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Am Rande seines Bewusstseins vernahm er das fließende Wasser, wie es aus den Abflüssen rann und durch das ausgeklügelte Rohrsystem von Teich zu Teich sprang, doch nichts von dem, was er jetzt hörte glich noch dem beruhigenden, glockenklaren Klang ...

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Am Rande seines Bewusstseins vernahm er das fließende Wasser, wie es aus den Abflüssen rann und durch das ausgeklügelte Rohrsystem von Teich zu Teich sprang, doch nichts von dem, was er jetzt hörte glich noch dem beruhigenden, glockenklaren Klang von vorhin.

Eher wie eine verformte Glocke, welche dazu verdammt war, nie wieder den richtigen Ton erzeugen zu können, erklang das fließende Wasser nun in den Ohren des Prinzen.

Immer schneller trugen seine Füße ihn, die Last, die ihm bereits bei seiner Geburt mit der Rolle als Thronfolger aufgebürdet wurde, schien mit einem Mal federleicht im Vergleich zu dem Gewicht, welches gerade sein Herz beschwerte und seine Atmung abschnürte.

Vorbei zog der harmonische Garten mit all seinen blassen Farben, während das Licht des hoch am Himmel stehenden Mondes alles mit einem bläulichen Schimmer überziehen zu schien, beinahe als hätte man ein prachtvolles Landschaftsgemälde durch fliederfarbenes Wachspapier abgepaust, tauchte der runde Himmelskörper sämtliche Flächen, die sein kalter Schein berührte in eine melancholische Atmosphäre, die dem jungen Prinzen auch um einiges passender schien als die klaren, scharfkantigen, ausgeglichenen Auswüchse der konfuzianischen Architektur, die ihm auch nach Jahren noch so fremd vorkamen.

Die Tränen, die sich mittlerweile in seinen Augenwinkeln gebildet hatten, blinzelte er mühsam beiseite, ehe er vor dem gewaltigen Tempel abrupt zum Stehen kam und ihn sogleich eine Welle der Geborgenheit erfasste.

Hastig stieg er die ausgetretenen Stufen hinauf, tief atmete er durch, bevor er seine zitternde Hand auf den angelaufenen Türknauf legte und die massive Holztür mit einem kräftigen Stoß öffnete.

Sofort umfing ihn ein vertrauter Geruch, eine Mischung aus Räucherstäbchen und frisch aufgebrühtem Grüntee stieg ihm in die Nase und ummantelte ihn wie eine warme Decke.

Sein aufgeregtes Herz kam langsam zur Ruhe.

Andächtig setzte der junge Prinz einen Schritt in das beengte Vorzimmer, krachend fiel die schwere Durchgangstür hinter ihm ins Schloss und sorgte dafür, dass der indigofarbene Vorhang aus dünnem Leinen, der den Raum von der Hauptkammer trennte, sich beinahe anmutig blähte.

Unmittelbar danach legte sich erneut ein Mantel aus erhabener Stille um den jungen Prinzen, lediglich das leise Schaben seiner Schuhe durchbrach diese allumfassende Ruhe und hallte, verstärkt durch die ausgefallene Architektonik des kleinen Saals, dessen Wände zur Gänze mit großen, dunklen Steinplatten verkleidet waren, begleitet von einem schwachen Echo von jenen wider.

Mit pochendem Herzen schlüpfte Taehyung aus den dünnen Stoffschuhen; die Kälte, die daraufhin von den ausgetretenen Bodenplatten auf seine nackten Fußsohlen abstrahlte, weckte automatisch Erinnerungen aus seiner Kindheit.

Beinahe automatisch blieben seine Augen für einen kurzen Moment an dem großen Rollbild, welches in einer der Nischen zwischen den Säulen, die für die Statik dieses Gebäudes sorgten, aufgehangen worden war, haften.

