XI. Pechschwarze Federn

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Blut tropfte von seinem Handgelenk herunter, in welches er sich zuvor gebissen hatte. Es vermischte sich mit dem Blut von irgendeiner armen Schwarzotter, die der Mann für das Ritual getötet hatte.

,,Versuchst du etwa zu fliehen?!" Der Mann klang empört, als wäre er der liebenswürdigste Gastgeber im ganzen Universum.
,,Ist es wirklich so überraschend?" Crowley wischte das Blut an seinem schwarzen Hemd ab. ,,Warum sollte ich denn überhaupt noch hier bleiben?"
,,Das wirst du noch herausfinden. Ich bin nur hier, um dich ein bisschen hinzuhalten." Das Grinsen wurde kälter, gehässiger, als der Mann vor dem Pentagramm mit den verschiedensten Sigillen stehenblieb.
,,Es liegt nicht nur an mir, wann oder ob man dich gehen lässt." Er begann Crowley zu umkreisen, was ihn ein wenig nervös machte.
,,Beweg dich einfach nicht, bis ich es sage", verlangte er.
,,Ich denke wirklich, es wäre für uns alle besser, wenn-"
,,Sei still", knurrte der Mann und Crowley spürte, wie ungezügelte Panik in ihm aufkam, als er plötzlich wie gelähmt war.
,,Neig deinen Kopf zurück, los, mach schon", drängte er mit einer Stimme, die keine Widerworte zuließ. Crowley kniete bereits und spürte, wie sein Körper von selbst handelte, und egal, wie sehr er dagegen ankämpfte, der Zwang machte es unmöglich, Widerstand zu leisten - doch er versuchte es weiter und ein elender, erstickter Atemzug entwich seine Lippen, als er endlich den Schmerzen nachgab.

Der Mann fuhr mit seiner Hand durch Crowley's Haar, streichelte es zuerst sanft, bevor er sich darin festkrallte und seinen Kopf brutal nach hinten zog.
,,Du hast gesagt, du bist ein gefallener Engel", säuselte der Mann vor sich hin und Crowley spürte, wie sein Inneres bei diesem unterschwelligen Ton zu Stein erstarrte.
,,Bedeutet das, dass du früher Flügel hattest?"
Crowley antwortete nicht und der Mann verstärkte den Griff in seinen Haaren.
„Sag mir, ob du Flügel hattest oder nicht!"
„Ja!", fauchte Crowley und schwor sich, dass er diesen erbärmlichen Menschen in Stücke reißen würde.
Ein Mundwinkel des Mannes zuckte nach oben. ,,Was ist mit ihnen passiert? Sind sie verbrannt, als du gefallen bist, oder hast du sie noch?"
,,Fick dich", gab Crowley knurrend von sich und nahm dafür neue Schmerzen in Kauf.
„Sag es mir!"
„Ich habe sie noch, du Bastard!", schrie er zurück und hasste, wie seine Stimme dabei brach.
„Zeig sie mir", kam der Befehl und Crowley konnte sich nicht länger dagegen wehren. Sie erschienen groß und angsteinflößend auf seinem Rücken und legten sich schützend um ihn, als sie auf die Barriere der Dämonenfalle trafen - unfähig, sich richtig zu entfalten. Er bemühte sich, sie so schnell wie möglich wieder einzuziehen, aber der Mann zog mit einem heftigen Ruck an dessen Haar, wodurch sich Tränen in Crowley's Augen sammelten.

„Lass sie dort", flüsterte er an seinem Ohr, weshalb sich die Härchen des Dämon's aufrichteten. Der Mann ließ dessen Schopf schließlich los, wobei vereinzelte Haarsträhnen auf den Boden fielen, und fuhr stattdessen mit den Fingern über seine Federn.

Crowley zitterte bei dem Versuch, sich zu befreien. Zunächst war er zärtlich, bis er eine seiner Federn genauso wie seine Haare ergriff - und sie herausriss.
Crowley versuchte den Schmerzensschrei zu unterdrücken, aber er schaffte es nicht ganz und keuchte und erschauderte, als die ersten Tränen seine Augen verließen.

,,Flehe mich an, aufzuhören und ich werde es tun", versprach der Mann, als er bereits eine Handvoll von Crowley's Federn erfasste und diese mit einem kurzen Ruck herauszog.

Er war zwischen zwei Arten von Schmerz gefangen, dem Kampf gegen den Zwang und diesem wahnsinnigen Herausreißen seiner Federn.
,,Hör auf, du verdammter Mistkerl ..."
,,Das ist kein Betteln."
,,Bitte", knurrte er, aber trotz seiner besten Bemühungen, wurde es nicht besser.

Er war dankbar dafür, dass Erziraphael nicht hier war, um das mit ansehen zu müssen. So gedemütigt und niedergeschlagen, gezwungen, diesen Menschen um Gnade zu bitten.
„Hör auf-"

,,Okay, stopp. Schluss damit, das kann man sich ja nicht mehr mit ansehen", ertönte auf einmal eine ihm alt bekannte Stimme. Und als er den Blick hob, um zu sehen, wer vor ihm stand, wurde seine Vermutung leider zur bitteren Wahrheit: es war der Erzengel Gabriel mit seinen Vertretern, Brüdern und Schwestern im Gepäck. Er warf dem Menschen einen missbilligenden Blick zu, der seine Aufgabe anscheinend vollbracht hatte, welche darin bestand, den Dämon in ein reinstes Nervenbündel zu verwandeln. Dann wunderte er ihn mit der Hand weg, ohne zu wissen, wozu er eigentlich in der Lage war und wozu er Crowley noch veranlassen hätte können.

,,Was wollt ihr?!", brüllte Crowley sie an und versuchte so viel Wut wie möglich zu kanalisieren, damit der Schrei nach etwas anderem als einen Schmerzensschrei klang.

,,Mach dir keine Sorgen. Wenn du ein braver kleiner Dämon bist und tust, was dir gesagt wird, dann wird es dir gut gehen", antworte Michael stattdessen.
,,Und wenn du darauf bestehst zu kämpfen, dann nur zu", fügte Uriel hinzu. Ihre Lippen hielten ein Lächeln zurück, das Crowley's Innereien zum Brennen brachte.
,,Wir haben einige Fragen, die wir gerne beantwortet haben möchten, Dämon", sagte Michael höhnisch. „Könntet ihr euch beeilen und sofort fragen? Ich muss meine Pflanzen noch vor dem Morgen gießen."

Crowley hatte das Zeitgefühl völlig verloren, denn er war bereits wochen-, wenn nicht sogar monatelang hier, die Engel sahen sich gegenseitig verwirrt an und fingen wenige Sekunden später an, schallend zu lachen. Es schmerzte Crowley in den Ohren und er verzog angewidert das Gesicht.

,,Ich habe das Gefühl, dass er nicht annähernd so kooperativ sein wird, wie er vorgibt", meinte Uriel schließlich mit dröhnender, eindringlicher Stimme.
,,Ich glaube, du hast recht. Lass uns das einfach hinter uns bringen", sagte Gabriel, während er ein Klemmbrett aus der Luft wunderte und etwas niederschrieb.

𝕴𝖓𝖊𝖋𝖋𝖆𝖇𝖑𝖊 • 𝕲𝖔𝖔𝖉 𝕺𝖒𝖊𝖓𝖘Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora