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Die Musik hört man erst, wenn man kurz vor dem Haus ist. Die Partys von reichen Kids gehen zwar wild zu, aber die Nachbarn sollte man doch nicht nerven. Das weiß jeder. Manchmal denke ich, die Partys wären der einzige Ort für manche von uns, wo sie endlich mal ihre wilde Seite raushängen lassen können. Auf irgendwelchen Benefizgalas ist das nicht möglich. Immerhin muss man da besonders gut für seine Eltern aussehen.

Ich drücke auf den Knopf des Sicherheitstores und werde ohne irgendwelche Fragen hereingelassen. Langsam geht das Tor auf und ich lenke meinen VW Beetle zwischen einen Tesla und einen Porsche. Wie gesagt, wir beide gehören hier einfach nicht dazu. Im Gegensatz zu meiner Schwester, die freudig aus der Tür gestiegen ist, bevor ich das Auto ausgestellt habe, stehe ich gequält auf und trotte meiner Schwester hinterher, bis wir vor einer großen Tür stehen und Amelia schon geklingelt hat. Die Tür wird von Gordon aufgerissen und freudig nimmt er meine Schwester in den Arm. "Amelia ist daaaaaa", schreit er und ich höre das Gekreische von ihren Freunden. Überrascht wirft er mir einen Blick zu und nickt höflich. Seine blonden Locken sind perfekt gestylt und er trägt tatsächlich einfach eine Kahkihose und ein dunkelblaues Polohemd. Ich nicke zurück und folge den beiden zu dem Raum, in dem unsere halbe Schule sitzt, Alkohol trinkt, rummacht oder einfach tanzt. Oder alles drei gleichzeitig.

"Amelia!", ruft Francine, eine von Amelias Freundinnen und nur einen Augenblick später stehe ich alleine zwischen schwitzenden Teenagern. Ohne irgendjemanden unnötig zu berühren versuche ich mir einen Weg durch die tanzende Menge zu den stilleren Ecken des Hauses zu bahnen. Nur noch ein paar Stunden, dann kann ich ohne schlechtes Gewissen mit meiner Schwester nach Hause fahren. Wie ein Mantra murmle ich diese Tatsache vor mich hin, bis ich mich überwinde, mir wenigstens eine Cola zu gönnen. Vielleicht wird der Abend dann ein wenig erträglicher. Wobei dafür die Cola mit weitaus mehr als nur Sprudel bestückt sein müsste. Wodka oder Betäubungsmittel vielleicht.

Ich dränge mich an meinen Mitschülern vorbei, bis ich an der improvisierten Bar vorbeikomme. Bei der letzten Party habe es einen privaten Barkeeper gegeben, weiß ich von den Erzählungen meiner Schwester. Dieses Mal offensichtlich nicht. Ich beuge mich vor, um an der Bowle zu riechen und der Geruch nach Alkohol ist so stark, dass mir Tränen in die Augen schießen. Wenn ich behaupten würde, an Alkohol gewöhnt zu sein, dann würde ich lügen. Ich trinke fast nie. Ein Glas Sekt bei einer der Gala meiner Eltern, vielleicht ein Bier. Mehr nicht. Ich suche weiter nach weniger alkoholischen Getränken und entdecke endlich das unverkennbare rote Etikett von Coca Cola. Ich schenke mir gerade etwas von der braunen, zuckrigen Flüssigkeit in mein Glas, als ich eine laute Stimme hinter mir höre.

"Isabella Hill!", schreit Denise McMillan hinter mir und ich drehe mich um, bedacht darauf, meine Cola nicht zu verschütten. "Hi", antworte ich zaghaft und lächele sie verkrampft an. Sie ist eine der nervigsten Personen die ich kenne, und am liebsten würde ich ihr einfach sagen, sie solle mich in Ruhe lassen. Aber das ist nicht höflich, um meine Mutter zu zitieren. "Was machst du denn hier? Ich habe dich noch nie auf Partys gesehen", lallt sie und ich rieche eine starke Alkoholfahne aus ihrem Mund. Ich verziehe unmerklich mein Gesicht und zucke mit meinen Schultern. "Naja...", sagt sie doch weiter kommt sie nicht. Ihr Gesicht wird auf einen Schlag blass und sie hält sich die Hand vor den Mund, als sie anfängt zu würgen. Oh bitte nicht. Mit einer Hand hält sie sich ihre schwarzen Haare zurück und sucht fast panisch nach einem Behälter. Genauso panisch suche ich ebenfalls nach etwas, als mir ein Eimer mit Eis ins Auge fällt, der unter dem Bartisch steht. Schnell hebe ich ihn auf, kippe das restliche Eis in die halbleere Bowle und halte Denise den Eimer unter den Mund. Sie schaut mich dankend an und als ich sie wieder würgen höre, drehe ich mich um. Das ist definitiv zu viel für mich. Ich lasse meine Cola auf der Bar stehen und will mich abwenden, als Denises schwitzige Hände meinen Arm berühren. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit und fast panisch schüttele ich ihren Griff von mir ab. Sie versucht ihre Verwirrung zu überspielen und drückt ihre freie Hand wieder an den Eimer. Eine Gänsehaut, ausgelöst von purem Ekel, löst sich auf meinen Armen aus und ein kleiner Schüttler durchzuckte meinen gesamten Körper.

Das Schweigen des MeeresWhere stories live. Discover now