18

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"Charlotte, das geht so nicht! Du warst seit Wochen nicht beim Gottesdienst, das dulden wir nicht!" Ich seufzte genervt und legte den Kopf schief, während meine Eltern mit ernsten Gesichtern vor mir standen. "Das hat aber Gründe. Einmal hatte ich Geburtstag, einmal hab ich mich nicht fit gefühlt und die anderen zwei Male hat immer ein Pfarrer gepredigt, dessen Predigten mir nicht so gut gefallen und die mich nicht so berühren." "Das sind doch bloß Ausreden! Pfarrer Weiland predigt hervorragend und du warst früher auch immer da, wenn er Dienst hatte." "Aber mittlerweile drehen sich seine Predigten überwiegend um die verschiedenen Wege, wie man sündigen kann. Ich mag seine homophobe Art nicht und dass er so vieles ablehnt!" "Er predigt, was in der Bibel steht, daraus kannst du ihm doch keinen Vorwurf machen, Charlotte! Was falsch ist, ist falsch." "Das ist mir zu schwarz-weiß, das widerspricht meinem gesunden Menschenverstand!" "Was soll das denn heißen? Findest du Homosexualität etwa gut?" "Darum geht es doch hier gar nicht! Es geht darum, dass ich mich mit unserer Kirche nicht mehr wirklich identifizieren kann! Ich glaube an Gott, aber nicht an das, was viele Pfarrer irgendwie aus der Bibel zu schließen versuchen!" Mamas Augen verengten sich zu Schlitzen. "Ich wusste es. Diese Antonia hatte einen ganz schlechten Einfluss auf dich! Jetzt findest du Gefallen an der Homosexualität. Hat sie dich etwa verführt? Diese widerwärtige, kleine Schla-" "Halt sie da raus! Sie hat nichts mit meiner Einstellung zur Kirche oder sonstwas zu tun und außerdem haben wir kaum noch Kontakt, weil ihr das so wolltet!" Für einen kurzen Moment war ich geschockt, wie leicht es mir fiel, meinen Eltern direkt ins Gesicht zu lügen, aber viel schlimmer war es, dass ich Toni verleugnen musste. Das war es, was mir wirklich schwer fiel. Mein Vater seufzte tief. "Wir haben dich lieb und vertrauen dir. Wenn du sagst, ihr habt keinen Kontakt mehr, dann ist alles gut. Viel wichtiger ist, dass du wieder mehr zu den Gottesdiensten kommst." "Ich will doch nicht gar nicht mehr zum Gottesdienst gehen, aber ich will nicht mehr zu diesen Gottesdiensten gehen. Könnt ihr nicht wenigstens versuchen das zu verstehen?" Wieder seufzte mein Vater, dann schüttelte er leicht den Kopf. "Du bist 18, du kannst selbst entscheiden, ob du mit uns in die Kirche gehen willst. Aber bitte sei wenigstens so gut und such' dir ein anderes Gotteshaus. Jesus war die Gemeinschaft wichtig und du solltest nicht komplett auf die Gottesdienste verzichten." Zum ersten Mal seit Beginn dieser Diskussion lächelte ich ein wenig. "Danke Papa. Ist es okay, wenn ich jetzt hoch in mein Zimmer gehe?" "Natürlich." Erleichtert eilte ich die Treppe hoch, schnappte mir mein Handy und hielt Kriegsrat mit Toni.

