Bedenken

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Cassian

Er küsste ein letztes Mal mein Kinn, ehe er zwischen den anderen Schülern verschwand.

Grinsend stieß Robin mit in die Seite. „Da ist aber jemand glücklich so früh am Morgen!" Mein bester Freund wackelte mit den Augenbrauen. „Was ging denn da heute Nacht?"

Ich fuhr mir durch die wilden Haare. „Gar nichts", meinte ich grinsend.

„Ach und das soll ich dir glauben?"

„Da war wirklich nichts", lachte ich und knuffte zurück. „Jeder war in seinem Zimmer heute Nacht. Es macht mich nur happy, ihn um mich zu haben. Mehr nicht."

Er sah mich komisch an. „Wow... ernsthaft? Lennox ist noch nicht wieder da und du lädst ihn nicht in dein Zimmer ein über Nacht?"

Ich schüttelte den Kopf, richtete die Krawatte meiner Uniform.

„Wieso?"

„Ich... will ihn nicht bedrängen oder so..."

„Was?" Er lachte auf. „Du kannst niemanden bedrängen. Du bist so unschuldig!"

Ich sah ihn kurz an. „Aber vielleicht ist es ihm unangenehm in Lennox' Zimmer zu sein? Keine Ahnung!"

„Das kann ich mir auch nicht vorstellen." Wir liefen nebeneinander den Schulflur entlang. „Na ja anderes Thema... habt ihr denn schon...?"

Ich verstand nicht, was er meinte. „Was haben wir?"

„Oh mein Gott, Cassian! Gefickt. Hattet ihr Sex?"

Ich zögerte, ehe ich den Kopf schüttelte. Meine Ohren glühten förmlich.

„Oh... lädst du ihn deshalb nicht in dein Zimmer ein?"

Ich presste meine Lippen aufeinander. Das war kein Thema, über das ich im allgemeinen gerne sprach.

„Hast du Angst davor? Also ich mein... du bist doch auch keine Jungfrau mehr. Inzwischen. Du hattest Sex mit diesem anderen. Aber wieso hast du denn Angst davor, mit deinem ähm... hallo festen Freund zu schlafen? Ihr seid doch jetzt zusammen oder nicht? Und das auch nicht erst seit letzter Woche."

„Robin, können wir das Thema wechseln?"

„Nö." Er war nicht der Typ, der einfach locker lässt. „Ich verstehe es nicht. Oder will Milo nicht?"

Ich schnaubte. „Es liegt nicht an Milo. Ich glaub, er würd schon gern. Ich bin der, der ihn dann abwimmelt...", gab ich zu.

„Aber wieso? Oder willst du keine sexuelle Beziehung mit ihm?"

„Nein... Doch! Also... Mann, Robin. Ich würd gern. Du kannst nicht glauben, wie sehr es mich anmacht, wenn er versucht mir an die Wäsche zu gehen."

„Wo liegt denn dein Problem? Kriegst du keinen hoch?"

„Mann, du nervst!" Ich fasste mir an die Stirn. Mir war es wirklich unangenehm darüber zu reden.

„Es interessiert mich aber", meinte er und blieb stehen.

„Ich hab Schiss, okay?" Ich blieb ebenfalls stehen und wandte mich zu ihm um. „Klar, hatte ich schonmal... A-aber das ist eben was anderes als mit Milo. Er macht mich allein mit seiner Anwesenheit verrückt. Außerdem... weiß ich nicht, wie... du weißt schon."

Robin zuckte leicht mit den Schultern. „Glaub mir, es ist echt nicht schlimm. Vielleicht hat Milo mehr Erfahrung als du..."

Ich wedelte mit der Hand. „Bitte, können wir woanders darüber reden?" Noch immer standen wir Mitten auf dem Schulflur.

