Beginn oder Anfang?

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Schön, das ihr hier her gefunden habt und mich sowie unsere zwei Schätze auf eine neue Reise begleitet. Gabsby61 hat mal geschrieben, das ich aus den Schicksalsfäden die das Spinnrad von Magnus gesponnen hat, das Grundgerüst eine Geschichte weben soll und genau das habe ich gemacht.

Viel Spaß wünscht euch, euer Krümmel

Alexander

"Hast du heute schon genug getrunken?" Ihre besorgte Stimme lässt mich leicht lächeln. Es würde sich nie ändern. Ich sehe kurz auf meine Armbanduhr. Das dunkelbraune Band war bereits abgenutzt. Aber das machte die Uhr mit dem elfenbeinfarbenen Zifferblatt und den schwarzen Zeigern fast noch schöner. So war es doch irgendwie auch bei Schuhen. Sie bekamen erst ihren eigene Persönlichkeit wenn sie abgetragen aussahen.

Bereits an Schuhen konnte man etwas aus dem Menschen heraus lesen. Sahen sie wie neu aus, waren sie entweder neu oder dieser Mensch hatte einfach so viele verschiedene Schuhe zu Hause stehen, das er es gar nicht schaffte alle einzutragen. Waren Sie weiß, konnte man sich fast sicher sein, das diese Person auch ein paar Schwarze zu Hause hatte. Anders herum funktionierte es ebenfalls. Waren sie abgetragen, gab es entweder keine Ersatzschuhe oder die Person liebte sie so sehr, das es nur die ein Paar gab. So sagte man zum Beispiel, wenn die Schuhe des Menschen etwas bunter sind oder eher Stoffschuhe wie Chucks sind, dann seien die Menschen aufgeschlossen, liebenswert, unkompliziert und überaus freundlich. Ihre Seele schien bunt. Außerdem war es bewiesen, das abgetragenere Schuhe einen sympathischer wirken ließen.

Ja es gab tatsächlich Studien darüber, welche Charakterzüge hinter den Schuhen eines Menschen stecken. Habt ihr euch schon mal gefragt, warum Türsteher immer nach unten schauen, wenn man vor ihnen steht? Sicherlich nicht nur wegen den Schuhen aber trotzdem verweilt dort ihr Blick etwas länger.

"Alec?" Die Stimme meiner Schwester Isabelle, holte mich wieder in die Gegenwart. Wie bin ich denn jetzt vom trinken zu Schuhen gekommen? "Iz es ist neun Uhr morgens. Ich habe heute noch keinen Liter getrunken. Dafür zwei Tassen Kaffee."

Ich war ein Kaffeeliebhaber durch und durch. Immer wieder wurde ich damit aufgezogen, das ich selbst als Baby schon welchen getrunken habe. Ich wusste es zwar nicht, aber ich hoffte das meine Eltern so verantwortungsbewusst waren und sie keinen Kaffee in die Milch getan haben.

"Außerdem ist Lesen das trinken von Buchstaben mit den Augen. Bereits ein paar Kapitel eines Buches enthält den Tagesbedarf an A, B, C, D, E und K. Und viele weitere wichtige Buchstaben, sind ebenfalls enthalten."

Ich gehörte zu den Kettenlesern. Ich verschlang Bücher regelrecht. Sie machten mein halbes Leben aus. Selbst bei meiner Arbeit drehte sich alles um Bücher. Sie waren überall. Eine Zuflucht, um der Realität zu entkommen.

"Aber jetzt erzähl, wie ist Paris?" Seit kurzem studierte Isabelle Design spezialisiert auf Textilien und Mode in Paris. Der Abschied war ziemlich schwer für uns beide. Wir waren gewohnt das der andere in unmittelbarer Nähe ist. Aber das war ihr Traum und was wäre ich für ein Bruder wenn ich sie davon abhalten würde, genau diesen nicht zu erfüllen.

"Es ist einfach traumhaft. Obwohl ich noch nicht viel von der Stadt gesehen habe. Die ersten Vorlesungen waren irgendwie so lang, das ich danach nur in mein Bett wollte. Emma, meine Zimmergenossin geht es ähnlich."

Ich höre die pure Freude aus ihr heraus. Ich bin froh sie so zu hören. Mit ungefilterte Aufmerksamkeit hörte ich meiner Schwester dabei also zu, was sie bereits gelernt hatte, welcher Lehrer gut aus sah und was sie noch alles zu machen hatte. Immer wieder stellte ich Zwischenfragen, was ihre Stimme immer kurz eine Oktave höher brachte. Izzy war eine reine Quasselstrippe. Das wusste sie selbst. Es gab noch Zeiten da hat sie sich dafür bei mir entschuldigt. Schnell machte ich ihr klar, das man sich für so etwas nicht entschuldigen musste. Es gab kein Anlass dafür. Ich hörte ihr gern zu, denn es war nie langweilig. Auch wenn ich nicht manchmal alles verstand, war es doch immer wieder sehr interessant, worüber sie sich Gedanken machte.

