Kapitel 27

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Erschrocken fuhr ich zurück, da Foras vor mir stand und mich schüttelte. Als er sah, dass ich meine Augen aufgeschlagen hatte, holte er erleichtert Luft.
„Ich dachte du hast einen Anfall oder so was." murmelte er.
In Gedanken war ich immer noch bei Uriel, denn das Gespräch mit ihm hatte alles verkompliziert.
Er war nicht nur ein Erzengel, was alleine schon erstaunlich war, sondern auch noch mein biologischer Vater, welcher meinen Tod hätte bevorzugt. Das einzige Zeichen meiner inneren Zerrissenheit, waren meine zittrigen Hände. Mein Gesicht, da war ich mir ziemlich sicher, hatte ich vollkommen unter Kontrolle. Ich hatte vom Besten abgeschaut.
„Fia?" fragte Foras mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Alles Gut. Was gibt's?" meine Stimme klang undefinierbar, irgendwie stumpf.
„Luzifer schickt nach dir. Komm." mich abwartend anschauen stand er auf. Gemeinsam begaben wir uns in ein Zimmer, welches an ein Büro erinnerte und doch vollkommen anders war. Luzifer saß auf dem großen dunklen Tisch, vor ihm stand Nina, welche mich bei meinem Eintreten argwöhnisch beäugte. Ich war erleichtert, dass Foras anscheinend noch zu unserer kleinen Truppe des Untergangs gehörte.
„Wir machen einen Ausflug," gab der dunkelhaarige bekannt. Ich erwiderte nichts, wartete mit verschränkten Armen darauf, dass er zur Erklärung ansetzte. Er ließ nicht lange auf sich warten.
„Auf die Oberfläche, Liebes. Du hast die Möglichkeit deinen Menschenfreund zu überreden, dass er die Fliege macht, bevor jeder ihrer Stützpunkte angegriffen wird."
„Ein Festmahl." Ninas Gegacker verursachte bei mir eine unangenehme Gänsehaut. Ohne wirklich darüber nachgedacht zu haben, hörte ich auf meine frevelhafte innere Stimme, und warf sie mit einem Ruck gegen die Wand. Kurz überkam mich Reue, doch dann war alles in mir tiefenentspannt. Es war wohl leichter meinem Verlangen, nach Gewalt, welches ich seit Neustem oft verspürte, nachzugeben. Foras lachte, währenddessen sah Nina mich an als hätte sie mich am liebsten umgebracht. Sie hatte es nicht anders verdient. Luzifer sah mich einfach nur lange an, ehe er ohne das Geschehene zu kommentieren, redete: „Verstanden? Es führt kein Weg an der Vernichtung dieser Möchtegern-Gruppe vorbei. Entscheidet sich Ben dafür dort zu bleiben hat er sich selbstständig für den Tod entschieden. Du kannst ihn vielleicht überzeugen, wenn nicht hast du nichts mehr zu sagen. Stellst du dich gegen mich töte ich ihn persönlich." sprach er kalt wobei den Namen meines besten Freundes regelrecht spuckte. Seine Worte verletzten mich. Wie konnte ich für jemanden auch nur irgendetwas fühlen, wenn diese Person mir nur schadet?
„Dann töte ich dich," erwiderte ich wie aus der Pistole geschossen. Foras Kopf schnellte in meine Richtung. Anders als sonst fühlte ich nichts, keine Angst oder Wut. Ich war vollkommen taub. Luzifer lächelte mir kühl zu, nickte und stoß sich vom Tisch ab. Seine Schulter streifte mich, während er von mir vorbei ging.
„Darauf bin ich gespannt," gab er kaltherzig von sich. Sobald er den Raum verlassen hatte und Nina sich ihm anschloss, schlug mir Foras fest, wahrscheinlich seine Art von locker, gegen den Arm.
„Verlier nicht dein Gesicht." ernst sah er mich an. Seufzend folgte ich ihm aus dem Zimmer, denn wie es scheint würden wir uns sofort um das Problem, welches kein richtiges Problem darstellte, kümmern. Eine wie ich, eine Namenlose, konnte ihr Gesicht gar nicht verlieren, denn sie besaß nie eines. Es bestand aus einem großen Fragezeichen, wobei meines mittlerweile gelöst wurde und ein viel Größeres hinterlassen hatte. Traue niemanden, hinterfrage selbst dich selbst und finde deinen Weg. Ich war mir nicht sicher, ob Uriel meine innere Stimme als meinen Weg akzeptieren würde, dennoch würde ich nur ihr trauen. Sie schrie mich rational an, zwang mich Emotionen so gut es geht aus dem Spiel zulassen. Plötzlich blieb Luzifer mit einem dunklen Tuch vor mir stehen. Fragend sah ich ihn an.
„Ich werde dir sicher nicht das Portal aus der Hölle zeigen," erklärte er knapp und machte auch schon Anstalt mir meine Augen zu verbinden. Mein erster Impuls war es mich zu währen, doch ich unterdrückte diesen. Es würde mir sowieso nichts bringen. Am Ende schlägt er mich einfach K.O. Ich würde mich wehren können und ihn vielleicht sogar besiegen? Nein, nein er war viel zu stark. Ich durfte nicht zum Narr mutieren. Ich blieb still, ließ ihn gewähren und mich von jemanden, Foras?, hinausführen.

