3 | Auf nach L.A.

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»Judy, hey, Judy! Bleib doch mal stehen.« Jemand packt mich an der Schulter und dreht mich zu sich um. Es ist Emma. »Hey. Alles in Ordnung bei dir?«

Ich nicke geistesabwesend und setze meinen Weg durch die Schulflure fort. Heute Morgen hat Will mir eröffnet, ich würde schon am Wochenende nach Los Angeles fliegen. Übermorgen! Eine seiner Mitstudenten macht gerade ein Auslandssemester dort. Sie würde mich vom Flughafen abholen und zu Tony Starks Adresse fahren. Zu meinem Vater. Das kann ich immer noch nicht richtig glauben. Seit zwei Wochen zerbreche ich mir darüber schon den Kopf. Einige Zeit lang nach Mums Tod habe ich gehofft, dass mein Dad sich irgendwann melden würde, aber jetzt wünsche ich mir nichts lieber, als seine Adresse und alle Dokumente mit seinem Namen drauf in einen Müllschlucker zu werfen.

Ich bemerke, dass Emma immer noch neben mir herläuft.

»Also ich weiß ja nicht, was du unter ›Alles in Ordnung‹ verstehst, aber bei dir ist nichts in Ordnung. Was ist denn los?«

»Ich sagte, es geht mir gut«, sage ich, ein wenig zu aggressiv.

Emma schüttelt nur den Kopf. »Wenn du meinst. Aber falls du reden willst...« Emma ist jüngstes Mitglied im Schülerrat unserer Schule und außerdem war sie letztes Jahr Leiterin des Streitschlichterprojekts. Sie ist jemand, der gerne hilft. Aber ich brauche ihren Rat gerade nicht.

»Danke«, sage ich und bemühe mich um einen unbekümmerten Ton. »Aber heute nicht.« Ich lasse sie stehen und sie folgt mir auch nicht.

Dafür kommt Molly vom Schulorchester auf mich zu. »Judy, gut dich zu sehen. Ich hoffe, du bist am Montag beim Vorspiel für die Weihnachtsfeier dabei? Jemanden, der so gut Geige spielt können wir gut gebrauchen.«

Verdammt, das habe ich völlig vergessen.

»Ganz bestimmt«, sage ich erschöpft und dränge mich an ihr vorbei. Wieso kann ausgerechnet heute mich keiner in Ruhe lassen?

Auf dem Nachhauseweg nagen Gewissensbisse an mir. Hätte ich meinen Freunden sagen sollen, dass ich nach Kalifornien fliege? Und dass ich erstmal nicht wiederkomme? Ich bin fest entschlossen, meinen sogenannten Vater davon zu überzeugen, das Sorgerecht wieder an Martha oder von mir aus sogar an Will zu übertragen. Dann wäre ich nächste Woche zurück in London. Zurück Zuhause. Ich dachte, das Umziehen von Ort zu Ort hätte aufgehört, und dabei soll es auch bleiben.






Ein Kleidungsstück nach dem anderen landet in meinem Koffer. Ich ziehe den Reißverschluss zu und lasse mich auf mein Bett sinken. Das kleine Holzkästchen steht an der gleichen Stelle wie immer, auf meinem Nachttisch. Ich greife danach und öffne es vorsichtig. Eigentlich ist es ein Schmuckkästchen, aber ich habe noch nie Schmuck darin aufbewahrt. Hauptsächlich nur Krimskrams, Muscheln, Steine und weitere Sammelstücke. Ich ziehe die Spieluhr auf und das kleine Mädchen fängt an, sich zu drehen. Sie hat die Hände ausgestreckt und sieht nach oben. Ich summe leise mit. Es ist eine einfache Melodie, die tief in meinem Kopf verankert ist. Mum hat mir immer dazu vorgesungen, in einer fremden Sprache. Die Worte konnte ich mir nie merken. Ich starre die kleine Figur an, bis sie stehen bleibt. Seufzend schließe ich das Kästchen wieder und stelle es zurück. Ich hieve den Koffer vom Bett.

Judy | 1   ᵗ ˢᵗᵃʳᵏ'ˢ ᵈᵃᵘᵍʰᵗᵉʳWhere stories live. Discover now