Der Start in eine neue Woche

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Montag. 

Unser aller liebster Tag in der Woche. Nach einem Wochenende, an dem aus den gewöhnlichen fünf Stunden Schlaf drei geworden waren, frisch und munter zu sein, war schließlich das mindeste. Wir konnten gar nicht genug danken, dass wir in unserem Land diese grandiosen Möglichkeiten geboten bekamen und auf unserer schulischen Laufbahn täglich ein Stück weiter in Richtung Verblödung gehen durften.

Eigentlich war ich gerne in der Schule. Eigentlich. Aber nicht montags. 

Jeder Start in eine neue Woche stellte mir schier unüberwindbare Hürden entgegen. Begonnen mit dem beschwerlichen Erheben aus meinem Bett, fortgesetzt durch einen Hindernislauf quer durch das Gerümpel meiner kleinen Schwester bis hin zu einen Sprint hinter meinem Bus her. 

Montage mochten mich nicht. Und ich mochte sie nicht. Es beruhte also auf Gegenseitigkeit. 

Trotz allem erreichte ich schließlich missmutig das Schulgebäude. Meine einzige Hoffnung durch diesen Tag zu kommen war Emma. Sie war kein Kleingeist wie alle anderen Gestalten, die auf diesen Korridoren ihre Bahnen drehten und auch kein Einstein wie meine kleine Schwester. Mit ihr gemeinsam konnte ich auf die Unwissenheit unserer Mitschüler hinabsehen und mich blöd wie ein Zweitklässer fühlen. Nicht, dass Zweitklässer grundsätzlich blöd wären, aber wäre ich in meinem Alter noch in der zweiten Klasse, würde die Allgemeinheit wohl doch davon ausgehen, dass in mir nicht der genialste Geist schlummerte. 

Ich begab mich schon einmal zu unserem Klassenraum. Emma kam nie pünktlich. Und das lag nicht an Montagen. Inzwischen hatten sich bereits all unsere Lehrer damit abgefunden und nahmen es wortlos hin. 

Die anderen aus meiner Klasse grüßten mich. Es war nicht so, dass wir uns nicht verstanden. Wir konnten friedlich nebeneinander existieren. Aber wenn es darum ging, mit wem ich meinen Urlaub plante, standen sie bestimmt nicht oben auf meiner Liste. 

Das lag gar nicht so sehr daran, dass ich sie nicht mochte. Mit den meisten weiblichen Zeitgenossen gab es nur ein einziges Problem.

Jakob Cirret. 

Wenn man vom Teufel spricht.... In diesem Moment kam der Genannte durch die Tür und zog automatisch sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Jedes Mädchen erhoffte sich, seinen Blick auf sich zu ziehen. Ich hatte wirklich gehofft, dass das ein Ende nehmen würde, als er sich seine Freundin zulegte, allerdings wurden meine Gebete nicht erhört. Kaum jemand nahm seine Beziehung zu Naomi ernst.

Ich kannte Naomi kaum. Ich kannte auch ihn kaum. Aber dank meiner professionellen Beobachtungsgabe habe ich festgestellt, dass die beiden wie füreinander geschaffen waren. 

Sie trieb den Durchschnitt in dieser Beziehung eindeutig in die Höhe. Attraktiver. Klüger. Reicher. Nicht, dass es Jakob an einem dieser Attribute gemangelt hätte, doch sie besaß sie im Überfluss. 

Auch Naomi war Teil meiner Klasse. Ich hatte nur nie besonders viel mit ihr zu tun gehabt. Bis zum heutigen Tag, wie sich herausstellen sollte. 

Endlich betrat Schachti den Raum. Ich weiß, nicht was für eine charakterlose Person man sein muss, um diese Frau tatsächlich Frau Professor Schachtenberger zu nennen. Aber für mich kam es unter keinen Umständen in Frage.  

Schachti unterrichtete Mathe und Philosophie. Ich wusste nie, wann welches der beiden Fächer an der Reihe war. Man wollte doch nicht, dass die Spannung verloren ging, oder? 