Das erste, das ich wahrnahm als mir die Augenbinde abgenommen wurde, waren die hellen Sonnenstrahlen, welche mich für wenige Sekunden erblinden ließen. Meine Haut schien das Vitamin D regelrecht aufzuziehen. Wir waren schon sein wenigen Minuten aus der Hölle getreten. Ich hatte augenblicklich mit einem tiefen Atemzug die deutlich kühlere Luft inhaliert. Sie war nicht nur kühler, sondern grundlegend unterschiedlich. Irgendwie war sie weniger erdrückend und schmeckte nach, keine Ahnung, leben. Ja, das traf es.
„Wo sind wir?" fragte ich, da wir vor einer verlassen aussehenden Lagerhalle standen. Das VT unserer Stadt hatte ihren Stützpunkt auf einem alten Friedhof erbaut, nicht hier. Irritiert sah ich mich um. Um uns herum waren Bäume, der Wald lag in unserem Rücken und war circa 5 Meter entfernt, vor uns die Lagerhalle und rechts weiter abwärts eine breite Straße. Wir befanden uns nicht in meiner Kleinstadt, vielleicht einem Vorort. Nina, begleitet von unglaublich vielen Schlangen trat zu meiner linken und sah ebenfalls auf die Lagerhalle. Ihrem Gesichtsausdruck zufolge hoffte sie, dass sie ihre Schlangen auf jemanden hetzten konnte. Sie zischten wie aufs Stichwort hungrig auf. Foras spazierte locker und ohne auf uns zu warten auf die Hinterseite der Lagerhalle. Er blockiert einen Fluchtweg, schoss es mir prompt durch den Kopf. Gedämpft konnte ich Schreie aus der Lagerhalle heraushören. Jemand wurde gequält. Luzifer, der plötzlich zu meiner linken stand, berührte kurz meinen Arm, ehe er sprach.
Er ist hier. Wenn alles gut geht, werde ich ihm kein Haar krümmen, doch seine Gedanken sagen mir, dass er nicht gerade zu kooperieren bereit ist. Er foltert nicht nur diesen Dämon, sondern versucht Informationen herauszubekommen." Er musste seinen Namen nicht sagen. Ich wusste sofort wen er meinte. Ben.
„Welche Informationen?" fragte ich und musterte sein Profil.
„Er will den Eingang zur Hölle. Richtiger Schwachmat." Ungläubig zog ich die Luft ein, was?
„Dein Freund will sich rächen. Was ein Narr, er glaubt er könnte sich gegen mich auflehnen." erklärte Luzifer, da ich unfähig war etwas Sinnvolles von mir zugeben. Mein Herz brannte, doch die Stimme verbot mir weiter darüber nachzudenken. Später. Später hatte ich genügend Zeit, jetzt musste ich mich auf meine Mission konzentrieren. Ben musste das VT verlassen, heute noch.
„Ich gehe alleine." erklärte ich und begab mich auch schon auf den Weg, ohne eine Antwort abzuwarten. Ich verbat jegliche Gefühlsregungen. Als wäre ich in einem Tunnel unter Wasser nahm ich nur gedämpft meine Umgebung war. Die Frage, was ich machen würde, falls er sich weigerte das VT zu verlassen, verbannte ich bewusst aus meinem Kopf.

 Traue niemanden. Die Wahrheit war, dass ich mir selbst nicht traute. 


Apokalypse - BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt