40 - Geflimmer

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Rahels POV:

Die nächsten Tage in der Schule waren komisch, ich fühlte mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Es erreichten mich keine Nachrichten mehr, worüber ich wirklich froh war, doch trotz allem fühlte ich mich unwohl. Ich konnte damit leben meinen Kontakt in der Schule zu Maria einzuschränken, doch ich wurde das Gefühl nicht los, es könnte schon zu spät dafür sein. Zu spät es noch mehr verstecken zu wollen. Waren wir wirklich zu unvorsichtig gewesen? Ich atmete einige Male tief ein und aus, dann klopfte ich an die Tür und wartete. Die Tür öffnete sich, ein roter Haarschopf schob sich aus der Tür heraus. Ihre Haare lockten sich bis zu ihrer Schulter hinunter und ihre stahlblauen Augen bohrten sich in meine. Unsicher blickte ich sie an, musterte ihre weiße Bluse, die ein wenig zu eng war, sowie ihre blaue Jeans die die Farbe ihrer Augen unterstrich.

„Rahel? Komm rein."

Ich schaute mich ein letztes Mal um und schritt dann durch die Tür. Meine Lust hielt sich in Grenzen und noch fühlte ich mich nicht wohl, doch ich hoffte auf Besserung.

„Es freut mich, dass du dich entschieden hast mit mir zu reden."

Mehr als ein Kopfnicken bekam sie nicht von mir, meine Stimme verließ mich wieder einmal. Ich wusste nicht wie und über was ich reden sollte, aber ich musste es. Zu meinem eigenen Wohl. Nervös fummelte ich an meinem Ring herum, eine Angewohnheit die ich mir von Maria abgeschaut haben muss. Das Büro wirkte karg, nur ein paar Bilder hingen an der Wand. Dalí und Picasso entdeckte ich an der Wand hinter mir, die anderen Bilder sagten mir nichts. Auf ihrem Schreibtisch stand ein PC, eine Vase mit einem frischen Strauß Blumen, sowie ein Telefon und ein Bilderrahmen, das Bild konnte ich aus meiner Position nicht erkennen.

„Setzt dich doch.", sie deutete auf ihre rote Couch und setzte sich selbst auf einen Sessel links von mir. Ich blieb eine Sekunde lang wie erstarrt stehen, überlegte ob ich kooperativ sein sollte und entschied mich dafür. Die Couch lud nicht gerade für eine lange Sitzung ein, ich spürte jede Feder unter mir. Unruhig rutschte ich auf meinem Platz hin und her, ihre Augen immer auf mir. Sie ließ mich keine Sekunde aus den Augen.

„Ich weiß nicht ob wir uns schon richtig vorgestellt wurden. Mein Name ist Luisa Müller, ich unterrichte Erdkunde und Mathematik. Das soll hier aber nicht von Interesse sein, hier soll es nur um dich gehen. Ich habe mich wirklich über deine Nachricht gefreut, wie du ja auch schon weißt sind zwei Kollegen auf mich zugekommen. Doch ohne deine Kooperation kann ich nicht mit dir reden, das musste ich ihnen mehrfach klar machen. Deswegen freue ich mich wahrscheinlich auch so. Sollen wir anfangen? Du brauchst keine Angst haben."

Wie machte ich Frau Müller klar, lieber mit einer professionellen Therapeutin reden zu wollen? Es lag ja nicht mal an ihr, aber ich konnte ihr niemals auch nur ansatzweise etwas von Maria erzählen, dafür vertraute ich ihr nicht genug. Ich wollte nichts mehr riskieren. Wieder drehte ich den Ring an meinem Finger hin und her.

„Ich habe keine Angst. Ich...ich weiß nicht wie ich anfangen soll."

„Dein nervöses Spielen mit dem Ring verrät mir etwas anderes. Entspann dich, wir fangen erst einmal mit ganz banalen Dingen an. Okay? Erzähl mir, wie läuft es in der Schule?"

Sie wollte über die Schule reden? Klar, das würde ich hinbekommen, aber zum Schluss musste ich sie darum bitten, mir bei der Suche nach einem Therapeuten zu helfen.

„Die Schule läuft- gut? Ich meine...besser als erwartet. Nach dem Wechsel hier her, habe ich nicht damit gerechnet in den Fächern so gut mitzukommen."

„Das klingt doch gut, was für einen Wechsel meinst du? Und wie ist es mit der mündlichen Mitarbeit?"

