Prolog

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Kennst du diesen einen Moment im Leben, wenn man sicher weiß, dass von jetzt an nie wieder etwas so sein wird wie bisher?

Ich hatte diesen Augenblick als ich gerade einmal fünf Zyklen alt war. Ich war aus meinem Bett gekrochen, weil ich mal wieder nicht schlafen konnte und schlich mich durch die Flure. Die Ereignisse des vergangenen Tages hallten noch immer in meinem Bewusstsein wieder und ließen meinem Geist keine Ruhe. Meine Schwester Lucca und ich hatten unseren Lehrer erneut zur Weißglut getrieben - darin waren wir wirklich sehr gut.

Aber was konnte man auch erwarten, wenn zwei fünfjährige Mädchen von einem alten tattrigen Mann unterrichtet wurden? Diesmal konnte sich unser Lehrer jedoch nicht wieder beruhigen, sodass er zu unseren Eltern ging und noch am selben Nachmittag seine Anstellung bei uns aufgab.

Heute frage ich mich, ob die Ereignisse dieser grauenhaften Nacht anders verlaufen wären, wenn unser Lehrer noch bei uns gewesen wäre. Denn auch wenn er nicht richtig mit uns umgehen konnte, so verstand er sich doch auf die Kontrolle seiner Fähigkeiten. Anders als meine Schwester und ich. Wir hatten erst vor einigen Monden zum ersten Mal unsere Fähigkeiten eingesetzt - aus versehen natürlich - und dabei fast einen ganzen Wald dem Erdboden gleich gemacht.

Vollkommen in Gedanken versunken, bemerkte ich nicht wohin ich ging, bis meine Füße plötzlich auf feuchtem Gras standen. Ich lief in die Mitte des Innenhofs und lies meinen Blick zu den Bäumen schweifen, die den Garten umrahmten. Natürlich konnte ich in der Dunkelheit nichts erkennen und so beschloss ich mich schließlich ins Gras zu legen und zu den Sternen hinaufzublicken.

Mein weißes dünnes Nachthemd zog sich sofort mit Wasser voll und schon nach wenigen Wimpernschlägen war mein Rücken klitschnass, aber das war mir egal, ebenso wie die Tatsache, dass das Gras grüne Flecken hinterlassen würde und meine Mutter dadurch wieder wissen würde, dass ich nachts nicht im Bett war. Ich war zu fasziniert von dem Himmelsspiel über mir, um mir über irgendetwas dergleichen Gedanken zu machen.

Der Nachthimmel war wolkenlos und ich hatte einen perfekten Blick auf die Sternendecke. Der Vollmond schob sich langsam in mein Blickfeld und fasziniert beobachtete ich, wie er seinen Weg über unsere Dächer fortsetzte. Um mich herum zirpten Grillen ein Wiegenlied. Ich fühlte mich vollkommen sicher und spürte wie mich nun doch die Müdigkeit drohte zu übermannen.

Doch ich spürte auch noch etwas anderes.

Etwas, dass ich noch nicht genau benennen konnte. Es kam mir bekannt vor und doch kam ich nicht darauf, was genau es war.

Plötzlich zerriss das Knacken eines brechenden Astes unter einem schweren Stiefel den Frieden der Nacht. Ruckartig setzte ich mich auf und lies meinen Blick erneut zu den umstehenden Bäumen schweifen, konnte jedoch noch immer nichts erkennen. Mühsam rappelte ich mich auf. Meine Glieder waren bereits kurz davor gewesen einzuschlafen.

Still stand ich mitten im Innenhof und schloss meine Augen. Tief ein- und ausatmend lies ich meine Sinne schweifen, genau wie ich es gelernt hatte.

Zuerst kam ich nicht viel weiter als bis zu dem Gras unter meinen Füßen, also holte ich noch einmal tief Luft und lies mich ganz in meine Magie fallen. Langsam breitete sich ein Bild vor meinem inneren Auge aus. Ich sah das Gras, dass den Boden bedeckte, ich spürte die Bäume, die um mich herum standen, unbeständig, unbeugsam und alt wie die Zeit selbst.

Die Gewissheit, sie würden noch viel länger als ich hier sein, erfüllte mich. Die kalten, starken Mauern des Palastes ragten dahinter auf. Auch sie würden noch viel länger als ich existieren, wenn sie entsprechend behandelt würden.

Hinter mir kroch eine Spinne in eine der Mauerritzen und suchte sich einen neuen Schlafplatz. Auch sie wurde von dem plötzlichen Geräusch gestört. Die Grillen waren verstummt, doch ich spürte ganz genau, wo jede einzelne von ihnen sich versteckte. In den Ästen der Bäume schliefen Vögel und Käfer hatten es sich hinter losen Rindenstücken gemütlich gemacht. Ich ließ meine Magie über sie alle gleiten und spürte was sie fühlten. Sie reagierten auf mich und zeigten mir ihre Zuneigung mir gegenüber. Außerdem machten sie mich auf die Präsenz aufmerksam, nach der ich eigentlich gesucht hatte.

Das Geheimnis der Phoenixmagie 01. Aquilias verlorene Tochter --- LESEPROBEWhere stories live. Discover now