Kapitel 5

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Es regnete in Strömen. Das Psychiatriedach war schwer beschädigt und da das Gebäude schon sehr alt war, rann das Wasser bis in die tiefsten Räume des Hauses. Man konnte das Klimpern der Ketten hören, das durch das Zittern der frierenden Teenager verursacht wurde. Die beiden sahen schlimmer aus, als vor ein paar Stunden. Als HYDRA's Männer angefangen hatten, sie über Alan auszufragen, hatten beide dicht gemacht. Sobald sie begannen Al gröber anzugehen, wollte Chris auspacken, doch sie ermahnte ihn mit ihren Blicken, absolut nichts an diese Spinner weiterzuerzählen. Es tat ihrem Freund in der Seele weh, sie so leiden zu sehen, obwohl er genauso zugerichtet wurde wie sie. Inzwischen waren die Männer wieder gegangen. Chris hing schlaff in seinen Ketten. Das einzige Lebenszeichen von ihm, war ein schwaches, flaches Atmen, bei dem Alan sich nicht sicher war, ob es noch lange anhielt. Auf ihren Wangen vermischte sich ihr Blut mit ihren Tränen. Sie musste dringend etwas unternehmen! Leider standen die Chancen, hier lebend rauszukommen, gleich null. Verzweifelt und ohne jegliche Hoffnung ließ das Mädchen den Kopf hängen und wünschte sich das Ende ihrer Qualen herbei. Egal, ob durch Rettung oder Tod. Sie wollte einfach, dass diese unerträglichen Schmerzen aufhörten. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein Mann mit einem gehetzten Gesichtsausdruck stürmte herein. Ohne zu zögern hob er seine Pistole und zielte direkt auf Chris.
„NEIN!", kreischte Alan so laut sie konnte und begann an ihren Handschellen zu zerren, um ihrem Freund zu helfen. Jedoch ohne Erfolg. Ein Schuss fiel. Alan hielt schlagartig inne. Durch das Adrenalin konnte sie nun weder die Schmerzen, noch die eisige Kälte spüren. Der bewaffnete Mann fiel zu Boden. Er hatte ein kleines Loch zwischen seinen Schulterblättern, aus dem Blut hervorquoll. Auch wenn diese Gefahr jetzt gebannt war, raste Alan's Herz immer noch. Eine Gestalt erschien im Türrahmen, doch das Mädchen konnte nur die Umrisse eines groß gewachsenen, muskulösen Mannes erkennen, da es in ihrem Gefängnis komplett dunkel war und von draußen Licht hereinschien.
„Chris?", fragte eine passend männliche, ruhige Stimme.
„Wer will das wissen?", erwiderte Alan trotzig.
„Sein Bruder", antwortete der Mann. Die Augen der Gefangenen verengten sich. Da der Fremde von ihr keine Antwort bekam, ging er einfach auf ihr Gegenüber zu. Er stellte sich mit dem Rücken zu Al, sodass er Chris nun direkt in die Augen hätte schauen können, wenn dieser gestanden wäre. Aber der hing immer noch kraftlos in seinen Ketten. Langsam hob er eine Hand und Alan bemerkte durch das schwache Licht, dass sie ganz leicht zitterte. Vorsichtig legte der angebliche Bruder seine Finger an Chris' Kinn und hob dessen Kopf etwas an. Dieser hatte sein Bewusstsein aber noch nicht wiedererlangt.
„Oh Gott, Chris! Was haben die nur getan?", flüsterte der Fremde zu sich selbst.
„Sie haben ihn gefoltert, was denn sonst! Und jetzt lass deine Pfoten von ihm!", fauchte Alan feindselig. Prompt drehte sich der junge Mann um und packte sie fest Kinn.
„Woher willst du das wissen? Du kennst ihn nicht!", zischte er ihr wütend ins Gesicht. Auf einmal änderte sich sein Gesichtsausdruck und er musterte die 16-Jährige für eine Weile. Dann ließ er von ihr ab, starrte sie aber weiterhin nachdenklich an. Beinahe geistesabwesend wischte er sich die Mischung aus Blut und Tränen an seiner Hose ab. Jetzt erst bemerkte Alan die Waffe an seiner Hüfte. Plötzlich trat noch ein Mann ein - groß, muskelbepackt und blond.
„Ich hab die Schlüssel", sagte dieser und wandte sich zu seinem Partner, „ist das das Mädchen, das niemand kennt?" Dieser wiederum nickte nur und stützte Chris. Erst als er mit ihm den Raum verlassen hatte, merkte das Mädchen, wie das Adrenalin nachließ. Sobald der Blonde ihre Ketten aufgeschlossen hatte, schloss sie die Augen und brach zusammen.

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