32. Sehnsucht

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♪ Pour Some Sugar On Me – Def Leppard


N I A L L


„Bisexuell?", wiederholte meine Mutter, so als müsse sie sich vergewissern, mich richtig verstanden zu haben.

Gott, war mir das peinlich und es kostete mich wirklich Überwindung. Langsam kroch die Röte in meinen Nacken, während ich zu einer weiteren Erklärung ansetzte: „Also ich stehe auf beides, Frauen und Männer."

„Niall, ich weiß, was bisexuell bedeutet. Ich lebe ja nicht hinter dem Mond, auch wenn du das vielleicht annimmst." Die Stimme meiner Mutter klang keineswegs böse oder enttäuscht, sondern eher ziemlich cool, etwas, was ich keineswegs erwartet hatte.

„Mum? Bist du jetzt enttäuscht von mir?", horchte ich sicherheitshalber nach und sah wie sie ihren Kopf schüttelte.

„Nein, Niall, vielleicht ein bisschen überrascht, aber nicht enttäuscht."

Für einen Moment herrschte Stille zwischen uns. Wir schauten uns an, sprachen jedoch keine Silbe, zumindest so lange, bis ich das Schweigen brach.

„Ich bin seit einigen Wochen mit einem jungen Mann liiert, Mum und ich weiß ehrlich gesagt nicht, wohin das führen wird. Vielleicht wird es eine konstante Beziehung werden."

Meine Mum hörte mir zu. Sie ließ sich erklären, dass mein Freund bisher noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war und wie schwierig es sich für ihn gestaltete, dazu zu stehen.

„Ich finde es toll, Niall, das du so offen mit mir darüber redest", sprach sie und lächelte mich aufmunternd an.

„Und ich finde es super, dass du so cool reagierst." Ich und erwiderte ihr Lächeln, das jedoch plötzlich verschwand und in der nächsten Sekunde teilte sie mir ihre Gedanken mit: „Für mich ist das auch nicht weiter schlimm, aber ich denke, dein Vater wird das anders sehen. Du weißt wie konservativ er ist und auch, wie sehr er sich weitere Enkelkinder wünscht. Auch von dir."

Ein tiefes Seufzen entfuhr meiner Kehle. „Wenn ich weiterhin mit Liam zusammen bleibe und das richtig ernst wird, dann werde ich damit nicht dienen können."

„Das weiß ich, Niall und ich komme auch damit klar. Vielleicht sollten wir noch ein wenig warten, ehe wir deinem Vater das beibringen."

Für einigen Sekunden schwieg ich, dachte nach und verkündete leise: „Das wird wohl das Beste sein. Ich bin ja froh, dass ich endlich mit dir darüber geredet habe."

„Das bin ich auch." Meine Mutter erhob sich vom Küchenstuhl, ging in aller Seelenruhe zum Herd und stellte den Wasserkessel an. Während sie Teebeutel und Zucker aus dem Schrank holte, meinte sie: „Zu einem gepflegten Gespräch gehört auch ein guter Tee, oder nicht?"

Das leichte Zwinkern ihrer braunen Augen animierte mich, noch einen Schritt weiter zu gehen: „Da gibt es noch etwas, was ich dir sagen muss. Liam ist nicht irgendwer."

Stirnrunzelnd blickte meine Mutter mich an. „Was meinst du damit? Übrigens ist Liam ein sehr hübscher Name, wenn ich das anmerken darf."

In Gedanken stimmte ich zu, konzentrierte mich jedoch darauf, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.

„Sein Name ist Liam Payne und er ist der Junior-Chef der Dearing Oil Company."

Spätestens jetzt gingen bei meiner Mutter sämtliche Lampen an, wie man so schön sagte und sie riss ihre Augen weit auf. Es bedurfte keiner weiteren Erklärung, was passieren würde, sollte unsere Beziehung jemals an die breite Öffentlichkeit gelangen. Die Klatschspalten würden voll davon sein und man sich vermutlich haarsträubende Geschichten ausdenken. Ich verurteilte diese Art des Journalismus generell und ich las auch keine Klatschblätter, so wie Louis das regelmäßig tat.

Tüll & TränenWhere stories live. Discover now