Wo die Liebe hinfällt

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Hogwarts wurde von dichtem Nebel und Kälte umgeben, als Sirius die Stufen zum Schlafsaal hinauf ging und schließlich dort angekommen die Tür hinter sich zufallen ließ. Endlich, dachte er, er war alleine. Keine unerwünschten Blicke, keine Vorwürfe und keine neugierigen Fragen. Frustriert ließ er sich in sein Bett sinken, zog Arme und Beine nahe an den Körper und starrte stumm aus dem Fenster hinaus. Er beobachtete die Nebelschwaden, die sich wie unförmige Gespenster durch die Dämmerung zogen. Sie passten hervorragend zu seiner Stimmung.

Sirius dachte an die braunen Augen, die ihn so verletzt angeschaut hatten, dass es ihm trotz fehlender, romantischer Gefühle einen Stich versetzt hatte. Einen Stich, der ihn mehr geschmerzt hatte, als die darauffolgende Ohrfeige, die Mary ihm verpasst hatte. Naja, er hatte sie eben auch verdient. Seit ein paar Wochen hatten sie sich immer wieder getroffen. Anfänglich war alles vollkommen unschuldig gewesen. Sie hatten gemeinsam ein Butterbier im Drei Besen getrunken oder sich im Gryffindorgemeinschaftsraum eine Tüte Süßigkeiten aus dem Honigtopf geteilt. Dabei hatten sie Händchen gehalten, sich etwas angelehnt oder vielleicht einen Kuss auf die Wange gegeben. Doch dann war ihr Verhältnis inniger geworden. Sie hatten sich dort getroffen, wo sie ungestört waren. Erst zum Knutschen, dann zum Rummachen und am Ende mit dem Vorsatz miteinander zu schlafen, wozu es aber nie gekommen war. Sirius war froh darüber und betrübt zur selben Zeit.

Er hatte schon viele Mädchen geküsst, das erste bereits zu Beginn ihres dritten Schuljahres. Doch gefühlt hatte er nie etwas. Es hatte Momente gegeben, in denen es in Ordnung gewesen war, doch niemals gut. Manchmal hatte es sich so falsch und mies angefühlt, dass er sich übergeben hatte, als er zurück in den Schlafsaal kam. Er erinnerte sich noch ganz genau, wie er sich im Badezimmer eingeschlossen hatte und James, Peter und Remus etwas von einer Magenverstimmung vorgelogen hatte.

Sirius hatte immer ein Mädchen gewollt, dass er wirklich gerne haben konnte. Doch am Ende mochten sie zwar ihn, doch er konnte sich nicht in sie verlieben. Er fühlte gar nichts dabei. Leere Berührungen und leere Worte. Mit Mary hatte er sich wirklich Mühe gegeben, es langsam angehen zu lassen, dem ganzen etwas Zeit zu geben. Doch auch dieser Versuch war gescheitert und er hatte ihr gestehen müssen, dass er sie nicht wieder treffen wollte. Natürlich verletzte sie das, doch Sirius hatte auch sich selbst verletzt.

Sein Blick schweifte zu Remus' Bett herüber. Im Gegensatz zu den anderen drei war es ordentlich gemacht und auf dem Nachttisch daneben lag eine angefangene Tafel Nussschokolade und ein Stapel Bücher. Ja, das war Remus. Sirius Herz schlug ein bisschen schneller, nur, weil er an den vergangenen Abend zurückdachte. Der Werwolf hatte mit verwuschelten und feuchten Haaren vom Duschen auf seinem Bett gesessen und ihn nur kurz angesehen, als Sirius sich umziehen wollte, doch das hatte gereicht. Es war einer dieser Momente gewesen, in denen Sirius sich selbst abstoßend und unglaublich ertappt gefühlt hatte. Manchmal rechnete er sogar in der großen Halle damit, dass jemand mit dem Finger auf ihn zeigen könnte; "Schwul." Nur, weil er fürchtete, dass seine Blicke zu offensichtlich sein könnten, obwohl das eigentlich Schwachsinn war.