Es war ein Reiher auf weißem Grund, mit feiner dunkelgrauer Seide war das Tier in das schwere Material eingewebt worden; jedes Mal, wenn Taehyung hier verharrte, bewunderte er die Detailtreue dieses Kunstwerks, ihm war, als würde der Reiher jeden Augenblick seine Flügel ausbreiten und davonfliegen.

Bedächtig schob er den fließenden Stoff, der den Durchgang der beiden Räume trennte, zur Seite und als der schließlich das leise Knacken der hölzernen Dielen vernahm, mit denen die kreisrunde Hauptkammer ausgelegt war, stieß der Schwarzhaarige ein tiefes Seufzen aus.

Dunkel und glänzend poliert schimmerte die Boden unter seinen nackten Sohlen. Gleichsam beruhigend zu dem zitternden Kerzenschein wirkte die Tatsache, dass jede der glatten Eichenholzdielen ihren eigenen Klang besaß, wenn man einen Fuß auf sie setzte.

Automatisch glitt sein Blick über die kunstvoll gefertigten Wandpaneelen, welche in regelmäßigen Abständen die Wände der Gebetsstätte säumten. Schwach funkelten die handgeknüpften Wandteppiche, die zwischen der steinernen Vertäfelung in das poröse Mauerwerk gehauen waren, schillernd glänzten nicht nur die hochwertigen, feinen Goldfäden, die sich wie sanfter Regen gleichmäßig durch die prachtvollen Gobelins zog, sondern vor allem die bunten Edelsteine, welche akkurat in den schweren Stoff eingewoben worden waren.

Gleich glühenden Augen funkelten die blutroten Rubine jedem Betrachter dieser wertvollen Schätze entgegen; die Gerüche, die der aufwendig verzierte Stoff absonderte, waren ebenso fremdartig wie die funkelnden Steine.

Leicht süßlich würde der Thronfolger das durchdringende Aroma beschreiben, wie süßes Gebäck, welches er noch nie zu kosten in der Lage gewesen oder eine liebliche Blume, dessen zarter Blütenkelch er noch nie zu betrachten in der Lage gewesen war.

Fremdes Kulturgut aus einer fremden Welt.

Schwach spiegelte sich der flackernde Kerzenschein in den bauchigen Rundungen der goldenen Gefäße und Garben, welche gewissenhaft auf dem ausladenden Lotusschrein in der Mitte des weitläufigen Raumes abgestellt worden waren.

Sofort begab sich Taehyung vor das glänzende Marmorpodest, in dessen Zentrum eine ebenfalls vergoldete Statue eines der Götter stand, die der Prinz in seiner Jugend so eifrig studiert hatte, und hoheitlich auf ihn herabsah.

Automatisch kniete sich der junge Kronprinz auf eine der dünnen Bambusmatten nieder, dessen Kanten geknüpft aus blau eingefärbter Seide, einst strahlend Indigo, bereits verblasst waren und senkte sogleich sein Haupt; seine glühende Stirn berührte zaghaft den marmorn Vorsprung, welches ihn dazu veranlasste, seine Augen zu schließen und den vertrauten Geruch der wenigen entzündeten Räucherstäbchen in Kombination mit der erhabenen Kälte, die die unzähligen goldenen Götterreliquien ausstrahlten, einzusaugen.

Eine vereinzelte Träne lief über die erhitzte Wange des Schwarzhaarigen, tonlos tropfte sie auf seinen Handrücken; straff spannte sich die feine, von Adern durchschienene Haut über den hervortretenden Fingerknöcheln, die der junge Prinz zu einer Faust geballt hatte, ehe der salzige Tropfen schlussendlich auf dem polierten Marmor aufkam.

»Taehyung?« Ruckartig hob der Kronprinz den Kopf beim Klang der rauen, heiseren Stimme, die die Luft in dem fensterlosen Raum augenblicklich zum Vibrieren brachte.

THE HERONS CALLWo Geschichten leben. Entdecke jetzt