DREI

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Fast rechne ich damit, dass sie sich sogleich wieder öffnen und die Maske mich angreifen wird – In diesem Flügel würde mich nichts mehr überraschen. Doch nichts von alledem geschieht.

Der Korridor liegt wieder still und verlassen da und die rote Tür starrt mich unschuldig an, so als wären sie und das, was hinter ihr verborgen liegt, vollkommen harmlos.

Ich brauche einige Minuten, bis mein Puls sich wieder normalisiert hat. Als ich mir sicher bin, dass die sich nicht von selbst wieder öffnen und die Maske sich auf mich stürzen wird, beruhige ich mich ein wenig. Ich weiß nicht, wie lange ich nun schon durch diese seltsamen Räume irre, es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Diese Maske war ganz offensichtlich nicht normal, zumindest nicht so leblos, wie eine Maske üblicherweise sein sollte. Also lebt sie anscheinend ... irgendwie. Oder sie ist verflucht. Was auf das Gleiche hinausläuft: Sie ist das einzige lebendige Wesen, das ich hier bislang angetroffen habe und damit auch die Einzige, die mir möglicherweise helfen kann, den Ausweg aus diesem Irrgarten zu finden.

Ich atme noch einmal tief ein. Erinnere mich daran, dass es nur eine Maske ist, ein eigentlich lebloser Gegenstand, der mir unter normalen Umständen nichts anhaben kann. Außerdem habe ich keine Wahl.

Vorsichtig öffne ich die Türe wieder und hoffe dabei inständig, dass der Raum noch derselbe ist.

Er ist es.

Die Maske grinst mir ins Gesicht, bewegt sich jedoch nicht mehr.

»Ähm ... hallo«, sage ich vorsichtig und komme mir selbst dabei reichlich albern vor. Einen Moment lang geschieht nichts und schon sage ich mir, dass ich mir alles eingebildet habe und möchte die Tür wieder schließen.

Da kommt plötzlich Leben in ihre Züge. Die Mundwinkel zucken erneut, die ausgeprägten Wangenknochen heben sich ein wenig, die goldenen Brauen beginnen zu tanzen. Nur ihre höhlen bleiben genauso schwarz und unergründlich wie zuvor.

»Aber hallo«, sagt sie mit einer einschmeichelnden Stimme, die es mir eiskalt den Rücken hinunterlaufen lässt. »Was für eine erfreuliche Ablenkung in meinem tristen Dasein! Ich hoffe, Ihr nehmt es mir nicht übel, dass ich keinen Kuchen gebacken habe, ich habe nicht mit Besuch gerechnet. Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr heute kommt, hätte ich selbstverständlich ein wenig aufgeräumt.«

Sie kichert albern und ihre Federn schwingen dabei auf und ab.

»Kannst du mir helfen, den richtigen Weg zu finden?«, frage ich, ohne auf ihre seltsamen Witze einzugehen.

Einen Moment lang sagt sie nichts. Dass ich in den leeren Höhlen, wo ihre Augen hätten sein sollen, nichts erkennen kann, macht mich nervös. Es ist mir nicht möglich, sie einzuschätzen. Als sie wieder spricht, hat sich ihre Stimme verändert. Sie klingt nun geschäftsmäßig und ein bisschen verschlagen.

»Welchen Weg sucht Ihr denn, Prinzessin?«

»Den Ausweg. Ich möchte wieder nach Hause.«

Wieder eine Pause. Sie scheint nachzudenken. Plötzlich beschleicht mich das Gefühl, dass es ein großer Fehler war, sie nach dem Weg zu fragen.

»Unter einer Bedingung«, sagt sie nun zuckersüß.

»Welche?«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Nicht so feindselig«, beschwert sie sich und ich höre einen leicht beleidigten Tonfall heraus. »Traut Ihr mir etwa nicht?«

»Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mir den Weg sagen würdest. Ich irre nun schon seit Ewigkeiten durch diese Räume, ich möchte wieder zurück.«

Unwillkürlich habe ich wieder begonnen, an meinen Nägeln zu zupfen und zu kauen.

»Sagt ganz lieb bitte«, feixt sie.

Scherbenprinzessin (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt