange zwischen meine Lippen und nahm den ersten Zug. Er stieß in meinen Hals und ich spürte, wie sich der Rauch nach und nach in meinem ganzen Körper verteilte und langsam alle meine Sinne vollkommen benebelte. Auch das Klopfen fand dann endlich ein Ende und ich konnte mich immer mehr entspannen.

Ich dachte an den Park, den ich heute morgen, beziehungsweise zur frühen Nachtstunde gegen eins, besucht hatte, um mir meine Tütchen zur holen. Mittlerweile war das all wöchentlich. Mittwochs um eins stand ich unter der großen Eiche und wartete auf Matt, einen praktisch Fremden, den ich über Jace kennengelernt hatte. Früher hatte ich ihn noch angeschrieben, wenn ich was von ihm brauchte, mittlerweile allerdings brauchte ich das seit einigen Wochen nicht mehr, da mein Bedarf wöchentlich war und gleich blieb. Dass ich das Training dadurch sausen ließ, interessierte mich weniger. Den Fußball hatte ich eh schon seit längerem aufgegeben. Eigentlich hatte ich den Fußball aufgegeben, sobald ich meinen Vertrag hier in England unterschrieben hatte. Irgendwie war da für mich klar, dass meine Karriere schon zu Ende war. Meine Träume hatte ich aufgegeben, unfassbar, dass ich früher einmal geplant hatte ganz groß raus zu kommen. Das alles waren mittlerweile weit entfernte Träume. Nichts war davon geblieben. Nicht einmal die Freunde. Wo wir auch schon am traurigsten Punkt meines Lebens wären. Nicht einmal Freunde waren mir geblieben. Ich hatte mich beim Training nicht blicken lassen, ohne Bescheid zu geben. Auch wenn ich es nicht wirklich erwartet hatte, hatte dennoch die stille Hoffnung in mir geblüht, dass sich jemand blicken lassen würde. Aber niemand war vorbei gekommen. Drei Teamkollegen hatten mir Hey geschrieben und einer von ihnen hatte noch gefragt, ob es mir gut gehen würde. Ich hatte kurz Ja geschrieben und mehr war dann auch nichts gefolgt. Ja... Eigentlich bedeutete das bei mir nein. Leon hatte früher immer gesagt, dass kurze Antworten von mir über WhatsApp immer das Gegenteil bedeuteten. Er hatte sich früher oft darüber lustig gemacht. Ich schätzte mal, es stimmte. Ja hieß nein, denn mir ging es nicht gut. Aber darum scherte sich hier auf der Insel niemand. Und kennen tat mich auch keiner, sodass niemand wusste, dass bei mir Ja für Nein stand. Früher wussten das die meisten. Alleine die meisten durch Leon, der es nicht oft genug sagen und klarstellen konnte, welche Bedeutung welche Worte bei mir hatten. Früher. Früher war alles besser. Früher wäre es nicht möglich gewesen, dass ich wochenlang nicht zum Training erschien ohne Bescheid zu geben. Bene hatte doch schon wenn ich zehn Minuten zu späten war, einen Klingelsturm auf meinem Handy verursacht. Selbst wenn ich Bescheid gab, dass ich einfach krank war, stand Leon nach dem Training vor der Tür. Er begründete das immer, dass ich nicht alleine sein sollte. Dass ich noch bei meinen Eltern gelebt hatte, hatte ihn nie sonderlich interessiert. Er hatte immer auf der Schlafcouch in meinem Zimmer geschlafen, die extra für ihn immer gedeckt gewesen war. Aber das war früher. Heute war meine Couch nie gedeckt. Ich besaß hier nicht einmal eine Schlafcouch. Zwar ein Gästezimmer, aber das war wenn dann von meinen Eltern oder anderen Familienmitgliedern bewohnt. Leon hatte hier noch nie geschlafen. Und würde es vermutlich auch nie. Denn Leon in meinen Wänden war früher und das, das war jetzt.

A/N: Diesmal ein kleines "Infokapitel" wenn man so will. Ich hoffe es gefällt euch. Über Feedback würde ich mich wie immer freuen.

Let me come home || Meyer x Goretzka - ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt