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Aufgeregt und nervös krallte ich mich in Tonis Hand, während ich mit verbundenen Augen neben ihr her stolperte. Irgendwann blieben wir stehen und meine Freundin machte sich am Knoten des Schals an meinem Hinterkopf zu schaffen. Als sie nach einer ganzen Weile immer noch erfolglos war, musste ich lachen. "Zieh es mir doch einfach über den Kopf." "Okay, aber du musst die Augen noch einen Moment zu lassen." "Okay okay, versprochen." Mit einem kurzen Ruck zog Toni mir den Schal vom Kopf und ich hörte das Klackern eines Feuerzeugs, bevor sie mir befahl die Augen zu öffnen. Mit einem breiten Lächeln stand Toni vor mir, in der Hand hielt sie einen Muffin mit einer brennden Geburtstagskerze darauf. "Happy Fast-Birthday, Charlie. Jetzt musst du die Kerze auspusten und dir was wünschen." Ich nickte und ließ das kleine Flackern in der sonst so dunklen Nacht erlischen, dann schloss ich den Abstand zwischen Toni und mir und hauchte ein leises: "Küss mich." Toni kam der Aufforderung natürlich nach und sobald ich ihre Lippen auf meinen spürte, hörte die Welt auf sich zu drehen und es gab nur noch uns beide. Als wir uns voneinander gelöst hatten, grinste Toni mich an und machte einen Schritt zur Seite, sodass ich freien Blick auf unsere Hütte hatte. Mir stockte der Atem, als ich sah, welche Mühe sie sich gegeben hatte. Über dem Eingang hing ein großes Schild mit einer knallroten 18, darumherum hingen eine Girlande und ein paar Lampions. "Na los, wir haben viel zu tun." Verwirrt schaute ich Toni an, folgte ihr dann aber zur Hütte. Zu meiner Überraschung betraten wir sie nicht, sondern gingen nach rechts. Toni bückte sich und ein helles Flutlicht begann zu leuchten, das direkt auf die Wand der Hütte ausgerichtet war. Ich entdeckte Eimer und Pinsel und ahnte langsam, worauf das hinauslaufen würde. Toni bestätigte meinen Verdacht, als sie mir ein übergroßes weißes Shirt reichte. "Hier, das schützt deine Klamotten. Ich dachte mir, wir haben zwar drinnen schon ein bisschen was auf die Wände gemalt, aber von außen sieht man noch gar nicht, dass das unsere Hütte ist. Und heute ist genau die richtige Nacht, um das zu ändern." Grinsend streifte ich mir das Shirt über und ließ mir dann von Toni einen Pinsel geben. "Ich hab einfach mal von allen möglichen Farben was besorgt und würde sagen was leer ist, ist leer." "Find ich gut." Lachend tunkte ich meinen Pinsel in die rote Farbe und malte ein Herz auf die Hütte. In den nächsten zwei Stunden malten wir alles möglich, dann tippte Toni mich an und zeigte mir ihr neustes Kunstwerk. Es waren unsere Initialen C und T mit so stark verschnörkelten Buchstaben, dass man es nur sah, wenn man es wusste. "Falls mal jemand hierher kommt, der nicht sofort alles wissen soll", erklärte sie und ich nickte, auch wenn es mich für einen kurzen Moment traurig machte. Es war bereits Anfang August, wir waren seit fast zwei Monaten zusammen und noch immer war es ein Geheimnis. Natürlich machte das unsere Beziehung extrem aufregend und besonders, aber ich sehnte mich trotzdem oft danach, auf die Heimlichtuerei zu verzichten. Ich wollte auch in der Schule Tonis Hand halten und sie küssen, ich wollte ohne schlechtes Gewissen vor meinen Eltern stehen oder mit ihnen in die Kirche gehen. Auch Lilli, mit der ich tatsächlich wieder ab und zu etwas machte, wusste nichts, mein Bruder Hannes wusste nichts, niemand wusste irgendwas. Toni und ich hatten schon sehr früh geklärt, dass wir unsere Beziehung heimlich führen mussten, wenn wir ihr wirklich eine Chance geben wollten. Und verdammt, das wollte ich! Dieses Mädchen machte mich komplett und ließ mich alles andere vergessen. Ich seufzte innerlich, dann schaute ich Toni beim Malen zu und musste automatisch wieder lächeln. Kurz zog ich mein Handy aus der Hosentasche und stellte fest, dass es bis zum offiziellen Beginn meines Geburtstages noch eine knappe Stunde dauerte. Also malte ich weiter, bis Toni vor Erschöpfung stöhnte und mich bittend anschaute. "Können wir aufhören? Bei aller Liebe, das wird mir langsam zu anstrengend." Ich nickte lachend und schaute an mir nach unten. Das weiße Shirt, das Toni mir vorhin gegeben hatte, war knallbunt, denn wir hatten nicht nur die Hauswand bemalt, sondern auch uns. Toni folgte meinem Blick und musste ebenfalls lachen. "Also ich finde die Smileys auf deinen Brüsten sind mir wirklich gut gelungen." "Du unverschämtes Gör", entgegnete ich gespielt empört, musste dann aber wieder lachen. "Ich glaube, wenn wir uns nicht beim Ausziehen der Shirts komplett einsauen wollen, müssen wir sie aufschneiden." Toni nickte. "Ich glaub auch. Und wer hätte es gedacht, ich hab sogar eine Schere dabei." Mit diesen Worten zückte sie eine große silberne Schere und ich verkniff mir die Frage, warum sie die dabei hatte. Toni war ein Mensch, der "zur Sicherheit" immer alles mögliche von Sicherheitsnadeln bis zu einem Löffel dabei hatte. Nachdem wir uns aus den Malershirts befreit hatten, legte Toni sie einfach zu den Eimern und Pinseln und schaltete das Flutlicht aus. "Geh du schon vor, ich mach noch schnell die Lampions aus." Ich folgte ihrer Anweisung und staunte ein weiteres Mal an diesem Abend. Wie so oft war das Bett voller Kissen und Decken, aber es war eher der Tisch, der meine Aufmerksamkeit auf sich zog. In der Mitte standen ein Strauß roter Rosen und eine weiße Kerze. Zwei Teller, Besteck und Servietten ließen mich vermuten, dass Toni etwas zu essen vorbereitet hatte. Im selben Moment erschien meine Freundin neben mir und schaute mich leicht verlegen an. "Du weißt, ich hab's eigentlich nicht so mit Romantik und Rosen und all dem Zeug, aber ich weiß, dass du es magst und eigentlich ist dunkelrot eine ziemlich coole Farbe und-" Ich unterbrach Tonis Redefluss, indem ich sie küsste und dann angrinste. "Es ist perfekt, danke." Sie erwiderte mein Grinsen. "Dann kümmer ich mich mal ums Essen. Es gibt Ravioli aus der Dose." Wir mussten beide lachen, denn irgendwie passte das perfekt zu uns, zu unserer Hütte und zu dieser Nacht. Schon zehn Minuten später servierte Toni uns die Ravioli und sie schmeckten gar nicht mal so schlecht. Ich hatte gerade meinen Teller geleert, als ein leises Klingeln zu hören war. Irritiert schaute ich Toni an. "Was ist das?" "Mein Wecker. In einer Minute ist Mitternacht und dann bist du offiziell volljährig und unsere Beziehung ist nicht mehr gegen das Gesetz." Sie grinste mich an und stand auf. "Setz dich bitte aufs Bett und mach die Augen zu." Wieder folgte ich ihrer Anweisung und hörte, wie sie mit irgendwas hantierte, dann spürte ich ihre Anwesenheit direkt vor mir. "Gleich mach ich den Countdown, aber du darfst deine Augen erst bei Null öffnen, okay?" "Aye aye, Captain." Für einen kurzen Augenblick herrschte Stille, dann erklang wieder Tonis melodische Stimme. "10,9,8,7,6,5,4,3,2,1,0, alles Gute zum Geburtstag!" Ich öffnete die Augen und schaute in die wunderschönen braunen meiner Freundin, die mit einem riesigen Strahlen vor mir hockte. Sie reichte mir ein Glas Sekt und hob es leicht hoch. "Auf das Geburtstagskind, das jetzt kein Kind mehr ist." Wir stießen an und tranken beide etwas, dann stellten wir unsere Gläser wieder ab und Toni überreichte mir ein kleines Päckchen. Es war mit haufenweise Klebeband verpackt und Toni reichte mir verlegen die Schere. "Einpacken ist nicht so mein Ding." Wir mussten beide lachen, dann packte ich das Geschenk aus und betrachtete es gerührt. "Das ist wunderschön, Toni. Danke." Lächelnd half meine Freundin mir dabei, das Armband an meinem Handgelenk zu befestigen und ich warf noch einen kurzen Blick auf das dunkle Leder und den silbernen Feder-Anhänger, dann bemerkte ich, dass Tonis Gesicht ernst geworden war. Sie atmete tief durch und griff nach meinen Händen. "Wie gesagt, ist Romantik nicht unbedingt meine Stärke und ich stelle mich jetzt wahrscheinlich auch total bescheuert an, wenn ich versuche, meine Gefühle für dich in Worte zu fassen, also nimm es mir bitte nicht übel. Du bist das Beste, was mir je passiert ist. Du gibst mir jeden Morgen einen Grund aufzustehen und jeden Abend einen Grund, mich auf den nächsten Tag zu freuen. Du bist mein Licht, meine Sonne und mein pures Glück in Form eines Menschen. Ich weiß, dass du dich selbst nicht so siehst, wie ich dich sehe, aber das macht nichts, solange ich dir jeden Tag, jede Stunde, jede Minute sagen kann, dass du wunderschön und absolut perfekt bist. Ich möchte niemals von dir getrennt sein, denn das würde mich wahrscheinlich zerreißen. Und eigentlich bin ich kein Mensch der großen, romantischen Worte, aber es gibt drei Worte, die mir wichtig sind und die ich niemals aussprechen würde, ohne sie zu meinen. Ich hoffe daran merkst du, wie viel du mir bedeutest und wie wichtig du mir bist", sie holte tief Luft und ich versuchte währenddessen, die Tränen in meinen Augen wegzublinzeln, "Ich liebe dich, Charlie. Ich. Liebe. Dich." Entschlossen wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und hasste mich in diesem Moment dafür, dass ich so nah am Wasser gebaut war. Dann schluckte ich und schaute Toni tief in die Augen. "Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben und deshalb meine ich das Folgende genau so, wie ich es sage: Ich liebe dich auch."


Wow, ein sehr emotionales und romantisches Kapitel. Ich hoffe, es hat euch gefallen!

Love isn't always easy (GirlxGirl)Where stories live. Discover now