15 Jahre später...

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Es war bereits spät am Abend, doch an Schlaf war für Ling Bei Fong noch nicht zu denken. Sie war vielleicht müde und auch ein wenig erschöpft, aber der Bericht im Radio, dem sie gerade lauschte, war bei weitem interessanter als der Gedanke an ihr mulmig warmes Bett.
So hatte Ling es sich auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer bequem gemacht und lauschte misstrauisch und leicht ängstlich dreinblickend dem Beitrag.
Momentan handelten die Radiobeiträge sehr häufig von sogenannten 'Equalisten', welche sich gegen die Bändiger aussprachen und Gleichberechtigung forderten. Unter normalen Umständen würde sie dies auch befürworten, allerdings ging diese Sippschaft, wie sie diese Leute gerne nannte, äußerst radikal vor.
Und das Radio lieferte gerade eben den Beweis für die Radikalität der Equalisten.
Amon, so hieß der Anführer dieser Gruppe, hatte scheinbar ein Treffen ausgetragen, bei welchem er eine Rede gehalten hatte. Laut des Berichterstatters, waren sehr viele Menschen, Nicht- Bändiger erschienen, um seinen Worten zu lauschen. Aber bei bloßen Worten war es scheinbar nicht geblieben.
Angeblich, so hieß es, war Amon dazu fähig, den Bändigern ihre Bändigungskraft zu nehmen. Und genau dies hatte er scheinbar demonstriert.
Das war auch der Grund dafür, weswegen Ling wie gebannt vor dem Radio hing und abwog, ob das überhaupt möglich war. Doch sie glaubte dem Beitrag, das spürte sie an der Angst, die sich in ihr breitmachte, die sie gerade so unruhig machte, dass ihr die Hände zitterten. Ein Mann, der dazu fähig war, den Bändigern ihren wertvollsten Besitz zu nehmen. Wie sollte das überhaupt möglich sein?
Ein wenig in sich gekehrt betrachtete Ling das Radio und spielte dabei abwesend mit ihren langen dunklen Haaren, die ihr bis zu der Hüfte hinunterreichten.
Die Equalisten waren nicht nur der Grund für die Unruhe der Bevölkerung. Sie waren auch der Grund dafür, dass ihre Mutter momentan so lange arbeiten musste. Gerade diese hätte sie im Moment gebraucht. Die starken, beschützenden Arme der Frau, die sie aufzog und die sie liebte.
In diesem Moment der Angst, sehnte sie sich sehr nach ihr und betete, dass sie schon bald nach Hause kommen möge, um bei ihr zu sein.
Normalerweise verbrachte ihre Mutter nämlich häufig Zeit mit ihr. Trotz dessen, dass sie die Polizeichefin Republikas war, nahm sie sich immer die Zeit für sie, die sie brauchte. Das hatte sie immer getan.
Als Ling noch klein gewesen war, war sie oft mit auf die Arbeit ihrer Mutter gekommen und hatte ihr zusehen dürfen. Sie hatte ihr viel von dem erklärt, was sie tat, sie daran teilhaben lassen. Allerdings hatte sie auch manchmal leise im Hintergrund gespielt oder mit den anderen Polizisten gesprochen, die sie heute alle kannten.
Auch zu Hause war es immer schön gewesen. Schon früh hatte sich Lings Talent gezeigt, die Erde bändigen zu können, weshalb sie auch früh mit dem Training begonnen hatte. Zunächst war ihre Mutter spielerisch an das Training herangegangen, irgendwann jedoch mit vollkommener Ernsthaftigkeit. Heute beherrschte Ling bereits das Metallbändigen, häufig hieß es, sie hätte das Talent ihrer Großmutter.
Allerdings war ihre Mutter auch streng. Es gab Regeln und Vorschriften, sie hatte das Sagen. Auch wenn Ling mitreden durfte, so hatte ihre Mutter schlussendlich das letzte Wort und entschied für sie beide, für ihre Familie.
Das wichtigste jedoch, war niemals zu kurz gekommen.

Nähe.

