Kapitel 5

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Es war eine sehr angenehme Nacht, wenn man bedenkt, dass der Winter kurz bevorstand. Erst gestern erhielt Nayla schockierende als auch hoffnungsvolle Nachrichten. Es kam ihr aber wie Jahre vor, wahrscheinlich auch nur, weil sie zwanghaft versuchte, ihre Gedanken auf etwas Schönes zu lenken. Dass sie sozusagen ein „Loch" in ihrer Magie hatte, in der ihre magische Kraft Stück für Stück austrat, wusste sie, aber niemals im Traum hätte sie daran gedacht, dass ihre Kräfte so schnell schwanden.

Nayla befand sich gerade auf den schnellsten Weg nach Hause. Sie musste jetzt schleunigst Vorkehrungen für ihre Familie treffen. Wie sollte sie dies aber nur anstellen? Ihre Familie wäre nirgendwo in Sicherheit, sollten ihre Schichten des Schildes brechen. Die Monster würden über alles und jenen herfallen und töten, was ihnen über den Weg lief. So viele Jahre hatte sie standgehalten und nun sollte es einfach so vorbei sein? Allein die Kosmosteine waren ihre letzte Hoffnung. Je näher sie auf ihr Zuhause zulief, desto mehr zerbrach sie sich den Kopf darüber, welche Lüge sie ihrer Familie auftischen konnte, um für eine Weile in der Welt herumzureisen. Sie hoffte nur, dass man ihr diese Lüge nicht so sehr ansah, denn sie war eine furchtbar schlechte Lügnerin.

Vor dem Zaun ihres kleinen Einfamilienhauses blieb Nayla stehen. Obwohl sie schon tausende von Jahren auf der Erde war, verband sie ihre schönsten Erinnerungen mit dem kleinen Häuschen. Wie sie mit ihrer Pflegemutter im Garten immer mit den bunten, blühenden Tulpen half oder im Sommer ihre jüngeren Geschwister mit einer Wasserpistole hinterherjagte. Trotz der Gefahr, in der sie sich alle befanden, musste Nayla lächeln.

"Nayla warte! Vergess deine Kontaktlinsen nicht! Sonst kippt deine Mutter um, bevor du auch nur zu Wort kommst", kam es irgendwo im Schatten der Nacht von Noah. Nayla kramte in ihrer Hostentasche nach diesen kleinen, lästigen Dingern. Sie hasste es, diese notwendigen, braunen Kontaktlinsen zu tragen aber eine bessere Lösungf fiel ihr nicht ein.

Sie atmete tief ein und aus und drückte schließlich die Haustürklinke hinunter.

Im Hausinneren war es absolut still. Nichts deutete darauf hin, dass eines ihrer Familienmitglieder nicht schlief. Trotzdem schlich Nayla so langsam sie konnte, hoch in ihr Zimmer. Kurz, bevor sie ihre Tür erreichte, ging im Flur jedoch das Licht an.

„So so, du warst also bei einer Freundin was?". Am Ende des Flurs stand Mary, Naylas Pflegemutter. Sie schaute Nayla aus tiefen, müden Augen an. Ihre  Augenringe verrieten, dass sie wohl seit Tagen nicht gut schlief. Mit der Kaffeetasse in der Hand schlurfte sie in ihrem Bademantel und flauschigen pinken Hausschuhen auf Nayla zu, die zu erstarrt war, um irgendetwas zu erwidern. Mary musste herausgefunden haben, dass sie bei keiner Freundin schlief, das würde auch die unruhigen Nächte erklären. Sie baute sich mit ihrer eher zierlichen  Figur vor Nayla auf.

„Wo verdammt warst du? Ich habe bei Aria angerufen, weil du etwas vergessen hattest. Sie aber hat nur gesagt, dass sie nichts davon wüsste, dass du ein paar Tage bei ihr bleiben wolltest". Mary verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und tippte mit ihrem Zeigefinger auf ihrem Arm herum. Dies machte sie immer, wenn sie sehr verärgert oder nervös war. Sie starrte Nayla intensiv in die Augen und Nayla war noch nie zuvor so erleichtert und glücklich über die Erfindung der Kontaktlinsen.

„Ich warte immer noch auf eine Antwort, eher gehst du nicht in dein Zimmer", kam es nach ein paar schweigenden Sekunden mit einem strengen aber leisen Ton von Mary. Auch, wenn Nayla eine schlechte Lügnerin war, so hatte sie jedoch stets  eine plausible Ausrede parat, jedoch war ihr Kopf in diesem Augenblick wie leergefegt.

Ihr Gehirn ratterte nach einer passenden Antwort, bis ihr im Augenwinkel der Flyer eines Colleges ins Auge sprang. Es war einer dieser typischen Flyer mit denen Mary ab und zu ankam, um Nayla für das College zu begeistern, sie jedoch lehnte immer wieder ab mit der Begründung, dass es nichts für sie wäre und da viel Nayla die perfekte Ausrede ein.

Die WeltenhüterWhere stories live. Discover now