hoseok. | letters from yoongi

thirty

Als er die 6 Stunden in der Schule endlich abgesessen hatte ging er auf dem schnellstmöglichem Wege nach Hause. Ihn hatte der Gedanke an den Stick den ganzen Tag nicht mehr losgelassen und er wollte endlich wissen was er auf ihm finden würde.
Um ehrlich zu sein hatte Hoseok keine einzige Idee die in irgendeiner Weise Sinn machen würde. Es würden ja wohl kaum Nacktbilder darauf sein.
Als er die Tür auf schloss und sie wieder hinter sich zu fallen ließ wartete er auf die altbekannte Begrüßung seiner Mutter, bis ihm einfiel dass sie ihm ja heute Morgen noch mitgeteilt hatte, dass sie wegen einer Betriebsfeier erst spät in der Nacht wieder zu Hause sein würde. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt, da dieser seine Mutter noch vor seiner Geburt verlassen hatte.
Er stürmte die Treppe hoch in sein Zimmer und pfefferte seinen Rucksack und seine Jacke ohne umschweife in eine Ecke seines Zimmers. Hoseok ging auf direktem Wege auf seinen Laptop zu und betätigte einen Knopf der das Gerät hochfahren ließ. Es kam ihm aus irgendeinem Grund heute so vor, als würde sein Laptop sich besonders viel Zeit lassen um seine Nerven noch mehr zu strapazieren. Als er endlich fertig war und Hoseok sich angemeldet hatte, steckte er den USB-Stick sogleich in die dafür vorgesehene Öffnung an der Seite. Sofort ertönte ein 'pling' als der Stick erkannt wurde und er ihn verwenden konnte.
Er öffnete den Stick und fand nur eine einzige Datei vor.
Es war eine mp3 Datei mit dem Namen 'the-last-augustd'. Hoseok kniff seine Augen zusammen. August D...von diesem Künstler hatte er noch nie gehört. Was könnte das bedeuten ? Er atmete noch einmal tief durch und drückte auf Play.
Ein Beat begann und mit einem Mal zuckte Hoseok zusammen. Die Stimme, die mit einem aggressiven Unterton anfing zu rappen, kannte er. Das war Yoongi's Stimme.
Er konzentrierte sich auf den Text und einige Stellen brannten sich direkt in sein Gedächtnis ein.

"Depressionen, Zwangsstörungen, sie kommen von Zeit zu Zeit immer wieder zurück"

Yoongi litt an Depressionen ? Hoseok war auf alles vorbereitet gewesen aber das hatte er nicht erwartet.

"Der Konflikt mit dem Ideal, mein Kopf tut weh
Als ich ungefähr 16 war, entwickelte sich eine Sozial-Phobie in mir"

Warum hatte Hoseok das nie bemerkt ? Er war schließlich seit 5 Jahren mit ihm in einer Klasse.

"Manchmal hatte auch ich vor mir selbst Angst,
Selbst gehasst und danke an die Depression, die mich übernimmt"

Er konnte und wollte das alles nicht glauben. Was war nur in Yoongi's Leben passiert dass er so geworden ist ?

"Min Yoongi ist schon Tod."

Hoseok zuckte zum zweiten Mal zusammen und Tränen traten in seine Augen. Was meinte er damit ? Was wollte ihm Yoongi damit sagen ? Warum hatte er ihm diesen Stick gegeben ? So viele Fragen drehten sich in seinem Kopf. Er war überfordert mit dieser Situation. Er war erschöpft und konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Am nächsten Morgen wachte Hoseok mit höllischen Kopfschmerzen auf und fand sich auf dem Parkettboden seines Zimmers wieder. Er wusste weder wie er auf den Boden gelangt war, noch wieso sein Schädel so sehr pochte. Doch beides schien beantwortet zu sein als er sich langsam aufrichtete und an seinen Kopf fasste. Zischend zog er seine Finger weg. Er hatte eine ziemlich große Kopfplatzwunde. Wahrscheinlich war er gestern ohnmächtig geworden und mit dem Kopf auf dem Boden gelandet.

Eine Stunde später war Hoseok vor der Schule angekommen. Er hatte einen weißen Verband um seinen Kopf gewickelt und versucht seine Wunde ein wenig zu reinigen. Sonderlich gut hatte das allerdings nicht funktioniert da er wegen der Schmerzen immer wieder weggezuckt war.

Seine Gedanken schrien nur eines. Er musste Yoongi finden und mit ihm reden. Hoseok durchsuchte die gesamte Schule nach ihm ohne auch nur eine einzige Spur darauf zu ergattern wo er war.
Als er das Vorklingeln hörte, dass ihm sagte, dass er noch 5 Minuten hatte bis der Unterricht los ging, ging er niedergeschlagen zu seinem Klassenzimmer. Als Hoseok vor der Tür grauen Tür stand fiel ihm ein dass er einfach im Klassenraum auf Yoongi hätte warten können und facepalmte sich innerlich selbst. Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen öffnete er die Tür zum Klassenraum und ging hinein. Das Grinsen, das er soeben noch auf seinen Lippen getragen hatte, verschwand allerdings auf einen Schlag als er Yoongi's leeren Platz entdeckte. Wo war er ?

Als der Lehrer den Raum betrat folgte eine traurige, trübselige Stimmung und ohne dass ihr Klassenlehrer etwas sagen musste, war Stille in den Raum eingekehrt.
"Ich muss ihnen alles etwas wichtiges mitteilen aber es ist keinesfalls etwas positives." Er atemete tief durch "Ihr Mitschüler, Min Yoongi, hat sich heute Nacht das Leben genommen, man fand ihn mit einer Überdosis Schlaftabletten intus, bereits leblos in seinem Zimmer auf, wir alle werden ihn schrecklich vermissen und-"
Ab diesem Moment schaltete sich Hoseok's Gehirn aus und Tränen fingen an über sein Gesicht zu laufen. Nein ! Das konnte nicht sein. Yoongi musste noch am Leben sein. Er hätte ihn doch nicht allein gelassen.
Im nächsten Moment traf ihn die Erkenntnis wie ein Blitzschlag. Der Song war ein Hilferuf an ihn gewesen und er hatte ihn nicht verstanden. Hoseok hätte ihn retten können. Hätte er verstanden was Yoongi ihm hatte sagen wollen, wäre er noch am Leben.
Hoseok fühlte sich taub. Die Tränen liefen seine Wangen hinunter wie Sturzbäche und er schaute mit geröteten Augen aus dem Fenster.
Er flüsterte vier Worte immer und immer wieder vor sich hin. Sie waren so leise, dass nur er selbst sie verstehen konnte. Sie waren nicht für die Ohren anderer bestimmt. Sie waren für Yoongi bestimmt. Nur für ihn.

"Ich liebe dich auch, Yoongi"

Aber es war zu spät, Yoongi würde nie erfahren dass Hoseok seine Gefühle erwidert hatte. Er würde nie diese vier Worte von ihm hören, die ganz allein für ihn bestimmt waren. Min Yoongi war tot.