"Hannes! Emily! Wie schön euch zu sehen!" Strahlend umarmte ich meinen Bruder und seine Verlobte und schaut sie dann fragend an. "Was führt euch hierher?" "Ich wollte mit deiner Mutter noch etwas wegen der Hochzeit besprechen", antwortete Emily und lächelte glücklich. Für den Bruchteil einer Sekunde träumte ich davon, auch eines Tages mit Toni vor den Altar zu treten, aber wenn das tatsächlich geschehen sollte, wäre meiner Mutter mit Sicherheit die Letzte, die mit mir darüber reden oder dafür planen würde. Fast schon sehnsüchtig schaute ich Mama und meiner zukünftigen Schwägerin hinterher, dann riss das Lachen meines Bruders mich aus meinen Gedanken. "Was ist los?", erkundigte ich mich verwirrt und er schüttelte leicht den Kopf. "Dein Blick eben. Kannst es wohl gar nicht erwarten, auch endlich zu heiraten, was? Hast du denn überhaupt schon jemanden, mit dem du vor den Altar treten kannst?" "Ist das dein kläglicher Versuch herauszufinden, ob ich in einer Beziehung bin?" "Natürlich. Ich muss den Typen ja erstmal abchecken, bevor er dir überhaupt einen Antrag machen darf." Augenblicklich sank meine Laune ein wenig. Natürlich ging Hannes davon aus, dass ich mich in einen Jungen verlieben würde. Zwar hatte er mitbekommen, dass ich viel über Toni nachdachte, aber das hatte er offensichtlich schon wieder vergessen und ich konnte es ihm bei seinem ganzen Stress mit Uni und Hochzeit auch nicht verdenken. Schnell bemühte ich mich wieder um ein Lächeln. "Ne, da lass ich mir noch Zeit." "Ach so, okay. Also falls sich daran noch was ändert, kannst du mir jederzeit Bescheid sagen, dass du noch eine Begleitung zur Hochzeit mitbringst." "Ja, falls sich was ergibt, sag ich dir Bescheid. Und jetzt entschuldige mich, mein Bett ruft nach mir." "Es ist Mittag." "Und ich bin ein sehr fauler und momentan ziemlich müder Mensch", entgegnete ich grinsend, drehte mich um und lief die Treppe hoch in mein Zimmer. Dort griff ich nach meinem Handy und schrieb Toni eine Nachricht.
"Hi, ich hab Sehnsucht nach dir♥️"
Es dauerte nur wenige Sekunden bis ich eine Antwort bekam.
"Ich vermiss dich auch😔 Was machst du gerade so? Außer an mich zu denken?😉"
Bei ihrem letzten Satz musste ich schmunzeln, wurde aber schnell wieder ernst.
"Mein Bruder und seine Verlobte sind hier und quatschen mit meinen Elterrn wegen der Hochzeit..."
"Wieso die drei Punkte?🤨"
"Na ja, mein Bruder meinte eben, dass es voll okay wäre, wenn ich eine Begleitung mitbringen würde und hat halt gefragt, ob ich einen Freund habe. Und da ist mir klar geworden, dass ich nicht mit dir da hingehen kann wegen meinen Elten und so und das hat mich traurig gemacht😔"
Ach Charlie, nicht traurig sein. Irgendwie kriegen wir das mit deinen Eltern alles hin😌"
Ich wollte gerade eine Antwort tippen, als ich eine weitere Nachricht von Toni bekam.
"Sag mal, hat Jan nicht so eine Regel, dass er sich dir nicht mehr nähern darf?🤨"
Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen.
"Wie kommst du denn jetzt auf Jan?😳"
"Das Arschloch steht auf der Straße und beobachtet euer Haus😡"
Ich spürte, wie mir jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Für einen kurzen Moment war ich wie in Trance, dann wurde mir schlecht und mein Herzschlag beschleunigte sich auf eine unangenehme Art und Weise. Hektisch sprang ich auf und rannte die Treppe runter. Als ich die Haustür aufriss, erkannte ich zu meiner Überraschung Toni, die mit Jan auf dem Bürgersteig stand und sich stritt. "-du dich gar nicht entschuldigen willst, solltest du gehen! Oder nein, du solltest definitiv gehen, denn du darfst gar nicht hier sein!" "Verpiss dich du kleine Schlampe, du hast mir gar nichts zu sagen!" Zitternd drehte ich mich um und entdeckte meinen Bruder, der gerade aus dem Wohnzimmer kam und mich verwirrt anschaute. "Was ist da draußen los?" Ich schluckte. "Hannes, ruf' bitte die Polizei. Jan ist da draußen." Auch mein Bruder wurde jetzt blass und für einen kurzen Moment hatte ich Angst, er würde nach draußen rennen und Jan eine reinhauen, aber dann atmete er tief durch und zog sein Handy hervor. Er begann gerade zu sprechen, als ich draußen das laute Quietschen von Autoreifen und Tonis Schrei wahrnahm. Panisch rannte ich nach draußen und erstarrte, als ich meine Freundin auf der Straße vor einem Auto liegen sah, aus dem jetzt eine verzweifelt dreinschauende junge Frau ausstieg. "Oh mein Gott, das tut mir so Leid!" Ich ignorierte sie völlig und rannte stattdessen zu Toni, die mit geschlossenen Augen einfach nur da lag. Sanft klopfte ich ihr gegen die Wangen. "Bitte wach auf, komm schon. Mach die Augen auf, Toni. Ich bin's, Charlie!" Erleichtert atmete ich auf, als meine Freundin tatsächlich die Augen öffnete und mich anblinzelte. "Gott sei Dank. Beweg dich nicht, Hannes hat bestimmt schon den Krankenwagen gerufen. Wie zum Kuckuck bist du auf die Straße gekommen?" "Jan. Er hat- hat mich gesto-stoßen", brachte Toni keuchend heraus und mit einem Mal wurde ich unglaublich wütend. Ruckartig erhob ich mich, rannte zu Jan und haute ihm eine rein. Im selben Moment bog der Streifenwagen in unsere Straße ein.

Love isn't always easy (GirlxGirl)Where stories live. Discover now