Hören

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Ich konnte mich irgendwo dunkel an ihr Gesicht erinnern – es war irgendwie hängengeblieben, das einzige aus dieser Nacht -, doch wie sie hieß, wusste ich beim besten Willen nicht mehr. Es wühlte mich auf, doch nachfragen wollte ich nicht. Die dummen Kommentare der Jungs konnte ich grad echt nicht gebrauchen. Als ich also von dem Treffen heute erfuhr, und dass alle von Maries Party dabeisein würden, brach ich mit gemischten Gefühlen auf.

Das Auto meines Vaters kam zum stehen und er sah mich auffordernd ab. „Tschau“, murmelte ich kurz und sprang dann aus dem Wagen. Er fuhr direkt weiter, und ich machte mich daran, die Treppen vor mir zu erklimmen. Oben angekommen erwartete mich eine gemischte Gruppe; Leute, die ich kannte, Leute, die mich kannten, von denen ich aber noch nie was gehört hatte. 

„Levi, auch mal da“, begrüßte mich Mark trocken und ich räusperte mich kurz. „Sei froh, dass ich gekommen bin, Bitch“, erwiderte ich und erntete damit ein paar Lacher aus der Gruppe. „Also, wollen wir rein oder nicht?“, fügte ich leicht irritiert hinzu, als niemand sich bewegte. Ich war davon ausgegangen, der letzte zu sein – ich war ja auch 'ne Viertelstunde zu spät. „Tamara ist noch nicht da“, erklärte ein Mädchen mit wilden braunen Locken und kleinem Mund. Ich nickte nur kurz und lehnte mich dann neben Mark an die Wand der Bowlinghalle, vor der wir standen. „Wer ist Tamara?“, hakte ich betont gleichgültig nach, obwohl ich schon eine Ahnung hatte, wer es sein konnte. „Die Blonde von Marie“, meinte Mark und ich lachte leise in mich hinein. „Da waren viele Blondinen“, erinnerte ich ihn belustigt und zog eine Augenbraue hoch. „Ja, ist ja gut, du Spast. Die, die uns entgegengekommen ist.“ Ich gab zwischen zusammengepressten Lippen ein 'Aha' von mir, als plötzlich wieder Bewegung in die Gruppe kam. „Endlich“, murmelte jemand, und ein anderer „Wie immer, im Ernst“. Mein Blick wanderte zu der Treppe und auch wenn ich mich zuvor nur schemenhaft an sie erinnern konnte, erkannte ich sie jetzt sofort.„Immer bist du zu spät, Tam!“, beschwerte Marie sich, löste sich aus der Gruppe und legte ihre Arme um das Mädchen. „Sei froh, dass ich überhaupt da bin, Schlampe“, lachte sie und Marie fiel mit ein.

Ihre Stimme war dunkel, doch nicht so tief, dass sie schon männlich klingen würde. Eher wie... wie Waldhonig, dunkel gefärbt, aber süß. Diese Art von angenehmer Stimme, die nie so hoch wurde, dass sie in den Ohren wehtat, und nie so tief, dass sie unverständlich wurde. Und ihr Lachen war glucksend, wie das eines Kindes, nur reifer; und ihre Schultern bebten bei jedem Luftholen. Mir wurde klar, dass ich stundenlang hätte zuhören können, egal, welchem der beiden.

Ich löste mich aus meiner seltsamen Starre und erhob die Stimme. „Hey, das hab ich eben auch schon gesagt!“ Sie lachte erneut und schlug in meine Hand ein. Ein schiefes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, ein ungewohntes Gefühl.

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Seine Stimme war, wie Zartbitterschokolade schmeckte: irgendwie süß und irgendwie bitter und blieb dir noch lange auf der Zunge hängen. Sie hatte einen heiseren Unterton, der mir einen Schauer über den Rücken jagte, und ich konnte nicht genau sagen, welche Art von Schauer es war. Man hörte, dass er Raucher war, doch es störte mich nicht im Geringsten. Ich wusste nur, dass ich diese Stimme wieder hören wollte, und sei es nur, um herauszufinden, was genau sie da eigentlich in mir auslöste.

Mit allen SinnenWhere stories live. Discover now