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Ein stehender Schmerz jagt durch meinen Rücken. Ich hätte mich so nicht hinsetzen sollen. Ich habe noch 4 Minuten, bis sie kommen.
Ich sitze oder liege prinzipiell nur auf dem Boden - nichts angenehmes. Aber etwas besseres habe ich in dieser Zelle nicht.
Ich behalte die Uhr, welche als Einzige Geräusche in diesem Raum macht, immer im Auge. Die ganze Nacht lang, bis sie mich holen. Bis wieder ein Tag anbricht und sie wieder Informationen aus mir heraus holen wollen.
Für sie bin ich nichts weiter als ein Projekt.

Ich sehe auf meine Füße.
Sie sind bedeckt mit roten Striemen, die von meinen Finger stammen. Das kommt davon, wenn der Durst überhand von mir nimmt. Sie geben mir es nur, wenn ich kurz vor dem Zusammenbrechen bin. Wenn ich keine Kraft mehr habe.
Manchmal ist es aber nicht der Durst, der mich ans Ende meiner Kräfte bringt, sondern sie selbst. Meiner Meinung nach ist es foltern, aber ich habe das verdient. Früher wurden Hexen auch verbrannt. Sie hielten mich auch mal für eine Hexe, doch ich konnte entkommen.
Ich wische die Gedanken schnell bei Seite, da die nun die kratzende Stimme einer Frau durch die Lautsprecher in meine Zelle dringt. Sie sehen mich, das ist mir klar. Die Kamera ist immer auf mich gerichtet. >>Stehen Sie auf und kehren Sie den Rücken der Tür zu<<, sagt die Stimme. Ich kenne den Ablauf bereits in- und auswendig. Natürlich kann ich auch nichts anstellen, wenn ich den Rücken der Tür zukehre. Denn auf der Seite ist natürlich auch eine Kamera.
Ich gehorche ihnen und stehe auf.
Nach 5 Sekunden geht die Tür auf und 2 Wachmänner betreten den Raum. Ich rege mich nicht, auch wenn ich es so sehr möchte. ,,Keine ruckartigen Bewegungen", sagt einer der Männer mit lauter bestimmder Stimme. Ja, jede sonst so kleine unerwartete Bewegung würde sie in Panik versetzen. Sollte das der Fall sein, würden sie mich mit einem Stoff außer Gefecht setzen. Dieser 'Stoff' befindet sich in einer Art Pistole und es setzt sogar solche Leute wie mich außer Gefecht. Es wäre nicht das erste Mal, mir ist das nicht nur einmal passiert. Aber ich werde darauf versuch zu verzichten.

Mir werden immer die Augen verbunden, da sie ein wichtiger Teil meiner Sinnesorgane sind. Außerdem wird mir irgendetwas auf die Ohren gemacht. Ich weiß nicht was es ist, da ich es nie gesehen habe, weil mir davor immer die Augen verbunden werden. So sind meine wichtigsten und ausgereiftesten Sinnesorgane blockiert und ich bin ihnen quasi ausgeliefert.
Natürlich hat es auch den Sinn, dass ich nicht sehen kann wohin sie mich führen. Denn falls ich wirklich mal aus der Zelle ausbüchsen sollte, würde ich wahrscheinlich nicht wissen wohin ich rennen sollte.
Ein kalter Windhauch zieht über den Boden, welchen ich an meinen Füßen spüren kann. Mir wird nicht kalt, denn ich bin bereits kalt. Der Boden ist natürlich auch kalt. Es fühlt sich an wie Beton. Mal ist er glatt, mal etwas rau. Aber das bringt mir auch nix. Ich kann mir nicht mal merken wie oft ich links und wie oft ich rechts abbiege.

In einem etwas wärmeren Raum werden mir die Schutzmaßnahmen abgenommen: Augenbinde, Ohrschutz und natürlich Handschellen.
Ich befinde mich mal wieder bei Mr Virus. Ich empfand seinen Name schon immer als lächerlich, aber er heißt tatsächlich so.
Ich beiße mir auf die Unterlippe.
Er ist Psychologe.
Seit einem Jahr, sieben Monate, vier Tagen, 5 Stunden und 32 Minuten versucht er zu unseren Sitzungen etwas aus mir heraus zu bekommen. Aber bisher hatte er keinen Erfolg mit mir.
Einer der Wachmänner gibt mir einen Schubs Richtung Mr Virus, welcher an einem Schreibtisch sitzt. Vor ihm steht ein leerer harter Stuhl, der für mich vorgesehen ist. Ich genieße natürlich nicht den Luxus wie er. Wie immer trägt er einen schwarzen Anzug und ich gerade mal ein en weißen Stofffetzen.
,,Guten Morgen V-5-7-6. Schön sie wieder zu sehen", lächelt er, doch ich glaube ihm kein Wort, ,,Setzen Sie sich bitte." Ich komme seiner Anforderung nicht gleich nach. Es ist keine Bitte, eigentlich muss ich das tun was er sagt. Sonst bekommen sie Panik. Sein 'Bitte' hätte er eigentlich gleich weglassen können. Der eine Wachmann schreit: ,,Hörst du nicht? Setz dich endlich hin!" Ich verdrehe dir Augen und tu es dann trotzdem. Ich will nicht wieder zusammengeschlagen werden.
Erst nachdem ich mich gesetzt habe, verlassen die Wachmänner den steril weißen Raum.
,,Also... Wie war Ihre Nacht? Was haben Sie gemacht?" Diese Frage kommt jedes Mal. Und ich frage mich jedes Mal ob ihn das wirklich interessiert. Bisher hat er von mir keine Antwort erhalten. Seine Augen blicken in meine. Sie sind kühl, genau wie meine. Ich erkenne in seinen Augen, dass er sich eine Antwort erhofft. Mittlerweile frage ich mich, wie groß seine Hoffnung ist, wenn er seit über einem Jahr immer noch hofft, von mir eine Antwort zu bekommen.  ,,Wissen Sie... Wenn Sie nicht bald mit uns zusammen arbeiten, dann müssen Sie Platz machen. Vergessen Sie nicht, dass Sie hier her wollen." >>Da wusste ich aber noch nicht, was für eine Art Einrichtung das hier ist<<, denke ich, doch ich behalte es für mich. Er wartet einige Sekunden, dann stöhnt er. ,,20 Tage. Wenn sie innerhalb dieser Zeit keine Veränderungen zeigen, werden wir Sie der Regierung überlassen. Und sie wissen ja, was dann mit Ihnen geschieht", sagt er nun. Ich hätte fast lachen müssen, aber ich verkneife mir jede Regung. >>Ist ja nicht so, dass ich mich hier in einer Regierungseinrichtung befinde<<, denke ich. Ich sehe ihn an und gebe mal wieder keine Antwort.

ℙ𝕣𝕠𝕛𝕖𝕜𝕥 𝕍-𝟝-𝟟-𝟞Where stories live. Discover now