•Twelve|Yeosang•

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Yeosang

"Und... was machen wir jetzt?", fragte mich Seonghwa vorsichtig, während ich durch Netflix scrollte und überlegte, was ich einschalten könnte. Auch ich wollte etwas im Hintergrund laufen haben, eine Basis, auf die man zurückkommen konnte, sodass es nicht unangenehm werden würde. Denn auf seine Frage hatte ich keine Antwort, immerhin verbrachte ich eigentlich bloß Zeit mit Mingi und Wooyoung. Mit Mingi sogar noch seltener, jedenfalls war er seltener zu Besuch, da ich befürchtete, meine Eltern könnten ahnen, dass er bisexuell war. Und das wollte ich um jeden Preis verhindern.

Schließlich wollte ich ihre Toleranz nicht unbedingt herausfordern.

"Weiß nicht. Kennst du denn eine gute Serie oder einen Film, den wir anschauen können?", fragte ich darum zurück und legte leicht meinen Kopf schief. Dabei fielen mir ein paar Locken ins Gesicht und ich bemerkte, dass Seonghwas Augen sogleich zu ihnen wanderten. Für einige Sekunden betrachtete er sie verträumt, bevor er sich wieder fing und auf meine Frage konzentrierte, dabei ein nachdenkliches "Äh..." von sich gab. Ich hingegen musste schmunzeln und verkniff mir gerade so ein Grinsen. Noch offensichtlicher konnte er es wirklich nicht machen, oder?

"Wenn du meine Haare so unbedingt anfassen möchtest, tu es einfach. Das habe ich dir doch sowieso erlaubt", meinte ich amüsiert und setzte mich nun in den Schneidersitz. Seonghwas Augen wurden direkt größer und er schaute mich perplex an, blinzelte mehrfach, als würde er nicht glauben, dass ich das wirklich soeben gesagt hatte. Süß. Wie lange diese Schüchternheit wohl anhalten würde?

"W-Wirklich?", versicherte er sich vorsichtig und hob seine Hand an, wagte es jedoch nicht, mich zu berühren. Nun musste ich offensichtlicher schmunzeln und konnte nicht verhindern, dass das Grinsen auf meinen Lippen zurück blieb, ehe ich zustimmend nickte.

"Ja doch. So, wie du meine Haare anstarrst, muss ich ja Angst haben, dass du ansonsten über mich herfällst", zog ich ihn spielerisch auf und lehnte mich nun leicht nach vorne. Das war eine stumme Aufforderung an ihn, endlich die Gelegenheit zu nutzen, denn häufig würde er sie gewiss nicht bekommen, doch scheinbar hatte ich ihn mit meinen Worten eben noch mehr verunsichert.

"H-Herfallen? Nein! I-Ich... das würde ich nicht tun... wirklich...!", versuchte er sich zu rechtfertigen und zu entschuldigen, befürchtete wohl, dass meine Worte ein Vorwurf gewesen waren. Deshalb verdrehte ich tonlos seufzend meine Augen und griff dann nach seiner Hand. Seonghwa zuckte leicht zurück, damit hatte er offensichtlich noch viel weniger gerechnet, allerdings war mir das gerade egal. Schweigend führte ich seine Hand zu meinen Haaren und legte sie auf meinen Kopf, während ich ihm tief in die Augen sah. Er sollte sich nicht vor mir fürchten, das war nicht mein Ziel. Wir mussten uns aneinander gewöhnen und dadurch würden anfangs wohl Schwierigkeiten zustande kommen. Aber diese würden wir schon beseitigen, davon war ich überzeugt.

"Jetzt hab keine Angst, ich werde dir schon nicht die Finger abbeißen", grinste ich frech und wartete dann geduldig ab. Tief atmete der blonde Schönling mir gegenüber durch und nickte dann ermutigt, ehe ich bereits leichte Bewegungen in meinen Haaren spürte. Es war seltsam, denn eigentlich berührte mich an meinem Kopf keiner, höchstens Wooyoung oder Mingi manchmal. Doch normalerweise war ich der Einzige, der durch meine Haare strich und somit musste ich selbst mich erst an dieses Gefühl gewöhnen.

Jedoch musste ich mir eingestehen, dass es sich gar nicht so schlecht anfühlte. Irgendwie... gefiel es mir sogar. Seonghwa war so vorsichtig und fürsorglich, als würde er extra aufpassen, mich nicht unbeabsichtigt zu verletzen. Und das war wirklich niedlich.

"So weich...", murmelte er leise, doch seine Worte waren mehr an sich selbst gerichtet als an mich. Seine dunklen Augen klebten förmlich an meinen Haaren und fasziniert strich er weiter durch die kleinen Locken, was ich einfach geschehen ließ. Solange es hierbei blieb, hatte ich nichts dagegen, meinetwegen durfte er es auch häufiger machen. Zumindest, solange er meine Frisur nicht zerstörte, wie gewisse Freunde es immer taten.

Aber schließlich gelang es ihm wieder, sich von meinen Haaren zu lösen und er zog vorsichtig seine Hand zurück. Tapfer sah er mich an und lächelte leicht, ein wenig verlegen und unsicher. Ich erwiderte es, ebenso etwas unsicher, weil sich die Stille irgendwie komisch anfühlte. Doch zu meinem Glück fing Seonghwa kurz darauf an zu reden und gab sich Mühe, mich weiterhin anzuschauen: "Und... ich darf wirklich nicht... in deine Wangen kneifen?" Seine schöne Stimme klang so zart und gebrechlich, als würde ein einziges harsches "Nein!" ausreichen, ihn förmlich in die Knie zu zwingen. Und dieser Junge war tatsächlich ein Fuckboy? Mit jeder einzelnen Minute, die ich mit ihm verbrachte, wollte ich das weniger glauben.

"Nein, tut mir leid. Meine Wangen sind mein Heiligtum. Aber vielleicht irgendwann mal."

Twilight ★ Seongsang [Texting]Where stories live. Discover now