Robin verdrehte die Augen und führte mich in den Raum der Schülerzeitung. Zu dieser Uhrzeit waren alle im Unterricht, weshalb niemand außer uns hier war. Ich setzte mich auf einen der Tische, Robin hockte rittlings auf einem Stuhl und stützte sich auf der Rückenlehne ab.

„Also... Cassian. Wenn ich das richtig verstanden hab, hast du Angst mit deinem Freund zu schlafen, weil er mehr Erfahrung hat und du sonst immer derjenige warst, der na ja unten lag."

Ich nickte leicht.

„Aber wo liegt denn das Problem? Du weißt doch, was dir gefallen hat. Mach doch das, was mit dir gemacht wurde, bei ihm?"

„Und wenn ihm das nicht gefällt?" Ich kaute auf meinem Fingernagel herum.

„Pass auf. Ihr müsst darüber reden. Sprecht einfach ehrlich über das, was euch gefällt, euch interessiert, was ihr ausprobieren wollt. Sag ihm einfach, was deine Sorgen sind. Glaub mir, das macht es so viel leichter den Kopf auszuschalten. Du bist dann wesentlich entspannter und kannst dich darauf einlassen."

Ich zögerte. „U-und... na ja i-Ich... Scheiße. Na ja mein Körper reagiert so krass empfindlich auf seine... Berührungen. Als ob ich es irgendwie... aushalten würde, wenn da mehr passiert!"

„Machst du dir ernsthaft Sorgen darüber, was ist, wenn du zu früh kommst?"

Ich sah verlegen weg. Dieses Gespräch war echt zu viel für meine Nerven.

„Cas, es wird ihn nicht stören. Bestimmt nicht! Weißt du, wie oft mir das schon passiert ist? Klar ist es ein bisschen peinlich oder so. Besonders, wenn es irgendwie beim ersten Mal passiert. Aber komm schon, das ist völlig normal. Mach dir darüber mal keine Gedanken." Robin lachte. „Ich fass es nicht, dass wir Menschen uns wegen sowas so viel Stress machen."

„I-Ich will eben alles richtig machen..."

„Du kannst nie alles richtig machen. Aber, Darling, ihr beide mögt euch. Ihr mögt euch wirklich. Und ich hoffe sehr, dass das so bleibt und ihr ganz viel Zeit haben werdet alles auszuprobieren. Und natürlich ist es okay, dass ihr euch Zeit lasst. Aber bitte sprich einfach mit ihm darüber. Nicht, dass da irgendwelche Missverständnisse entstehen."

Ich sah auf meine Hände und nickte leicht. „Danke..."

„Dafür nicht, mein Freund. Hey, ich kann echt verstehen, dass du dir Gedanken machst. Wahrscheinlich war ich nicht anders. Aber das brauchst du wirklich nicht. Wenn Milo es wirklich ernst mit dir meint, dann kannst du mit ihm darüber reden. Und auf mich wirkt er so, als würde er es ernst meinen."

„Ich will ihm eben keinen Grund geben, es sich anders zu überlegen." Ich versteckte mein Gesicht hinter meinen Händen. „Ich will ihn nicht wegen sowas vergraulen oder so... Fuck, ich hab mich echt übelst in diesen Jungen verliebt."

Robin erhob sich von seinem Stuhl und zog mich in eine herzliche Umarmung. „Du bist echt knuffig!", lachte er und wuschelte mir durch die Haare. „Wie gesagt, sprich mit ihm. Egal worum es geht. Reden ist so unglaublich wichtig. Ehrlich reden. Das wirkt Wunder, mein Freund." Er klopfte mir auf den Rücken. „Und wie gesagt, wenn er weiß, was los ist, dann wird er dir so viel Zeit geben, wie du brauchst."

Und irgendwie wurde der Felsbrocken zu einem Kieselstein. Die Last, die keine sein sollte, wurde zu einer kleinen Tatsache, die Dinge manchmal eben etwas schwerer machte als nötig.

Milo [boyxboy]Where stories live. Discover now