_the dark land

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Ein Schrei war das letzte, an das ich mich erinnern konnte. Der herzzerreißende Schrei von Somin, ehe ich mir den Kopf an einem Stück hervorstehenden Stein gestoßen hatte und alles um mich herum nur noch dunkel war.
Seitdem hatte sich nicht viel verändert. Es war noch immer dunkel und ich wusste nicht, wo ich war, doch ich war wieder bei Bewusstsein und irrte nun mit pochendem Kopf durch eine Gegend, die mit schwarzer Farbe überzogen worden zu sein schien, nachdem ich aus einem überdimensional großen Vogelnest gestiegen war, mit schwarzen Vogeleiern, die mindestens so groß gewesen waren wie ich. Ich konnte nicht sagen, wie lang ich in diesem Nest gelegen hatte, doch sobald ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte und einigermaßen gerade stehen konnte, war ich sofort den Baum hinuntergeklettert, auf dem das Nest gebaut worden war.

Bisher gab es hier kein Lebenszeichen, keine Geräusche, nichts das sich in den schwarzen Büschen oder hinter den Blättervorhängen, die aussahen wie nasser Seetang, bewegte und keine Spur eines Weges der mich zurück zu meinem vorherigen Standpunkt brachte. Trotzdem wusste ich, dass hier Leben existierte. Das Vogelnest allein war schon Beweis genug dafür.
Je länger ich diese Gegend betrachtete, desto mehr kam sie mir vor wie ein pechschwarzer Dschungel. Das einzige, was sich von diesem Schwarz abhob, waren die hellen Nebelschwaden, die über den Boden glitten und der lustlos graue Himmel, der manchmal zwischen den hohen Bäumen hindurchblitzte. Jetzt wo ich diese Bäume von unten betrachtete, fragte ich mich, wie ich es geschafft hatte von einem dieser Kolosse hinunterzuklettern.

Trotz der pochenden Kopfschmerzen bahnte ich mir nun jedoch einen Weg durch das dunkle Geäst und verlor nicht selten das Gleichgewicht, wenn meine Füße auf dem feuchten Boden keinen Halt fanden. Ich wollte so schnell wie möglich wieder zu der Stelle zurück, wo der Jäger mich von der Klippe gestoßen hatte. Ich musste sehen, wie es Somin ging.
Die plötzliche Erkenntnis, dass sie alleine gegen diesen Schatten hatte kämpfen müssen, traf mich wie ein Schlag und alles kehrte schlagartig wieder in mein Bewusstsein zurück. Wie stark diese Gestalt gewesen war, wie er erst Somin beinahe erstochen hatte, bis ich mich auf ihn gestürzt und er mich schließlich in den Abgrund gestoßen hatte.
Ich musste sehen, ob Somin überlebt hatte. Egal, ob sie ihn nun besiegt hatte oder ob sie so irgendwie davongekommen war. Ich wollte, dass sie in Sicherheit war. Ich würde es mir nicht vergeben können, wenn sie plötzlich nicht mehr wäre. Ich hatte ja nicht einmal das geringste gegen diesen Mistkerl unternehmen können.

Aus meinen Gedanken um Somin erwachend, fand ich mich rennend zwischen schwarzen Blättervorhängen und dünnen Bäumen wieder und versuchte fieberhaft ein Ende dieses Dschungels zu finden, damit ich ausmachen konnte, wo ich mich befand und wie schnell ich meine Traumwelt erreichen konnte, um sie dort zu finden. Oder bei sich Zuhause, wenn sie bereits erwacht war. Ich hoffte, dass das der Fall sein würde.
Unter lautem Atmen kam ich irgendwann zum Stehen und stützte mich auf meine Beine, um zu verschnaufen. Zu allem Übel hatten sich meine Kopfschmerzen verschlimmert und es fühlte sich so an, als würde mein Kopf jeden Moment explodieren. Außerdem waren mein Mund und mein Rachen extrem ausgetrocknet.

Während sich meine Atmung wieder normalisierte, hörte ich ein Geräusch aus der Nähe. Das erste Geräusch, das ich vernahm, bis auf meine stapfenden Schritte und mein zuvor ziemlich lautes Atmen. Das Geräusch klang wie das Plätschern eines Baches und das Fließen von klarem, reinem Wasser.
Ich ging weiter und durchdrang einen letzten, dichten Blättervorhang, hinter dem endlich ein richtiger Weg erkennbar war, gesäumt von weiteren, tiefschwarzen Bäumen und dem Bach, den ich gehört hatte. Durstig stürzte ich auf das schmale Gewässer zu und tauchte ohne zu überlegen meine Hände in das Wasser, das durch den Untergrund schwarz und dickflüssig aussah, aber genauso durchsichtig und rein war wie herkömmliches Wasser.
Um mich zu erfrischen hob ich meine Hände an mein Gesicht und konnte es kaum erwarten, dass meine trockenen Lippen endlich dieses kühle Wasser berührten, doch ich wurde jäh unterbrochen.
"Das würde ich nicht trinken", sagte eine weibliche Stimme in vollkommenem Ernst, aber mit frechem Unterton. Ich ließ meine Hände sinken und drehte mich zu der Person um, die plötzlich und geräuschlos hinter mir aufgetaucht war.

Dreamland Prisoners || park jiminWhere stories live. Discover now