Hinter dem Vorhang

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"KÜSSEN, KÜSSEN, KÜSSEN..."

Sirius atmete ein letztes Mal durch, im Versuch seinen Herzschlag ein wenig zu neutralisieren, dann schloss er die Augen und überwand die letzten Centimeter zu Remus' Lippen. Sie trafen weich aufeinander, seine Hand fand wie von selbst den Weg in das seidige Haar des Werwolfs. Die Sekunden standen still für Sirius, als der andere begann seinen Kuss zu erwidern. Die Welt pulsierte, die Freunde verschwanden aus den Ecken seiner Gedanken. Was zählte war dieser Kuss, das Prickeln, dass in kleinen Schüben über seine Haut jagte und die Schmetterlinge, die ihr schimmerndes Feuerwerk in seinem Bauch aufführten. Remus' Hand wanderte zu seinem Gesicht und der Daumen fuhr liebevoll die scharfe Kontur seiner Wange entlang. Wollend öffnete er seine Lippen, zog den schlanken Jungen noch näher zu sich und die freie Hand fand sich plötzlich auf Remus' Bein wieder. Remus' Zunge stieß unschlüssig an seine Lippen und Sirius hieß sie nur zu gerne Willkommen. Er war sich sicher, dass sein wild pochendes Herz jeden Moment vor Liebe platzen müsse, als Remus sich ganz plötzlich zurück zog. Mit dem traurigen Fehlen seiner Lippen, kehrte die Realität wieder zurück und die Blicke ihrer Freunde wurden spürbar. Vorsichtig öffnete der Black seine Augen und sah in sieben schockierte Gesichter und dann zu Remus, der still an ihm vorbei ins Nichts blickte.

Er brauchte einen Moment, um einen klaren Kopf zu bekommen, dann rutschte er in seine ursprüngliche Position zurück und trank gelassen den Rest aus seinem Glas. Da dennoch niemand den Blick von ihnen beiden abwandt, fragte er gespielt ungerührt: "Was glotzt ihr denn so?, er ließ ein knappes, gestelltes Lachen hören, "Ihr wart doch so scharf auf diesen Kuss." Ja, und vermutlich hatten sie alle Erwartungen übertroffen. Nachdem er das gesagt hatte, sickerte eiskalt die Erkenntnis durch ihn hindurch, dass dieser Kuss nicht nach einem 'Flaschendrehen-Kuss' ausgesehen haben musste. Und - Remus hatte ihn erwidert.

Marlene fand zuerst ihre Sprache wieder: "Ihr - habt euch länger geküsst- viel länger." James räusperte sich verlegen: "Das sah fast schon - echt aus..." Sirius zitterte innerlich, wie ein Geschrüpp im Wind, und mühte sich dies seiner Stimme nicht anmerken zu lassen: "Es - war nur ein Kuss, stellt euch nicht so an. Wer muss drehen?" Allgemeine Stille, bis auch Remus neben ihm wieder zu seiner Stimme zurückzufinden schien: "I- Ich muss, glaub ich." Der Jüngere hatte einen glühenden Kopf als er sich wieder ordentlich hinsetzte und mit bebender Hand die Flasche nahm. "Ähm- also", stammelte er vor sich hin, "Von dem, auf den die jetzt zeigt, möchte ich wissen.. ob er oder sie aktuell verliebt ist." Dann drehte er mehr schlecht als recht die Flasche zwischek ihnen. Nach nur wenigen Umdrehungen blieb sie bei Marlene stehen, welche die Frage leicht lächelnd mit: "Ja", beantwortete. Natürlich, dachte Sirius, sie war in Dorcas verliebt.

Auch, wenn das Spiel mit den nächsten Runden wieder ins Laufen kam, lag eine merkwürdige Atmosphäre im Gemeinschaftsraum. Remus redete nur noch, wenn er direkt angesprochen wurde und mied es Sirius anzusehen. Was, wenn er den Kuss total bereute? Vielleicht war er nur aus Mitleid darauf eingegangen, weil er wusste, dass Sirius hoffnungslos in jemanden verliebt war? Würde er ihn so zurückküssen, nur mit diesem Beweggrund?

Remus war der erste, der sich nach zwei weiteren Gläsern Feuerwhiskey, die ihm wohl niemand zugetraut hätte, ins Bett verabschiedete. Sirius beobachtete, wie er auf leicht wackeligen Beinen die Treppe zu ihrem Schlafsaal hochkletterte.

~

Ein wenig schwerfällig ließ der junge Werwolf sich auf sein Bett sinken, befreite sich umständlich von seinen Schuhen und der unbequemen Jeans, bevor er sich in seine Decke kuschelte und aus dem Fenster starrte. Der fast volle Mond leuchtete ihm spottend hell entgegen. In nur 48 Stunden würde er sich wieder in ein blutlüstendes Monster verwandeln und er konnte nichts dagegen tun. Das war immer das schlimmste für Remus, wenn ee sich verwandelte. Das Wissen, dass er vollkommen machtlos war und den Wolf gewehren lassen musste, denn gegen ihn ankämpfen machte die Verwandlung nur unerträglicher.

