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Er hatte es noch genau in Erinnerung

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Er hatte es noch genau in Erinnerung. Wie ein schönes Landschaftsgemälde eines namenhaften Künstlers hatte es sich in das Gedächtnis des jungen Prinzen eingebrannt:

Es war Herbst gewesen, die Tage drückend heiß, die Nächte angenehm kühl. Die Reisernte war bereits vorbei, die roten Herbstlilien waren im Begriff, zu verblassen.

An den Bäumen, die das gewaltige Anwesen des Königsfamilie säumten, färbten sich die Dattelpflaumen bereits golden, während ihre großen, überhängenden Palmenblätter spröde wurden.

Den ganzen Vormittag bereits hatte Taehyung sich durch das weitläufige Bambusgehölz, welches nahtlos in den akkurat kultivierten Garten der Familie überging, gekämpft. Völlig erschöpft hatte er an eine der massiven Bambusstauden gelehnt, da hatte er ihn erblickt.

Gleich einem grauen Geist war er über die Mauer in den kleinen Garten gekommen, als wäre es das Leichteste auf der Welt für ihn, dieses, für den kleinen Jungen so strikt abgeriegelte Gut zu betreten und zu verlassen wie es ihm passte.

Fasziniert hatte der junge Thronfolger dort gestanden und dem Reiher bei dem eleganten Bemühen um seine nächste Beute, dabei wadentief in dem glasklaren Wasser des kleinen, künstlichen Teiches stehend, zugesehen.

Gleich einer Statue war er minutenlang bewegungslos verharrt, abwartend, dass einer der Fische vergaß, dass er es war, der sich im Wasser bewegte. Ebenso erstarrt war der kleine Junge, welcher mit funkelnden Augen das flinke Geschöpf betrachtet hatte.

Erschrocken war er dann schließlich zusammengezuckt, als der Reiher nach vorn geschnellt und einen kleinen Fisch aus dem kühlen Nass gepickt hatte. Mit kräftigen Flügelschlägen, gleich dem Aufschnappen eines Fächers, war er unmittelbar nach Beendigung seiner Jagd davongeflogen wie er gekommen war.

Jeden Nachmittag war der Reiher ab diesem Tag zurückgekehrt und so war es auch Taehyung.

Er hatte sich vorgestellt wie es wäre er zu sein. Die Freiheit, die der Vogel besaß schien in den Augen des Jungen schier grenzenlos zu sein.

Mit zunehmendem Alter veränderte sich jedoch auch Taehyungs Interesse an dem prächtigen Tier.

Er ließ sich die verschiedensten Schriftrollen beschaffen, um jedes Detail seiner Art in sich aufzusaugen. Er studierte Karten mit Brutplätzen und Überwinterungsländern – Länder, die er selbst wohl nie zu bereisen in der Lage sein würde.

Auch für die Taxonomie interessierte er sich immer mehr. Während der Reiher, den er damals gesehen hatte, eindeutig ein Graureiher mit silbrigem Federkleid gewesen war, lernte er, dass es auch noch andere Arten innerhalb Koreas gab. Eine Gattung hatte es ihm besonders angetan: Der Seidenreiher.

Er hatte gelesen, dass diese Art wohl gar keine richtige Art sei, sondern vielmehr vermutet wurde, dass er lediglich eine weiße Farbphase des blaugrauen Riffreihers sei.

Sein Federkleid solle weiß wie die reinste Seide schimmern und sein gebogener Schnabel hingegen in einem tiefen Schwarz eingefärbt sein.

Eine Abbildung dieses Reihers, zumindest dachte er das, hing sogar in dem Vorraum ihres Gebetstempels.

Alles würde er dafür geben, mal ein Exemplar dieser Gattung zu sehen.

Genauestens hatte er bereits nachgelesen, wo diese Unterart wohl auf der koreanischen Halbinsel im Frühling ihre Nistplätze bereitete. Nur sein Vater hätte ihn niemals gehen lassen.
So beschränkte sich der Prinz auf seine Vorstellung, doch der Wunsch blieb.

Lediglich Jeongguk wusste von dem ungewöhnlichen Traum des Älteren, die Welt zu bereisen, um diese Geschöpfe studieren zu können.

Alle anderen hätten ihn wahrscheinlich ausgelacht, inklusive oder eher gesagt allen voran sein Vater.

Obwohl der Soldat die Leidenschaft seines Liebhabers zuerst belächelt hatte, hegte er insgeheim eine tiefe Bewunderung für diese Art von Hingabe und Begeisterung.

Einmal mehr führte es ihm vor Augen, wie viel besser als er der Prinz war.

Sofort stieg Jeongguk die Röte ins Gesicht, als diese Erkenntnis sein Gehirn durchfuhr, welches Taehyung hingegen nur mit einem belustigten Kichern registrierte. Wohlig seufzend schmiegte er sich daraufhin noch enger an die entblößte Brust des Soldaten.

»Aber ohne dich würde für nichts von dem je die Stärke aufbringen können vermutlich«, murmelte Taehyung gegen die im flackernden Kerzenschein glänzende Haut des Jüngeren. »Beziehungsweise - Ohne dich würde ich nichts von alledem wollen.« Zaghaft wanderten die schlanken Finger des Prinzen über den Oberkörper des Soldaten, ehe sie sie sanft über seine raue Handinnenfläche strichen und ihre Finger miteinander verschränkten. »Ohne dich ist nichts von alledem etwas wert.«

Gähnend kuschelte er sich noch enger an den erhitzten Körper des Anderen. Allmählich merkte er erneut die Müdigkeit, wie sie ihre langen Klauen nach ihm ausstreckte und sich um ihn legte wie eine wärmende Decke.

Wohlig stieß Jeongguk daraufhin ein leises Brummen aus. »Ich liebe dich, Taehyung«, flüsterte er leise, den Blick abwesend in die Ferne gerichtet. Diesmal war seine Stimme fest und klar. »Mehr als alles andere auf dieser Welt«, fügte er tonlos hinzu, doch die Lider des Prinzen waren bereits zugefallen.

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