Ich presste meine Zähne aufeinander um meine Wut zu kontrollieren, ich konnte mir schon denken wer ihr das mit der schlechten mündlichen Mitarbeit gesagt hat.

„Ich war vorher auf der Realschule und habe nach der 10.Klasse gewechselt. Das haben sie bestimmt von Herrn Rolfes oder Lindner, oder?"

„Es tut überhaupt nichts zur Sache woher ich das habe, ich möchte eigentlich nur wissen, warum das so ist. Was glaubst du, wieso meldest du dich nicht so oft? Wie war das auf der Realschule?"

In mir fing es ganz langsam an zu brodeln, ich hasste es ausgefragt zu werden. Aber bei einem richtigen Therapeuten würde es mir wohl nicht anders ergehen, also sollte ich mich lieber damit auseinandersetzen und ihre Fragen beantworten.

„Auf der Realschule war es ehrlich gesagt nicht anders, an die Grundschule kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber es gab irgendwann einen Punkt, da hat sich das einfach geändert."

„Versuch dich an damals zu erinnern. Was ist passiert, was hat sich geändert, dass du dich verschlossen hast?"

„Ich...ehm...also...ich habe zugenommen. Schon in der vierten Klasse gehörte ich zu den dicksten Kindern der Stufe. Ich..." -ich bemerkte nicht sofort, wie sehr mich diese Thematik belastete. Ich spürte wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten, ich kniff die Augen zusammen und presste mit meinen Händen darauf. Nach einer Minute des Schweigens redete ich weiter, Frau Müller schaute mich die ganze Zeit freundlich an, reichte mir zwischendurch ein Taschentuch.

„Ich kann mich nicht mehr gut daran erinnern, aber im Sport wurde ich einfach irgendwann nicht mehr so oft gewählt, irgendwann sogar zuletzt. Ich blieb immer übrig. Wie es in der Klasse war, weiß ich nicht mehr wirklich. Aber ich habe mich unwohl gefühlt."

„Ist das immer noch so? Fühlst du dich unwohl?", fragte Frau Müller.

Ich nickte und schnäuzte mir dann die Nase, zu weinen war wirklich nicht geplant gewesen. Ich wollte hier rein gehen, ein bisschen was sagen, nicht zu viel, mir einen Kontakt holen und dann wieder verschwinden. So war das wirklich nicht geplant. Verdammter Mist.

„Warum fühlst du dich unwohl? Hat sich das nie geändert?"

„Nein eigentlich nicht. Ich habe irgendwann abgenommen, aber das Gefühl hat sich nie geändert. Hier werden wir auch oft noch von den Anderen angefeindet...also wir Realschüler meine ich. Im Sport werden wir manchmal deshalb auch noch zuletzt gewählt."

Frau Müller schüttelte den Kopf, notierte sich etwas und schaute mich dann wieder an, ihr Lächeln wirkte noch immer aufrichtig und warm. Ich spürte wie ich mich langsam fallen ließ.

„Du hast abgenommen. Darf ich fragen wann das war? Und wie kam es zu diesem Entschluss? Habt ihr schon mal versucht mit den Anderen zu reden?"

„Die Anderen sind daran nicht wirklich interessiert. Sie nenne uns manchmal noch immer Seiteneinsteiger, obwohl wir seit einem Jahr hier sind."

Ich ignorierte ihre Fragen zu meinem Gewicht, ich wollte nicht darüber reden. Ich wusste sie würde über mich urteilen, so wie jeder es tat. Gerade konnte ich es nicht gebrauchen noch jemanden über mich urteilen zu lassen.

„Du hast meine Frage ignoriert, Rahel. Ich bin nicht hier um über dich zu urteilen, " ich fragte mich ob sie Gedanken lesen konnte, „ich bin hier weil ich dir helfen will. Erzähl mir über deinen Gewichtsverlust."

Unsicher blickte ich auf den Boden, nestelte an meiner Hose herum. Frau Müller entging das nicht, doch sie versuchte nicht mich zu einer Antwort zu drängen. Sie machte vorsichtige Ansätze, unterschwellige Bewegungen oder Bemerkungen. Selbst als ich schwieg versuchte sie nicht auf diesem Thema sitzen zu bleiben. Sie fing an mir Dinge über den Schulalltag zu erzählen, wie sie die Eingliederung der Seiteneinsteiger sah. Interessiert hörte ich ihr zu und vergaß sogar für einen Moment, wo ich gerade war und aus welchem Grund.

„...viele empfinden das als ein einschneidendes Ergebnis. Ich habe schon so viele Leute beobachten können, die sich nach solch einem Wechsel komplett verändert haben. Es ist ein weiterer Schritt ins Erwachsensein, also nichts worüber man nicht reden dürfte."

Aufmerksam studierte ich ihre Mimik und Gestik, sie wirkte gelassen und selbstbewusst, wie gerne würde ich mich so fühlen und handeln. Bisher habe ich mich zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben so gefühlt, außer mit Maria. Wenn ich mit ihr alleine war konnte ich unbeschwert lachen, mich fallen lassen und ich fühlte mich so selbstbewusst wie nie zuvor. Aber das endet, sobald ich wieder alleine bin.

„Es fing Anfang der 12.Klasse an. Ich...ich habe mich unwohler denn je gefühlt und dann habe ich jemanden getroffen und alles hat sich verändert."

„Du hast jemanden getroffen?"

„Ich habe mich das erste Mal verliebt, so richtig verliebt. Vorher habe ich immer nur für Menschen geschwärmt, nicht mehr und nicht weniger. Plötzlich machte alles einen Sinn, alles machte einen Sinn."

Ich merkte wie ich mich bei jedem meiner Worte mehr verkrampfte und kam ins Stocken.

„Das ist doch etwas Schönes. Und was macht jetzt in deinen Augen einen Sinn?"

„Ich konnte mich nie verlieben, weil ich mich nicht selbst gekannt habe. Erst hier habe ich verstanden was mit mir los war und ist. Deswegen habe ich mich verändert...körperlich. Ich wollte auffallen."

Frau Müller musterte mich angestrengt, ich glaube sie versuchte aus meinem Gesagten schlau zu werden. Doch bisher enthielt ich ihr ein wichtiges Detail, nicht Maria, aber dass es sich um eine Frau handelte.

„Ich habe mich in eine Frau verliebt."

Frau Müller schien nicht überrascht, sie verzog nicht mal ihr Gesicht, sie schenkte mir weiterhin ihr wärmstes Lächeln, was mich vorher schon wohl fühlen ließ.

„Du wolltest also diese Frau beeindrucken? Du wolltest auffallen und dich wohl fühlen, richtig? Wie hast du das angestellt?"

„Ich habe abgenommen."

„Okay. Wie hast du das gemacht? Und in welchem Zeitraum?"

„Ich habe zehn Kilo in 6 Wochen abgenommen."

Erst jetzt zeigte Frau Müller einen Anflug einer Emotion, doch bevor ich das überhaupt realisieren konnte, hatte sie sich schon wieder gefasst. „Das ist ziemlich viel in einem kurzen Zeitraum. Also frage ich noch einmal, wie hast du das gemacht? Diät?"

„Ja. Anfangs war es die Nulldiät. Dann habe ich mir den Finger in den Hals gesteckt." Ich war selbst erstaunt über meine Wortwahl, über den plötzlichen Ausbruch, auch Frau Müller wirkte ein wenig geschockt. Sie schien ihre nächsten Worte mit Bedacht auszuwählen, denn sie grübelte mehr als zwanzig Sekunden, bis sie zu einer Antwort ansetzte.

„Du hast also einfach nichts mehr gegessen, wieso hast du dich für diese Variante entschieden?"

Ich rechnete nicht mit so einer Frage, ich rechnete nicht mit Verständnis oder Interesse an dem Warum. „Ich...keine Ahnung. Ich habe mich überhaupt nicht dazu entschieden...es ist einfach passiert."

„Also würdest du sagen, du hattest keine Gewalt darüber?"

„Naja, nicht direkt? Kann man das so sagen? Ich habe einfach angefangen weniger zu essen, vorgenommen habe ich mir das aber nicht! Es schlich sich ganz langsam in meinen Alltag ein."

„Natürlich kann man das so sagen. Anfangs hast du also noch gegessen und später gar nichts mehr? Oder fing es dann damit an, dass du erbrochen hast?"

„Irgendwann erschien mir das nicht mehr genug, es ging nicht schnell genug. Also habe ich nach dem Essen erbrochen. Schon während ich etwas aß wurde mir schlecht, also versuchte ich zu essen, damit niemand es zu Hause merkte. Und auf der Toilette habe ich mich dann übergeben."

„Fiel dir das leicht? Dir den Finger in des Hals zu stecken?"

„Nein. Anfangs klappte es nicht, also habe ich gegoogelt wie man am besten Erbrechen kann. Ich habe einiges versucht, bis sich mein Körper daran gewöhnte und es wie von selbst klappte. Ich musste mich nicht mehr dafür anstrengen."

„Haben deine Eltern etwas bemerkt?"

„Nein.", ich war erschöpft durch die ganzen Fragen, durch meine Antworten. Ich erlebte alles noch einmal, als würde ich die Vergangenheit ein weiteres Mal durchschreiten. Frau Müller bemerkte dies, schaute auf ihre Uhr und schloss ihren Block.

„Ich denke das reicht für heute, denkst du nicht auch? Danke für deine Mitarbeit. Ich habe eine kleine Aufgabe für dich. Wir treffen uns in zwei Tagen wieder, nach der Schule und bis dahin schreibst du mir auf, was du dir für die Zukunft wünschst. Schreib drei Dinge auf, das muss kein Roman werden, aber ich möchte schon hören was du denkst und fühlst. Okay?"

Nickend stand ich auf, Frau Müller reichte mir die Hand und öffnete dann die Tür. Kaum war ich auf dem Flur, die Tür hinter mir geschlossen, schaute ich panisch umher ob mich jemand gesehen hatte. Ich wollte nicht noch ein Gesprächsthema über mich eröffnen. Ich stürmte aus dem Gebäude heraus und fuhr mit Fahrrad nach Hause. Erst auf meinem Bett bemerkte ich, Frau Müller nicht nach einem möglichen anderen Therapeuten gefragt zu haben. Ich habe mich komischerweise wohl bei ihr gefühlt, auch wenn ich nicht immer mit ihr reden wollte, sodass ich gar nicht weiter darüber nachdenken konnte. Ich schaute auf mein Handy und lächelte, als ich eine Nachricht von Maria entdeckte.

Maria: Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht, es fiel mir schwer nicht Ausschau nach dir zu halten, aber ich habe den Tag überlebt. Dein Gesicht möchte ich trotzdem heute noch sehen. Magst du heute Abend zu mir kommen? Ich bin eh noch in der Stadt, wäre also kein Umweg für mich wenn ich dich mitnehmen würde.

Rahel: Sehr gerne, 20 Uhr?

Maria: Ist auch 19 Uhr in Ordnung, oder klappt das nicht wegen deinen Eltern? Sonst muss ich noch eine weitere Stunde in der Schule verbringen.

Rahel: Dann 19 Uhr, ich freue mich.

Als Antwort bekam ich einen Kuss, ein Herz und ein „Ich liebe dich", was mir meinen Tag unheimlich versüßte. Meine Gedanken kreisten jedoch komplett um die Sitzung bei Frau Müller. Ich hasste es mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, ich wollte mich nicht mehr an damals erinnern. An die Zeit in der ich gehänselt wurde, um die Aufmerksamkeit von Leuten kämpfen musste und auch nicht daran, wie lange ich brauchte um zu mir selbst zu finden. Ich habe damals sehr viel im Internet recherchiert. So viele Mädchen wussten schon in ihrer Kindheit, dass etwas nicht stimmte, spätestens mit 14, wenn die Pubertät einsetzte, wussten es die meisten. Ich schien wirklich spät damit dran gewesen zu sein, es ärgerte mich. Wenn ich eher bemerkt hätte, dass ich auf Frauen stehe, vielleicht wäre mir dann viel erspart geblieben. Jetzt im Nachhinein habe ich viele Hinweise in meiner Kindheit und Pubertät entdecken können, aber damals habe ich die Augen davor verschlossen. Ich habe mir ständig eingeredet auf einen Jungen zu stehen, einfach weil alle Mädchen aus meiner Klasse jemanden toll fanden. Ich wollte dazu gehören, mitreden, normal sein. Das fing schon in der Grundschule an, zog sich durch die Zeit in der Realschule und endete erst in der 12.Klasse auf dem Gymnasium. Kopfschüttelnd dachte ich darüber nach, grübelte, verwarf meine Gedanken wieder und entdeckte neue Ansätze. Ich wurde das Gefühl nicht los, mein Kopf könnte jede Sekunde platzen. War das der Sinn einer Therapie?

Glücklich stieg ich in Marias Auto, endlich konnte ich dem Gedankenkarussell entkommen. Als ich Maria anschaute, traf ich auf ein strahlendes Lächeln und konnte selbst kaum ertragen, wie sehr ich diese Frau liebte. Nun spielte mein Herz verrückt, doch das war mir 100 Mal lieber als mein Kopf. Während der Fahrt nahm ich ihre Hand und blickte zufrieden auf die Straße. Wir mussten nicht reden, wir wussten auch so wie es uns ging. Doch kurz bevor wir bei ihr ankamen, wandte Maria sich an mich.

„Harter Tag?", sie runzelte ihre Stirn und küsste meine Hand.

„Schon. Ich bin froh wenn ich gleich in deinen Armen liegen kann. So eine Therapie ist ganz schön anstrengend, ich habe mir das leichter vorgestellt."

„Niemand hat gesagt, es würde leicht sein. Aber ich bin stolz auf dich. Endlich hast du das Problem in Angriff genommen."

Ich konnte Maria nicht sagen wie glücklich es mich machte, nicht von ihr auch noch ausgefragt zu werden. Die ganze Fragerei heute hatte mich ausgelaugt und ich freute mich unheimlich darauf, einen schönen Abend mit ihr zu verbringen. Wir verbrachten den Abend mit kochen, essen und quatschen. Wir redeten nur über belanglose Dinge, damit ich endlich runterkommen konnte. Maria drängte mich zu nichts, stellte mir keine Fragen zur Therapie. Aber ich wusste, wenn ich mit ihr reden wollen würde, wäre sie für mich da. Das war schön zu wissen. Wir lagen zusammengekuschelt auf dem Sofa, Maria kraulte meinen Kopf und ich spielte mit ihrem Ring am Finger. Ihre Wärme und Zuneigung zu spüren gab mir die Kraft, die ich brauchte, um die nächsten Tage zu überstehen. Wir würden wieder Abstand zueinander halten müssen, die nächste Sitzung stand an und eine Klausur in Mathematik. Morgen würde ich Maria in Sport sehen, aber ich musste sie wie Luft behandeln. Ich musste sie so behandeln wie jeden anderen Lehrer auch. Das fiel nicht nur mir schwer, das spürte ich jedes Mal aufs Neue, sondern auch ihr. Ich spürte in unbeobachteten Momenten Marias Blicke auf mir, manchmal erhaschte ich ein flüchtiges Lächeln. Doch mehr war nicht mehr drin. Keine zufälligen Berührungen, kein Treffen in der kleinen Pause, keinen Kuss in der Schule. Während ich ihre Hand in meiner spürte, schenkte ich dem TV keinerlei Beachtung, auch Maria schien nicht wirklich daran interessiert zu sein. Ihre Finger strichen sanft über mein Gesicht, meine Wangen, meine Lippen, mein Kinn. Jede ihrer Berührungen brannte wie Feuer und hinterließ eine heiße Spur auf meiner Haut. Die Stellen prickelten noch für eine lange Weile und schon bald fühlte sich mein ganzes Gesicht an wie entflammt. Langsam aber sicher wurden meine Augen immer schwerer, ihre Stimme nahm ich nur noch geringfügig wahr.

Ein leises Ruckeln weckte mich auf. „Tut mir leid. Schlaf weiter." Maria küsste meine Stirn.

„Wie spät ist es?", fragte ich schlaftrunken.

„Halb zehn. Musst du gleich gehen?"

Ich schüttelte den Kopf und presste meinen Kopf tiefer in Marias Schoß. Ihr entwich ein leises Stöhnen, was mich unheimlich anmachte, doch ich war zu müde um darauf einzugehen. Jetzt war ich es, die sich entschuldigte. „Schon okay, du bist müde. Schlaf weiter." Zufrieden drehte ich mein Gesicht zu ihrem Bauch, weg von dem Geflimmer des TVs und schloss wieder die Augen. Eine halbe Stunde später weckte mich das Vibrieren meines Handys, welches auf dem Holztisch lag und somit ziemlich laut surrte. Grummelnd griff ich danach, bedacht darauf Maria nicht zu wecken, da sie mittlerweile auch schlief. Die Helligkeit des Bildschirms brannte in meinen Augen, ich brauchte eine Weile um mich daran zu gewöhnen. Maria wurde von der Helligkeit wach und starrte mich an. Mir liefen Tränen an den Wangen herunter, meine Hände zitterten und ich schluchzte lautlos vor mich hin. Maria nahm das Handy, starrte den Bildschirm an und fing bei dem Anblick des Bildes selbst an zu weinen.

Die Nachricht kam wieder von einer anonymen Nummer.

So wie es kam (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt