Kapitel 4

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Gegenwart

Mein gesamtes Leben gleicht einem Scherbenhaufen. Im Sonnenlicht glitzert es, doch im Schatten sieht man die Zerstörung und das gebrochene Licht. Und wer es berührt, egal ob in der Sonne oder im Schatten, wird bluten.

Ich ziehe die Klinge über meine Haut, wieder und wieder. Ich kann nicht aufhören, bin wie in Trance. Der heutige Tag hat mir meine letzte Kraft geraubt. Die Gedanken in meinem Kopf überschlagen sich förmlich. Wieso bin ich so... so sehr ich? So nutzlos? Am liebsten würde ich mich selbst, nein, meine Gedanken anschreien. GEHT WEG! BITTE, GEHT WEG! Aber bringen würde es doch nichts, außer dass ich der Verzweiflung näherkomme. Mit jeder Sekunde, welche vergeht, wird es schlimmer, mein Zittern heftiger und Tränen mehr. Jeder Schnitt macht es schlimmer und dennoch kann ich nicht aufhören. Ich weiß nicht wieso, aber ich kann einfach nicht. Ich verliere jegliches Zeitgefühl. Irgendwann fällt mir die Klinge aus der Hand und mit einem kaum hörbaren, metallischen Geräusch zu Boden. Mir wird schlecht und ich springe vom Boden meines Zimmers auf. Irgendwie schaffe ich es ins Bad, wo ich erneut zusammenbreche. Ich übergebe mich, wieder und wieder. Irgendwann sacke ich schwer atmend mit dem Rücken zur Wand zusammen und merke, wie der Druck langsam von mir abfällt. Die Ziffern der Digitaluhr verraten mir, dass die Nacht in zwei Stunden bereits wieder um sein würde. An Schlaf war sowieso nicht zu denken, also blieb ich wo ich war – auf dem Boden des Badezimmers. Ich muss doch irgendwann eingeschlafen sein, da der Wecker, welcher in meinem Zimmer klingelt, mich hochschrecken lässt. Mein Kopf pocht laut und mein Rücken knackt laut als ich mich bewege. Ich schäme mich für die letzte Nacht und die Spuren, welche sie auf mir hinterlassen hat.

Ich binde meine Haare zu einem Dutt und steige unter den kalten Wasserstrahl der Dusche. Das getrocknete Blut löst sich von meinen Armen und meinem Bauch und die Müdigkeit wird aus meinen Gliedern gejagt. Ich mache das Wasser aus, steige aus der Dusche und wickle mich in ein Handtuch ein, trockne mich ab, mache mich fertig. Ich trage Wimperntusche und etwas Make-Up auf, um nicht auszusehen wie einer der Zombies aus The Walking Dead.

Ich versuche den ganzen Tag so zu tun, als wäre alles okay, auch wenn das Gegenteil der Fall ist. Aber alle glauben es mir, denken, ich würde mit ihnen über ihre Witze lachen. Im Laufe des Tages schaffe ich es in der Tat irgendwann die vergangene Nacht zu verdrängen – die Frage ist nur, wie lange.

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⏰ Last updated: May 25, 2019 ⏰

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