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Jon

"Ganz sicher. Es war hier, Mylord.". Der kleine Mann weint fast und sieht Jon fast flehend an. Es ist ein Kämpfer der Boltons, weswegen er sich wahnsinnig vor Jon fürchtet. Obwohl Jon nicht einmal daran gedacht hat, ihm irgendetwas anzutun, muss er innerlich grinsen. Der Respekt, der ihm mittlerweile entgegengebracht wird, gefällt dem Targaryen eigentlich sehr gut. Doch im Moment macht er sich nur Sorgen um Robb- schon wieder. Und der Mann vor ihm, der kurz davor steht sich auch noch vor ihm hinzuknieen, schwört Robb gesehen zu haben, wie er von Ramsay Bolton in den Abgrund gezogen worden ist. Da sie seinen Vetter nicht unter den Toten am Schlachtfeld fanden und auch Roose mehr oder weniger verzweifelt nach seinem Sohn sucht, glaubt Jon dem Mann.

"Also gut. Belohnt ihn.", sagt Jon an seine Männer gewand und geht wenige Schritte auf die Schlucht zu. Dabei bemerkt er, wie rutschig und unstabil der Boden am Rand der Schlucht ist, weswegen er einige Wörter der Warnung zu seinen Leuten ruft. Als er nahe genug war, um einen Blick nach unten werfen zu können, sieht er nichts außer Wasser und Gestein. Jon ist sich nicht sicher, ob er erleichtert sein soll, Robb nicht am Grund der Schlucht liegen zu sehen, oder ob er sich noch mehr Sorgen machen soll. Wenn er ihn nicht sieht, muss er von der Strömung mitgerissen worden sein. Hoffentlich ist er dabei nicht ertrunken!

"Holt mir Ser Rodrick.", blafft Jon, doch der Ritter steht bereits an seiner Seite.

"Was habt Ihr nun vor?", erkundigt sich der alte Mann besorgt bei dem Targaryen.

"Ich habe nur eine Möglichkeit. So viele Seile und Männer beschaffen, wie irgendwie möglich, und hinabsteigen.", antwortet Jon und wendet sich um zu gehen. Ser Rodrick lauft ihm hastig nach. "Und wie wollt Ihr wieder heraufkommen?".

"Dafür brauche ich Euch, Ser. Ihr folgt uns von oben entlang der Schlucht. Wenn wir Robb gefunden haben, schmeißt ihr uns die Seile zu und zieht uns hoch.".

Ser Rodrick nickt als Zeichen,dass er damit einverstanden ist. "Ich werde gleich mit meinen Männern alle Seile im Lager suchen und zusammentragen. Ihr wollt bestimmt sogleich aufbrechen, Mylord?".

"Wenn Robb verletzt ist, zählt jede Sekunde. Beeilt Euch.". Jon beobachtet noch kurz den Ritter, der davon eilt und ein paar Befehle bellt. Dann sucht er sein Zelt auf und setzt sich an einen alten Tisch. Schnell fetzt er einen kurzen Bericht über ihre Lage und ihr Vorhaben, in die Schlucht  zu steigen, auf ein Blatt Plapier und bindet es einen Raben an den Füß. Sansa soll wissen, was hier vorsich geht. Danach zieht er sich seinen wärmsten Umhang über, reinigt sein Schwert vom Blut -wer weiß ob er seine Waffe nicht doch brauchen kann- und geht hastigen Schrittes zum Schlachtfeld zurück. Ser Rodrick hat wie immer großartige Arbit geleistet. Jon erkennt etwa zwanzig ihrer treuesten Männer, zu ihren Füßen Unmengen an Seilen. Einige sind bereits dabei, die Seile zu einem Langen zusammenzubinden, während der Rest entweder eifrig auf Ser Rodrick einredet oder ängstliche Blicke in die Schlucht hinab werfen.

"Gut, wie ich sehe sind wir bereit zum Aufbruch. Die Hälfte geht mit mir in die Schlucht, der Rest bleibt mit Ser Rodrick hier oben. Ich möchte, dass jene, die glauben eine Person hunderte Meter hochziehen zu können, bei Ser Rodrick bleiben. Die kleineren und leichteren kommen mit mir.", sagt Jon und wirft das lange Seil in die Tiefe. Ser Rodricks Männer packen das andere Ende und nicken Jon auffordernd zu.

Während Jon den ersten Schritt in den Abgrund macht, betet er dafür, dass das Seil sie tragen wird und nicht reißt.


Robb

Dass er niemals Maester wird steht schon mal fest. Er ist weder dazu geboren, noch gefällt es ihm jemanden vor sich liegen zu haben, der nicht atmet und zu wissen, dass jetzt alles von einem abhängt. In seinem Kopf herscht gähnende Leere und einen kurzen Moment weiß er nicht mehr, was er tun soll. Erst Sekunden später beginnt er seine Handballen gegen Ramsays  Brust zu drücken und mit der Herz-Druck-Massage beginnt.

"Komm schon, atme.", fleht Robb durchgehend, nur von kurzen Mundbeatmungen unterbrochen. In seinem Mund schmeckt Robb schon bald den metallischen Geschmack von Blut, vermutlich von Ramsay, während ihm der Schweiß den Rücken runter läuft. Nach etwa einer Minute, die dem König wie Stunden vorkommen, schnappt Ramsay nach Luft. Als er sich allerdings zur Seite drehen möchte, wimmert er vor Schmerz auf. In seinen blauen Augen, in denen sonst nur Wut und Spot zu sehen ist, lodert die Angst.