Sie begann uns über Hobbes zu erzählen. Dann wohl Philosophie.  Ich wusste nicht, weshalb sie sich überhaupt noch die Mühe machte. In zwei Monaten würden wir unsere Matura schreiben. Ein Großteil der Klasse ging bereits vollends im Lernstress auf, ein Viertel hatte resigniert und sah so oder so keine Hoffnung durch diese Prüfung zu kommen und Emma und ich prokrastinierten noch bis zum jüngsten Tag. Unabhängig davon hatte niemand vor in Philosophie zu maturieren. Das hielt Schachti zwar nicht davon ab, stur nach Lehrplan ihren Stoff durchzunehmen, jedoch minimierte es die Aufmerksamkeit unter uns Schülern. 

Ich war gerade dabei unauffällig in die Welt meiner Träume abzuschweifen, als die Tür aufgerissen wurde und Emma wie ein kleiner Wirbelwind in die Klasse fegte.

"Tschuldigung, konnte nicht früher", nuschelte sie und setzte sich ohne weitere Umwege neben mich. Schachti brachte diese Unterbrechung nicht einmal aus dem Redefluss, mich jedoch hatte sie endgültig als Zuhörerin verloren. 

"Bitte erzähl mir irgendwas, was diese Hölle erträglich macht!", wisperte ich Emma zu. Dieser entlockte das nur ein Lächeln, was mir jedoch überhaupt nicht weiterhalf. Wär sie auch nur halb so lange hier wie ich, also zehn Minuten, würde sie verstehen wie mir zumute war. 

Schließlich beugte sie sich wieder in meine Richtung und begann mir ausführlich von ihrem Weg in die Schule zu berichten. Es war bereits so etwas wie ein Ritual. Vielleicht denkt ihr jetzt, wir wären langweilige Spinner. Aber Emma schaffte es tatsächlich jeden Morgen irgendetwas zu erleben, das erzählenswert war. Zumindest fand sie es erzählenswert. "Heute morgen war vor mir in der Straßenbahn so eine kleine Oma, die hat ausschließlich nach Zwiebeln gerochen. Ich mein, was hat die gemacht? Es war halb acht in der früh. Schneidet sie sich ihre Zwiebel ins Müsli? Manche Leute haben wirklich keinen Geschmack. Du erinnerst dich doch an den Typen von dem ich dir erzählt habe, oder? Der mit dem langen Bart. Der hat eindeutig Geschmack. Er ist heute wieder bei der Rosengasse eingestiegen. Eindeutig ein Cutie Face. Und, du wirst es nicht glauben, aber er hat mir zugezwinkert als ich ausgestiegen bin. Glaubst du ich sollte ihn beim nächsten Mal anreden? Ich mein, besser als alles was hier rumläuft, ist er allemal..." 

Emma erwartete sich nicht wirklich eine Antwort auf ihre Fragen, sie wurde nur leise, weil plötzlich Bewegung in unsere Klasse kam. Ich drehte mich zu den Leuten hinter uns um. "Was haben wir verpasst?"

"Die Schachtl will, dass wir über die nächste Woche eine Teamarbeit machen. Die andere Hälfte der Klasse darf ziehen." 

Schachti hatte die ungute Angewohnheit, dass man sich seine Partner bei Gruppenarbeiten nicht selbst aussuchen durfte, sondern ziehen musste. Äußerst unsympathisch. 

In den letzten Jahren hatte ich eigentlich immer recht großes Glück. Dadurch, dass Emma neben mir saß, schwand zwar auch die theoretische Möglichkeit, dass wir ein Team bilden könnten, aber meist hatte ich doch ganz gute Partner. 

Und so zog einer nach dem anderen:

Melanie Gilberts: "Kara Sillinger"

Thomas Griffer: "Sam Dolbing"

Jakob Cirret: "Mara Sinsen" Mara machte Freudensprünge. Wie so viele andere in unserer Klasse hatte sie darauf gehofft. 

Susanne Hopf: "Emma Mauser"

Naomi Pecket: "Gisela Alberts"

Klara ... 

Stop! Ich glaube, ihr versteht nicht, was gerade geschehen ist. Gisela Alberts - das bin ich. Und ich wollte ganz bestimmt nicht mit Naomi an meinem Projekt arbeiten! 

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⏰ Last updated: May 07, 2019 ⏰

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