Kapitel 16 - Erneuter Aufbruch

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Arik rieb sich müde die Augen, als Marian kam um ihn abzulösen. Der Wind pfiff kalt um die Zinnen ihrer Festung und ließ Arik selbst in seiner dicken Rüstung noch frösteln. Hinzu kam die Müdigkeit, die seine Augen immer wieder zufallen ließen. Darum lächelte er dankbar, als sein Freund aus der Luke am Boden stieg.

„Endlich, ich dachte ich müsste hier oben erfrieren", begrüßte er seinen Waffenbruder und rieb sich die Hände.

„Man sollte doch meinen, dass ein Eisdrache mit dem bisschen Wind fertig wird." Marian grinste ihn frech an und zwinkerte ihm zu. Trotzdem legte er seine Flügel nah an den Körper, als er zu Arik trat.

Als Sphinx war Marian ein geflügelter Löwe mit dem Gesicht eines Menschen. So groß wie ein Pony reichte er Arik bis zur Taille. Sein dunkelbraunes Fell schimmerte im Schein der Sturmlampe und aus seinen dunklen Augen blitzte Intelligenz. Arik konnte sich keinen besseren Kameraden vorstellen.

„Pf", machte Arik und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nur weil ich dich in eine Eisskulptur verwandeln könnte heißt das noch lange nicht, dass ich gegen Kälte immun bin."

Marian lächelte darauf nur und entblößte seine spitzen Eckzähne. Er setzte sich neben Arik und zog prüfend die Luft ein.

„Heute Abend werden sie wohl nicht wiederkommen", sagte er und ließ seinen Blick schweifen.

„Nein, das denke ich auch nicht", erwiderte Arik und sein Lächeln verflog. Ihnen allen saß noch immer der Schrecken der letzten Nacht in den Gliedern. Wie Aasgeier war ein Clan von Gargoyles über sie hergefallen.

Sie hatten sie zwar erfolgreich zurückschlagen können, doch ihr Stolz war schwer getroffen. Noch nie hatte es jemand gewagt sie anzugreifen. Mal davon abgesehen, dass kaum einer von ihnen wusste. Sie, das waren die Wächter der Träne. Eine Handvoll der besten Krieger des Landes lebten abgeschieden in den Secubbergen und beschützten ein Artefakt, das den Untergang ihrer Welt einläuten konnte.

Nicht einmal ihre Familien wussten, wo sie sich aufhielten. Einige glaubten sogar, dass sie tot waren. Der geringe Kontakt zur Außenwelt hatte sie in eine eingeschworene Gemeinschaft verwandelt. Arik hätte für jeden von ihnen ohne zu zögern die Hand ins Feuer gelegt. Doch mit Marian verband ihn zudem eine lange Freundschaft.

„Du schaust schon wieder so gefühlsduslig", neckte Marian ihn und zog eine Augenbraue hoch.

„Lass mich doch", brummte Arik und wandte den Blick ab.

„Preaco hatte recht als er sagte, dass du dich zu stark von deinen Gefühlen beeinflussen lässt."

Arik schnaubte nur, antwortete jedoch nicht.

Marian wusste nicht, wie sehr ihn diese Kritik ihres Meisters belastete. In all den Jahren, die er nun schon bei den Wächtern verbrachte, respektierte er den Chimäre noch genauso wie am ersten Tag. Preaco hatte ihm so viel beigebracht, seine Fähigkeiten erkannt und ihn zu einem hervorragenden Krieger ausgebildet.

Aber er hat recht, gestand er sich ein. Er war nun dreißig Jahre alt. Andere Männer in seinem Alter hatten längst eine Frau, ein hübsches Heim und erzählten ihren Kindern Geschichten. Aber ihm blieb dies versagt. Seit er mit knapp zwanzig Jahren als junger Wildfang hierhergekommen war, hatte er keinen Kontakt mehr zur Außenwelt gehabt.

Arik seufzte und riss sich mühsam von diesen Gedanken fort. Es brachte ihm nichts, wenn er sich in Wunschträumen verlor. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen – jetzt sogar noch mehr als vorher. Denn Feinde des Kindkönigs griffen mit blutbefleckten Händen nach der Träne des Urdrachen. Und das musste er verhindern, wenn nötig mit allen Mitteln.

DrachenfeuerWhere stories live. Discover now