Die Nähe zueinander, hatte in ihrer Beziehung immer eine große Rolle gespielt. So hatte Ling in dem Bett ihrer Mutter schlafen dürfen, wenn sie Albträume gehabt hatte. Das durfte sie sogar noch heute, wenn es ihr schlecht ging. Sie durfte ihre Mutter umarmen, bei ihr sein und den Alltag mit ihr erleben. Dafür war sie mehr als dankbar.
Lin hatte ihr nämlich häufig erzählt, dass sie selbst die Liebe ihrer Mutter nur selten gespürt hatte.
Sie waren allein gelassen worden, in einem Alltag ohne Strukturen und ohne Regeln, weil Toph Bei Fong der Meinung gewesen war, dass dies der beste Weg sei.
Ihre Mutter war anderer Meinung. Regeln und Strukturen seien äußerst wichtig, so hatte sie stets gesagt.
Und auch wenn sie diese Regeln manchmal ordentlich nervten, so wusste sie letzten Endes doch immer, dass sie es nur gut meinte.
In letzter Zeit jedoch, war sie aufgrund ihrer Stellung als Polizeichefin schwer beschäftigt, weswegen Ling den heutigen Abend allein zu Hause verbringen musste.
Mittlerweile lag sie nur noch auf dem Sofa, wusste mit sich selbst um diese Uhrzeit kaum noch etwas anzufangen. Der Bericht war nun vorbei und hatte diese Unruhe in ihr zurückgelassen, die sie das Radio noch lange anstarren ließ.
Es war ein älteres Radio. Oval und hölzern, nur der Lautsprecher war von glänzendem Metall überzogen.
Unten flachte das Radio jedoch ab, damit man es hinstellen konnte.
Doch all diese Details verschwammen, als die Müdigkeit schließlich doch siegte und sie immer weiter mit sich in die wohlwollende Dunkelheit des Schlafes zog. Immer weiter zog die Müdigkeit sie hinab, bis ihre Augen schließlich zufielen und sie auf dem Sofa in sich zusammensank.

