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"Das ist gut für deine Figur", sagt meine Mutter und schaut mich von oben bis unten an. Meinen Bagel hat sie mir aus der Hand gerissen, und stattdessen einen Shake vor mich gestellt. Weizen ist Gift für sie und meine Schwester. 

Ich verziehe mein Gesicht und begutachte die braune Flüssigkeit. 

"Ingwer, Spinat, rote Beete und grüner detox Tee", sagt sie und trinkt aus ihrer eigenen Flasche. "Und mein Bagel?", frage ich verwirrt und ernte ein Augenrollen. 

Amelia schlürft ihren eigenen Shake ohne die Miene zu verziehen und blickt gespannt zwischen mir und unserer Mutter hin und her. Argwöhnisch setze ich die Flasche an und nehme einen Schluck. 

Ich muss würgen, bevor der erste Tropfen meinen Hals berührt hat. Das ist das ekligste Zeug, das ich jemals getrunken habe. Geschweige denn jemals in meinem Mund gehabt habe. 

"Das ist...", sage ich angewidert, doch ich stoppe, als ich das alarmierende Gesicht meiner Schwester sehe. Wenn es einen gibt, der die Streite zwischen mir und meiner Mutter in Schach halten kann, dann sie. "Ganz in Ordnung", versuche ich schnell hinterher zu schieben und mache Würg Gesten in die Richtung meiner Schwester, sodass unsere Mutter es nicht sehen kann. Amelia hält sich eine Hand vor den Mund, damit sie nicht anfängt laut loszuprusten. 

"Vergesst heute Abend nicht, pünktlich zu sein. Die Verhandlungspartner eures Vaters kommen zum Abendessen und wir wollen einen möglichst guten Eindruck machen. Das gilt dir, Isabella", sagt meine Mutter und blickt mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Schnell nicke ich. 

Sobald sie aus der Küche verschwunden ist, schütte ich den Shake in die Gosse. "Wir sehen uns heute Abend", sagt Amelia und verschwindet, genau wie unsere Mutter, in Richtung der Schlafzimmer. 

Ich schaue auf mein Handy, um zu sehen, wie viel Uhr es ist, als ich eine Nachricht von einer unbekannten Nummer auf dem Bildschirm sehe.

Wir sind mit ein paar Freunden um halb drei am Payton Beach, wenn du willst kannst du auch kommen - Jill 

Mein Herz macht einen erfreuten Hüpfer. Wird Adam da sein? Entspann dich. Ich laufe mit meinen Händen um das Handy gekrallt in mein Zimmer. Ich ziehe den Schrank auf und hole mir eine schwarze Jeans und ein einfaches, dunkelblaues Top heraus. Ich ziehe mir einen roten Pullover drüber und lege mich auf das Bett. Jetzt muss ich nur irgendwie vier Stunden totschlagen. 

Allein der Gedanke daran, dass ich Adam wieder sehe bringt ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich weiß nicht, ob er absichtlich mit seinen Lippen meine Mundwinkel berührt hat, aber ich weiß, das etwas zwischen uns passiert ist. Spätestens als er mich aufgefangen hat. Denn seit gestern Abend ist nichts als sein Lächeln in meinem Kopf. Ich kann nur noch an seine gerade Nase und seine blauen Augen denken. An seine leicht gebräunte Haut und die blonden Haare, die ihm ein bisschen gelockt von seinem Kopf abstehen. 

Seufzend lehne ich mich gegen meine Zimmertür und blicke gerade aus, auf unseren Pool, der sich zwanzig mal dreißig Meter unter mir erstreckt. Von meinem Zimmer aus kann man nur einen kleinen Teil sehe, und trotzdem ekelt mich die Protzerei meiner Familie an. Unten im Garten arbeiten drei Angestellte am Rasen. Manchmal habe ich das Gefühl, sie mähen nicht mit einem Rasenmäher sondern mit Scheren. Unser Rasen sieht aus wie der eines gut geführten Golfplatzes. Wahrscheinlich auch, weil meine Eltern so viel Zeit auf dem Golfplatz verbringen, dass sie ihr zweites Zuhause mit dem richtigen verbinden wollen. 

In Gedanken schüttele ich den Kopf. Ich habe mir mal geschworen niemals so zu werden wie sie. Niemals. 

Mein Blick gleitet zu meiner Armbanduhr, die auf meinem Nachttisch liegt. Noch vier Stunden.

Das Schweigen des MeeresWhere stories live. Discover now