Irgendwann schnappte ich mir mein schwarzes Kabeltelefon und ging damit von der offenen Küche direkt in das Wohnzimmer. Dort ließ ich mich auf meinem schwarzen Sofa nieder und schnappte mir kurz darauf den Block sowie den Stift. Ich kritzelte gerne kleine Bilder oder Formen, während ich telefonierte. Oder ich goss die Pflanzen, von denen ich nicht viele besaß. Manchmal lief ich auch einfach so herum und betrachtete meine eigene Wohnung. Oder ich setzte mich auf den Zweimann Balkon und sah der Erdkugel bei dem Alltag zu.

"... und kannst du dir vorstellen wie schlimm die hier übereinander lästern. Es ist fürchterlich. Wie in der Middle School wo selbst die Naht der Jeans und der Fettanteil des Joghurts diskutiert wurde." Ich grinste als ich an die Zeit dachte. "Oh ja als sich Lydia und ihre Gang über dieses eine Mädchen aufgeregt haben nur, weil die keine fettarme Milch getrunken hat." Ich verdrehte meine Augen. Wenn man keine eigenen Probleme hatte.

Schon zu dieser Zeit hat sich Isabelle über solche Mädchen aufgeregt. Und auch ich verstand nicht warum sich manche daran störten, das es Menschen gab die ein paar Kilos mehr hatten als die Models dieser Welt. Meine Schwester und ich regten uns eher darüber auf, wenn es Menschen gab, die zu wenig Gehirnmasse besaßen.

"Oh ja. Gestern hat auch der Typ hinter mir so gedrängelt und ständig die Augen verdreht. Deswegen habe ich einfach zwei Warentrenner genommen und dreimal bezahlt." Ich musste über Izzy schmunzeln. So war sie schon immer und ich liebte sie dafür. Bei solchen Aktionen erkannte man auch allerdings die Unterschiede zwischen uns. Ich hätte diesen Typen einfach weiter drängeln lassen. Mich konnte keiner aus der Ruhe bringen. Nicht mal wenn die Welt unterginge. Solange ich ein Buch in meinem Rucksack hatte. An guten Tagen hätte ich dieses drängelnde menschliche Geschöpf auch vorgelassen. Wenn es das ist was ihn glücklich macht, soll es an mir nicht scheitern.

"Wie verbringst du deinen freien Tag?" Mittlerweile hatte ich einen kleinen Kaktus zusammen gekritzelt. Dieser hatte ein Gesicht und sah ein bisschen so aus wie ein Sheriff. Diese Skizzen waren keinesfalls perfekt und das wollte ich auch gar nicht. Es war wirklich einfach nur damit meine Hände etwas zu tun hatten.

"Warum frag ich das überhaupt noch?" kam kurz darauf von Iz und ich musste leicht lächeln. "Ich beginne heute ein neues Buch." beantworte ich dann trotzdem ihre Frage. Nachdem sie mir noch ihre Pläne vorgestellt hat, schaffe ich das Retrotelefon zu seinem ursprünglichen Platz. Leichtfüßig mit einer Tasse Kaffee bewaffnet, gehe ich die Wendeltreppe nach oben, welche zu meiner Plattform führte. Meine Wohnung war so hoch, das es eine Art zweite Etage gab, von der man allerdings von oben nach unten schauen konnte und anders herum natürlich auch.

Ein schwarzes Geländer sorgte dafür das man nicht herunter fiel. Sobald man also die Treppen hoch kam, fand man meinen persönlichen Lieblingsplatz in dieser Wohnung. An den Wänden standen Bücherregal. Sie waren weder nach Autor noch nach einem bestimmten Genre geordnet. Auch nicht nach Farbe. Trotzdem hatte jedes sein eignen Platz und ich wusste genau, wo ich welches Buch fand. Links stand mein mitternachtsblauer Ohrensessel. Rechts der bordeauxroter Ohrensessel für Besucher. Zwischen den zwei Sesseln fand man einen kleinen Tisch, worauf immer ein weiterer Block, ein Stift und ein Getränk stand.

Nur links an der Wand fand man noch eine Tür. Diese führte zu meinem Schlafzimmer. Aber die meiste Zeit verbrachte ich hier, auf Arbeit oder draußen in der Natur. Ich mochte mein Leben. Und das habe ich vor allem von den Büchern gelernt.

Im Schneidersitz saß ich also da. Ein Buch in meiner Hand, welches nur darauf wartete gelesen zu werden. Wort für Wort. Kapitel für Kapitel. Ein Buch was mich vielleicht wieder dazu zwang zwischen den Zeilen zu lesen.

Der VorleserWhere stories live. Discover now