,,Ling Liebling, wach auf."
Wie viel später es war, als Ling diese Stimme vernahm, konnte sie nicht sagen. Aber die starke Hand, die an ihrer Schulter rüttelte und die Stimme, die zu ihr sprach, das alles riss sie schlussendlich aus dem Schlaf.
Sie blinzelte und musste sich trotz des gedimmten Lichts in dem Zimmer die Hand vor die Augen halten.
,,Mama..." Ihre Stimme klang ganz verschlafen, als sie ihre Mutter erkannte, die in ihrer metallenen Uniform vor ihr kniete und ihr ins Gesicht sah.
Ling blinzelte nochmals und rieb sich über ihre Augen, ehe sie ihrer Mutter endlich ins Gesicht blicken konnte.
,,Was ist denn?" Fragte sie sie leise, noch immer ein wenig benebelt vom Schlaf, der sie so tief mit sich gerissen hatte. Allein anhand der Tatsache, dass sie sie geweckt hatte, konnte Ling ablesen, dass etwas nicht ganz in Ordnung war. Normalerweise hätte ihre Mutter sie ins Bett getragen, sie dort zugedeckt und dann weiterschlafen lassen. Aber da sie nun wach hier auf dem Sofa lag, ahnte sie bereits, worauf das Gespräch hinauslief.
,,Ich habe den Radiobericht gehört. Ist es wahr? Dass Amon jemanden seine Bändigungskraft genommen hat?"
Wieder flammte die Angst in ihr auf und trieb ihren leicht dämmernden Zustand zurück. Sie schien ins Schwarze getroffen zu haben. Der Blick ihrer Mutter verfinsterte sich und sie nickte.
,,Ja." Lautete ihre schlichte Antwort.
Ling schluckte.
,,Aber wie ist das möglich? Bisher konnte das doch nur der Avatar. Er ist doch nicht einmal ein Bändiger."
Die Frage stellte sie sich nun bereits, seit sie diese Worte dem Radio entnommen hatte. Wie um Himmels Willen sollte das möglich sein?
,,Ich weiß es nicht." Eine erschütternde Antwort, aber Ling hatte diese bereits geahnt. Sie war nicht dumm. Sehr wahrscheinlich wusste niemand, wie das möglich sein sollte. Und genau diese Unwissenheit, diese Angst, würde vermutlich Panik auslösen.
Ihre Mutter fasste sich an die Stirn, wie immer, wenn sie verzweifelt seufzte. Ihr Blick verhieß nichts Gutes.
,,Und deswegen wirst du das Haus auch nicht mehr allein verlassen. Insbesondere abends. Du wirst da bleiben, wo ich dich beschützen kann."
Ling blickte ihre Mutter an. Leichter Widerwillen lag in ihrem Blick, aber auch die Angst war auszumachen. Wenn sie diese Equalisten als so gefährlich einstufte, dass sie solche Maßnahmen ergriff...dann musste es ernst sein. Dennoch konnte sie sich mit dem Gedanken, ihre Freunde nicht einfach so sehen zu dürfen, nicht wirklich anfreunden. Sie würde nicht einfach mal zu Future Industries hinüberlaufen können, um mit ihrer Freundin Asami zu sich nach Hause zu gehen, um mit dieser am Pool zu entspannen und leckere Cocktails zu trinken. Sie würde gar keine Freiheit mehr besitzen.
Aber sie verstand das Handeln ihrer Mutter, hatte sie doch selbst Angst, dass irgendetwas geschah. Daher nickte sie auch und fügte sich somit ihrem Schicksal.
,,Darf ich wenigstens Asami besuchen gehen?" Wenigstens das wollte sie dürfen. Sie wollte sich von diesem Amon nicht die Freiheit nehmen lassen, ihre Freunde zu sehen, wann sie das wollte, nur weil sie Angst haben musste, vor die Tür zu treten.
,,Ich werde dich zu ihr bringen." Erleichterung machte sich in Ling breit, als sie das zustimmende Lächeln auf ihrem Gesicht erkannte.
Sie lächelte zurück und setzte sich langsam auf dem bequemen Sofa auf.
Nochmals musste sie sich über die Augen reiben. Anscheinend hatte die Müdigkeit doch noch nicht gänzlich von ihr abgelassen.
,,Es ist noch spät in der Nacht, du solltest dich schlafen legen, komm."
Einladend sah sie ihre Mutter mit der Hand winken, als diese sich auch schon erhob.
Ling nickte nur und stand ebenfalls auf. Kurz streckte sie sich, ehe sie auch schon die Hand Lin's auf ihrem Rücken spürte, die sie Richtung Flur schob, um sie in ihr Zimmer zu geleiten. Sie ließ es zu, ließ zu, dass sie bemuttert wurde.
Vorhin hatte sie sich schließlich so sehr danach gesehnt. Und jetzt, wo sie von Lin in ihr Zimmer geführt wurde, ihre Hand auf ihrem Rücken...es störte sie nicht. Sie fühlte sich geborgen, nicht mehr so allein, wie zuvor.
So ließ Ling auch zu, dass sie von ihrer Mutter ins Bett geschoben wurde, dass sie sie zudeckte und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte.
Sie blickte zu der Grauhaarigen auf und lächelte sie an. Bevor sie jedoch die Augen schloss, musste sie noch etwas loswerden, was ihr auf der Seele lastete.
,,Es hat mir Angst gemacht, Mama. Amon, es...er ist wirklich angsteinflößend." Wieder trat die Unruhe in ihre Augen, die bereits zuvor empfundene Angst.
,,Als ich den Beitrag gehört habe, da wollte ich einfach nur, dass du nach Hause kommst." Sie schauderte, blickte ihr in die Augen, sodass grün auf grün traf.
Auf dem sonst so ernsten Gesicht Lin's tauchte ein leichtes Lächeln auf, als sie auf ihre Tochter hinabblickte und sich auf dessen Bett setzte, um ihr durch das dichte schwarze Haar zu streichen.
,,Du musst keine Angst haben. Meine Metallbändiger und ich werden diesen Mann stoppen. Ich bin jetzt hier, Liebling. Und ich werde immer da sein, um dich zu beschützen. Aber jetzt schließ deine Augen. Ich bleibe, bis du eingeschlafen bist."
Wieder strich sie ihrer Tochter durch das Haar.
Ling nickte lediglich und lächelte zurück, ehe sie sich auf die Seite drehte und wieder ihre Augen schloss.
Schlussendlich übermannte sie der Schlaf ein zweites Mal. Dieses Mal jedoch ganz ohne Unruhen...

Tochter der Lin Bei FongWhere stories live. Discover now