"Lass mich...sterben.", presst er hervor. Robb schüttelt seinen Lockenkopf und hilft ihm sich aufzusetzen.

"Nein, wir schaffen das. Hab keine Angst.", murmelt der König, obwohl er keine Ahnung hat, was er jetzt machen soll. Eigentlich nur irgendwie versuchen den Bolton am Leben zu behalten und hoffen, dass Jon bald kommt. Er vertraut darauf, dass sein Vetter kapieren wird, was genau passiert ist und eine Rettungsaktion plant. Allerdings wird es Ramsay nicht mehr lange schaffen, wenn sie sich also Zeit lassen ist es zu spät für ihn.  In diesem Moment fängt sein Magen an zu knurren. Seufzend stellt er fest, dass er fast zwei Tage nichts mehr gegessen hat. Mit einem Blick auf Ramsay, der zusammengekauert gegen einem Felsen lehnt, wattet Robb ins Wasser und hält nach Fischen Ausschau. Da sein Schwert am Schlachtfeld liegt bleibt ihm nichts anderes über als zu versuchen, einen Fisch mit den Händen zu erwischen. Glücklicherweise hat es zu Regnen aufgehört, so erkennt er genug. Mehrere Male erspäht er einen Fisch, aber entweder er erwischt ihn nicht oder er flutscht ihm sofort wieder aus den Händen. Das einzige Gute an der Sache ist, dass Ramsay ihn schwach lächelnd beobachtet und es so schafft, für eine Weile nicht wegzudämmern.

Ausmahmsweise kommt Robb der Zufall zur Hilfe. Während er sich bückt um einen zu fangen, schwimmt ihm plötzlich ein anderer in seinen Ärmel und verfängt sich darin. Robb stoßt ein erschrockenes Keuchen aus, bis er seine Chance ergreift und aus dem Wasser rennt. Auf festem Boden schüttelt er das Tier aus seinem Ärmel und erschlägt es mit einem Stein. Sein Magen knurrt erneut, dieses Mal aufgrund der Vorfreude auf ein leckeres Essen. Da in der Schlucht kaum Büsche oder gar Bäume sind, und das wenige Grün, das brennen würde, nass ist, entscheidet Robb sich dafür es einfach roh zu essen. Mit einem spitzen Stein schlitzt er den Fisch so gut es geht auf und schmeißt hastig die Gedärme heraus. Erst dann genehmigt er sich einen Bissen. Obwohl Robb nie hungern musste und immer nur das Beste bekam, ist der rohe, kalte Fisch das Beste, was er je gegessen hat. Er zerstückelt es weiter, entfernt von mehreren kleineren Stücken die Greten und kniet sich zu Ramsay, der mit starren Blick aufs Wasser schaut. Robb berührt ihn an der Schulter und wartet, bis sich Ramsays Blick auf Robb richtet.

"Du musst was essen.", sagt Robb und schiebt es ihm sogar in den Mund, als von Ramsay keine Reaktion kommt. Der Bolton tut sich sogar beim Kauen schwer und schluckt es fast im ganzen hinunter. Sein Kopf rutscht zur Seite, als Robb ihm einen zweiten Bissen geben möchte. Robb seufzt auf und meint: "Wenn du schon nichts isst, dann trink wenigstens was.". Er führt ihm erneut die Steinschale an den Mund und diesesmal bleibt es sogar im Magen. Da Robb das als gutes Zeichen sieht, lächelt er den Jungen an und setzt sich neben ihn auf den Boden.

"Wieso wolltest du Rickon töten?", fragt der Stark wie aus dem nichts. Interessiert beobachtet er, wie Ramsay tatsächlich schuldbewusst auf den Boden schaut. "Um euch verwundbar zu machen...", antwortet er mit zittriger Stimme. Robb nickt nur. Mit dieser Antwort hat er zwar gerechnet, aber irgendwie hätte er sich was anderes erhofft. Was kann er aber auch nicht genau sagen...

"Es tut mir leid.", murmelt Ramsay. Robb sieht erstaunt auf.

"Was genau?", erkundigt er sich trotzdem.

"Alles.".

Mehr sagt er nicht. Ob es ernst gemeint ist oder eine Kurzschlussreaktion seines vom Fieber brennenden Gehirns kann Robb nicht mit Sicherheit sagen, aber er nimmt die Entschuldigung an.

"Schon gut. Du kannst alles wieder gut machen. Da fällt uns bestimmt was ein.". In Gedanken fügt er hinzu, zumindest wenn er überlebt. Robb weiß, dass Jon sich fassungslos an die Stirn greifen würde, wenn er die Szene eben bebachtet hätte. Aber Robb war schon immer naiver als sein Vetter und er weiß sehr wohl, dass das ihm schon öfters zum Verhängnis geworden ist. Doch er sieht in Ramsay etwas, dass er zuvor noch nie bemerkt hat. Und auch Rhaenys muss das Etwas gesehen haben, sonst würde sie ihn nicht noch immer lieben.

"Komm, wir gehen unseren Leuten entgegen.", sagt der Stark, der mittlweile kapiert hat, dass es keinen Ausgang geben wird, egal wie weit sie gehen. Also besser zurück und hoffen, dass sie Jon so schnell wie möglich erreichen werden.  Er hievt Ramsay wieder einmal auf seinen Rücken und spürt sofort die Hitze, die von ihm ausgeht. Das Fieber scheint immer noch weiter zu steigen, genau wie Robbs Sorge, den Jungen nicht rechtzeitig zu einem Maester bringen zu können.

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