Sirius war schwul, so sehr er versucht hatte das vor sich selbst abzustreiten, so klarer war es für ihn geworden. Und doch schämte er sich für seine Gefühle und fühlte sich bestraft damit, nicht einfach ein "normaler" männlicher Teenager sein dürfen, der sich in Mädchen verliebte. So, wie James sich in Lily verliebt hatte oder, wie Peter dem Mädchen aus Ravenclaw nachsah.

Behutsam zog er den kleinen braunen Stoffbär aus seinem Kissenbezug hervor und drückte ihn an sein Gesicht. Diesen Bär hatte er mit fünf Jahren von seinem Onkel geschenkt bekommen und immer, wenn er traurig, krank oder einfach nur nachdenklich gewesen, hatte er ihn an sich gedrückt. Der weiche Plüsch war beruhigend und vertraut. Dem Bär fehlte bereits ein Auge, doch das machte ihn nicht weniger tröstend. Allerdings war es dem Sechzehnjährigen unangenehm, noch immer ein Kuscheltier zu besitzen, also versteckte er es stets in seinem Kopfkissen und holte es nur hervor, wenn niemand hinsehen konnte. Betrübt schloss er die Augen, konzentrierte sich auf den weichen Bären und versuchte nicht an ihn zu denken. Er musste einfach aufhören an ihn zu denken....

Der Ärmel des großen Strickpullovers kitzelte auf seiner nackten Haut als er die Hand unter Sirius' Sweatshirt schob und sanft über seinen Rücken strich. Eine wohlige Gänsehaut benetzte seinen Körper. Die grünen Augen sahen ihn hingebungsvoll an: "Ich habe schon lange hier von geträumt, weißt du das?" Sirius schüttelte den Kopf, aber zog den schlanken Jungen näher zu sich. "Ich- möchte dich küssen", gestand er flüsternd. Die Mundwinkel vor seinen Augen verzogen sich zu einem glücklichen Lächeln: "Dann küss mich", hauchte er. Sirius spürte, wie sein Herzschlag in seiner Brust pulsierte. Er schloss die Augen, als ihre Lippen aufeinander trafen und mit der kleinsten Berührung konnte er das Knistern in der Luft hören, in seinem Bauch kribbelte es- Es war perfekt, es war dieser erste Kuss, von dem er immer erzählt bekommen hatte. Sirius vergrub eine seiner Hände sanft in Remus' Haaren, dann -

Knall. Verwirrt und mit glühendheißen Wangen schreckte Sirius auf und sah direkt auf die rosig geschwungenen Lippen, die er gerade noch geküsst hatte - Und dann registrierte er, dass alles nur ein Traum gewesen war. Ein Traum, der niemals wahr werden würde, und mit dieser Erkenntnis zog sich ein erdrückendes Gefühl von schwarzer Leere und Schmerz in seinem Herzen zusammen. Traurig und ein wenig beschämt schob er den Bären unter sein Kissen.

Draußen war es mittlerweile Nacht, doch der Schlafsaal wurde erhellt. Remus setzte sich zu ihm aufs Bett und lächelte ihm sanft entgegen: "Tut mir leid, dass ich dich aufgeweckt habe, Pads. Gehts dir gut?" Sirius nickte schwach und gab ein genuscheltes: "Schon okay", zurück. Remus betrachtete ihn einen Moment eindringlich, was dazu führte, dass sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten. Dieser Blick reichte, um ihn nervös zu machen.

Das Lächeln des Größeren ging in ein leichtes Grinsen über. Er beugte sich ganz nahe zu Sirius' Ohr und flüsterte: "Wir wissen übrigens alle von deinem Kuscheltier, du brauchst es nicht dauernd verstecken." Augenblicklich wurden seine Wangen noch ein wenig dunkler rot, so glaubte Sirius auf zumindest. Der Blonde stupste ihn kurz an: "Guck nicht so, ich find das total süß." Damit verschwand Remus mit einem Handtuch und Schlafanzug im Badezimmer, während Sirius mit klopfendem Herzen auf seinem Bett zurück blieb.

I'm in love with my best friend (Wolfstar FF) Donde viven las historias. Descúbrelo ahora