Seufzend wandte er sich vom Fenster ab und zog die Decke enger um sich. Durch die Bewegung schwankte der Saal vor seinen Augen für einen Moment mit. Remus strich mit der Zunge über seine Lippen und sofort schmeckte er Sirius wieder. Er schloss die Augen und ließ den Kuss wieder und wieder geschehen, bis seine Fantasie das Ende änderte. In seinen Träumen war es ein echter Kuss gewesen, ohne Zuschauer.

"Remus?" Sirius' raue, leicht verwaschene Stimme ließ jede Faser seines Körpers erstarten, bevor er fähig war den jungen Black anzusehen. Sirius stand am unteren Ende seines Bettes und lehnte unruhig an einem der hölzernen Pfosten. "Tschuldige, ich - hab dich nicht erschrecken wollen", sagte er leicht getroffen. "Schon okay", erwiderte der Jüngere ehrlich und setzte sich langsam wieder auf, "Was- gibt es?" Der Andere sah kurz herab auf seine Schuhe, bevor er antwortete: "Du warst- so still und bist dann einfach verschwunden... Ich wollte schauen, ob es dir gut geht." Auch Sirius' Zunge schien schwerer zu wiegen beim Sprechen als sonst. Remus dachte an den Kuss und muste zunächst lächeln, dann trauerte er ihm beinahe etwas nach. "Ich bin nur müde", sagte er leise.

"Das bin ich auch irgendwie." Remus betrachtete Sirius' schattenunterlaufenen Augen: "Dann leg dich doch zu mir." Moment, hatte er das wirklich gesagt? Verfluchter Alkohol! Nüchtern hätte er das niemals so schnell über die Lippen gekriegt. Der Schwarzhaarige sah ihn überrascht an, doch als Remus nur beinahe bebend zurückblickte, lächelte er leicht und kam um das Bett herum.

Wenige Augenblicke lagen sie gemeinsam unter der warmen Bettdecke, beide nur in Shorts und Shirt, und Remus konnte kaum glauben, dass dies wirklich geschah.

~

Eine Weile lagen sie einfach nur da, ohne sich zu berühren, und starrten schweigend die Decke über ihnen an, bis Sirius die Stille nicht mehr ertrug: "Remus? Darf ich dich was fragen?" Sein Herz schlug wieder schneller. "Klar", erwiderte der Werwolf und drehte den Kopf etwas in seine Richtung. "Okay", sagte Sirius und suchte nach passenden Worten, die sich nichz vollkommem bescheuert anhörten, "Der Kuss... denkst du, es stimmt - was Prongs und Marlene gesagt haben?" Dieses Mal sahen sie sich gegenseitig ins Gesicht, während sie schwiegen. Schließlich flüsterte Remus: "Ja... ich fürchte schon." Sirius konnte kein Bedauern in der Stimme des anderen vernehmen, was ihn innerlich wirklich erleichterte.

Ihn überzog ein sanftes und zugleich erschreckendes Prickeln, als Remus' schlanke Hand seine eigene unter der Decke fand. Er nahm sie nicht, Sirius bewegte seine nicht. Es vergingen Sekunden, dann Minuten, in denen sie sich einfach ansahen und Sirius verlor sich mit jedem Blinzeln ein Stück tiefer in den schilfgrünen Augen seines Gegenüber. "Aber er war schön", hauchte Remus kaum hörbar. Sirius hatte das Gefühl, Glück pur zu trinken, als diese Worte die Lippen des anderen verließen.

Was als nächstes geschah, kam schleichend. So langsam, wie sich draußen zwei Wolken vor den Mond schoben, näherten sie sich einander. Worte erschienen vollkommen überflüssig und Sirius ließ all seine Ängste, seine Bedenken und seinen Kummer fallen, als ihre Lippen sich streiften. Sie verharrten, blickten sich noch einmal in die Augen, dann schloss sich ihr Kuss. Wieder handelte Sirius rein aus seinem Instinkt, alles passierte, ohne dass er darüber nachdachte. Remus drückte sich leise seufzend noch näher zu ihm, ihre nackten Beine verknoteten sich.

Dieses Mal schreckte keiner von ihnen plötzlich zurück, sondern sie lösten sich sanft voneinander. Remus sah ihn nicht an, sondern schmiegte sich bloß an seinen Brustkorb und legte den Kopf in seine Halsbeuge. Für diesen Moment wunschlos glücklich schloss Sirius mit einem schnellen Griff zu seinem Zauberstab auf dem Nachttisch die Vorhänge um ihr Bett herum und nahm den Größeren dann liebevoll in den Arm. Vorsichtig strich er Remus durchs Haar und schloss dabei die Augen.

Er dachte nicht darüber nach, was am nächsten Morgen sein würde. Er hinterfragte nicht, was sich an diesem Abend zwischen ihnen abgespielt hatte - er genoss den Moment aus vollem Herzen heraus und vielleicht, dachte er,  vielleicht war wenigstens für ein paar Stunden doch alles in Ordnung.

I'm in love with my best friend (Wolfstar FF) Où les histoires vivent. Découvrez maintenant