Kapitel 10

31 1 0
                                    

,,Der Baum da ist gut. Da werden wir unsere Nacht verbringen." Wir bleiben vor einer großen Eiche stehen. ,,Wie lange brauchen wir noch bis nach Hause?" ,,Morgen Abend sollten wir da sein. Und jetzt geh da hoch." Ich fange an mich an den Ästen hochzuziehen. Auf einen großen Ast setze ich mich hin und warte auf Daryl. ,,Hier." Er öffnet seine Tasche und reicht mir eine Wasserflasche und eine Scheibe Brot. ,,Ich übernehme die erste Wache. Wir wechseln uns ab. In der Mitte der Nacht wecke ich dich und du hälst Wache. Wenn du irgendwas hörst, Tiergeräusche oder Schritte und dann weckst du mich sofort, kapiert?" ,,Wieso halten wir Wache? Sind wir hier nicht sicher?" ,,Wir sind nirgendwo sicher, Amalia. Nicht mal im Clan. Deswegen muss immer jemand wach bleiben." ,,Was ist wenn ich einschlafe?" ,,Du schläfst nicht ein. Weil du sonst nämlich so gut wie Tod bist. Und jetzt Schlaf endlich, ich hab morgen kein Bock auf dein Gejammer." ,,Ich jammer nicht okay? Was hast du für ein Problem." ,,Hör mal zu Bosstochter, ich bin für dich verantwortlich und wenn du drauf gehst, dann wird der Boss mich umbringen. Also tu verdammt nochmal was ich dir sage." ,,Falls Dad überhaupt überlebt hat", murmel ich leise. ,,Dann killt dein Bruder mich eben oder Jason. Auf jeden Fall habe ich dann ein Problem." ,,Ist ja gut." Etwas genervt lehne ich meinen Kopf an die Rinde. So gut wie möglich ziehe ich die Beine an und versuche es mir halbwegs bequem zumachen.

Als endlich die ersten Strahlen der Sonne zu sehen sind wecke ich Daryl. Die Nachtwache war totlangweilig und ich bin froh, dass ich nicht eingeschlafen bin. ,,Wenn wir uns beeilen, dann schaffen wir es bis zur Dämmerung zum Clan", meint Daryl und schlägt eine Richtung ein. Schweigend folge ich ihm. Er redet nicht gerne und da ich auch keine Lust habe zu reden oder mir seine genervten Antworten anzuhören lasse ich es einfach. Leider wird dadurch nicht verhindert, dass meine Gedanken immer wieder zu Dad und Liam gehen. Sollte ihnen etwas zustoßen, dann ist das allein meine Schuld. Und das würde ich mir niemals verzeihen.

Tatsächlich sind Daryl und ich den ganzen Tag durchgelaufen. Ich bin froh wenn ich endlich wieder im Clan bin. Seit Tagen hab ich nichts mehr richtiges gegessen und der Wassermangel bereitet mir schon länger Kopfschmerzen. Dazu kommt noch die unerträgliche Hitze. Voller Vorfreude erblicke ich endlich die ersten Umrisse des Zaunes. Von meinem Zuhause. Je näher wir kommen, umso mehr nimmt das unangenehme Gefühl in meinem Bauch an, was garantiert nicht vom Hunger stammt. ,,Amalia, Daryl wo sind die anderen?", fragt eine Wache und macht mit dieser Frage alle meine Hoffungen zu nichte. ,,Sie sind noch nicht da?", frage ich vorsichtig. ,,Nein. Ihr seid die Ersten. Was ist passiert?" Daryl fängt an zu erzählen, doch ich höre gar nicht mehr zu sondern gehe einfach rein. Meine Schritte werden immer schleppender und als ich im Gebäude ankomme liegt eine scheinbar ewige Treppe vor mir. Stufe für Stufe quäle ich mich hoch, in dem Wissen, dass da oben niemand sein wird, der mich empfängt. Irgendwann habe ich es tatsächlichen geschafft die letzte Stufe hinter mich zu bringen und stehe wenig später im leeren Arbeitszimmer von Dad. Gerade will ich die Tür zu der Wohnung öffnen, als die Tür zum Gang geöffnet wird. ,,Alia", ruft jemand. ,,Großvater", stammel ich verwundert und schmeiße mich in seine Arme. ,,Gott sei Dank, es geht dir gut. Wo sind die anderen?" Betreten sehe ich ihn an. ,,Wir wurden von Hunden angegriffen. Dad hat mich mit Daryl weggeschickt, ich hatte gehofft sie sind schon hier." ,,Was? Weißt du noch irgendwas?" ,,Nein. Tut mir leid. Wenn es dir nichts ausmacht, dann würde ich jetzt gerne gehen." ,,Ruh dich etwas aus. Falls sie kommen, dann sage ich Bescheid." ,,Danke, Großvater." Er lächelt mir traurig zu und lässt mich dann allein.

In der Küche angekommen hänge ich mich erstmal unter den Wasserhahn und lösche meinen Durst. Es ist so still hier ohne Liam und Dad. Und obwohl ich todmüde ins Bett falle, bekomme ich kein Auge zu. Die Angst ist zu bedrückend. Mittlerweile ist der Mond aufgegangen und tausende Sterne funkeln am Himmel. Ich liebe die Sterne. Dad hat mir immer erzählt das alle Sterne die Seelen der Verstorbenen sind. Auch Mum funkelt jetzt da oben und gibt auf uns acht. Sie ist der untere linke Stern, direkt neben dem Mond. Denn das ist ein ganz besonders Heller. Früher saß ich oft stundenlang am Fenster und hab in dem dunklen Himmel geschaut. Ich fand es faszinierend, wie so etwas existieren kann. Zum greifen nah und doch Milliarden Kilometer weg. Aber der Mond fasziniert mich am meisten. Ich kann mir gar vorstellen, dass vor der Katastrophe dort mal Menschen drauf waren. Wie es dort wohl ist? Leider werde ich es nie erfahren.

Die gefährliche Welt Onde as histórias ganham vida. Descobre agora