27. Sebastian (Planänderung)

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Ich wusste es, Mark hat sich durchgerungen einen Schritt auf Jakobi zuzumachen. Ich habe die Zeichen gesehen. Sein entsetzter Blick, als er die Nähe zwischen Wolf und ihr bemerkt hat. Wie oft er sich durch seine Haare fährt, wenn er ihren Blick auf sich spürt. Und die unruhige Art mit der er mein Packen verfolgt hat. Scheiße. Warum kann ich seinen Bitten so schlecht widerstehen. Aber es ist wirklich schwer zu ertragen, wenn er so enttäuscht ist. Selbst wenn diese Enttäuschung wie jetzt der Situation geschuldet ist und nicht mir persönlich gilt.

Verwirrender ist nur noch dieses verfluchte Stechen in meiner Brust, dass mir das Atmen erschwert und ein Grund mehr ist, warum ich Larissa sehen will. In mir tobt ein wildes, kaum zu zähmendes Tier, dass im Moment heraus und sein Revier markieren will.

Ich weiß schon lange, dass Mark bi ist. Er hat es nie versteckt oder geheim gehalten wie ich und er hatte, seit wir uns kennen, ein paar Beziehungen zu Männern. Doch das hat nie lang gehalten und ja, ich weiß auch, dass das an mir, besser gesagt an seinen Gefühlen für mich gelegen hat. Noch ein ja, mir ist klar, dass er sich in mich verguckt hat und oh ja, ich bin unfair ihm gegenüber, denn ich genieße dieses Wissen einfach zu sehr. Ich bin ein verdammtes Arschloch und ein Hitzkopf. Wenn die Pferde mit mir durchgehen werde ich hundsgemein und meine fiesen Tiefschläge sind dafür gemacht, zu verletzen, genau wie meine Waffe. Zu wissen dass da einer ist, der mich mit all diesen Eigenschaften kennt und mich trotzdem mag, das brauche ich wirklich um nicht völlig durchzudrehen.

Ich setze mich auf meinem Bett und all diese Gedanken überrollen mich, als er sich neben mich setzt und mir mit seiner Hand über den Rücken streicht. Normalerweise mag ich diese sanfte Berührung von ihm. Sie zeigt sein Interesse an mir, und ich wünschte, er könnte all meine Interessen bedienen. Aber jetzt spannt sich jeder Muskel in mir an.

Ich habe schon oft schwache Momente gehabt in denen ich kurz davor war, mich wenigstens auf eine Nacht mit ihm einzulassen, doch es gibt da einen Teil von mir, den er nicht kennt. Der Teil der mit ein Grund ist, dass ich als Frauenhasser verschrien bin. Seit ich Mark kenne, lebe ich diese Seite von mir nur noch mit Frauen aus. Mein Hunger auf einen Mann unterbinde ich kategorisch, vielleicht als eine Art Selbstgeißelung, aber noch mehr, weil ich eigentlich nur ihn will.

Also müssen die Sub-Frauen auf dem Loveboat herhalten und nur wenige kommen wirklich mit mir klar. Die, die es nicht tun, sind der Grund für meinen Ruf als unberechenbares Schwein dem man sich besser nicht anvertraut. Larissa hingegen ist eine der wenigen, die mit mir klar kommt. Sie zu verlieren, weil ich ihr erst so kurzfristig eine Zusage abschwatze und dann wieder absage, nachdem sie womöglich andere Kunden vertröstet hat, ist ein großes Risiko.

Ich bewege mich unter seiner Hand bis sie auf einem besonders schmerzhaften Knoten in meiner Schulter landet und ohne zu zögern beginnt er, ihn zu bearbeiten, was mir ein dankbares Stöhnen entlockt. Ich halte meine Geheimnisse schon solange geheim und ihn in der Freundeszone, damit er sich keine Hoffnungen auf etwas macht, das niemals passieren kann. So lange schon sehe ich zu, wie er sich mit Männern und Frauen verabredet, auf der Suche nach seinem perfekten Partner. Warum also habe ich auf einmal den Wunsch ihn an mich zu reißen und als mein Eigentum zu markieren?

Ich suche in seinen Augen nach einer Antwort auf die Frage, wie wichtig ihm sein Date ist, mache ich mir vor. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Ich will wissen ob das Feuer für mich noch brennt. Forschend suche ich in ihnen nach der Wahrheit und wie immer, wenn ich das tue, kann ich dabei zusehen, wie er sich mir hingibt. Gott, wenn ich nur nicht genau wüsste, dass ich ihn letztlich zerstören würde. Ich liebe es, wie sein Blick Feuer fängt und sich sehnsuchtsvoll auf meine Lippen ausrichtet, doch dann ertappe ich mich selbst dabei auf seinen Mund zu starren. Wenn ich ihn jetzt Küsse, dann war es das mit meinem Geheimnis. Dann weiß er, dass auch ich bi bin. Dann gibt es kein zurück mehr.

Ach, wem mache ich hier was vor. "Mark!" Warne ich ihn ein letztes Mal mit viel zu rauher Stimme. Als es begann und mir sein Interesse an mir das erste Mal klar wurde, dachte ich, dass er sich mit der Zeit entliebt sobald ihm klar wird, dass er mich nicht haben kann. Später als Kommandant fing er an mir immer mehr zu bedeuten und ich wollte ihn für mich behalten. Vielleicht ist es an der Zeit ihn frei zu geben. Vielleicht wird es Zeit, ihm mein wahres Ich zu offenbaren. Aber nicht, ohne ihn wenigstens einmal zu kosten. Ich lehne mich vor und beobachte ihn genau. Ich kann sehen, wie es hinter seinen hübschen Stirn arbeitet, wie er mit sich und seinen Gefühlen für mich kämpft. Ja, es ist Zeit. "Mark, du denkst zu viel." Eine Sekunde, zwei, fünf, er kommt mir fast unmerklich entgegen, gibt mir das Signal das ich benötige um meine letzte Hürde zu überspringen. Ich spüre seine Lippen bereits nah an meinen, obwohl sie sich noch nicht berühren, da klopft es.

"Kommandant?" Die Stimme ist nicht schwer zuzuordnen, denn sie ist die einzig weibliche Stimme, die es in diesem Stützpunkt gibt. "Oh mein Gott, Sam!" Mein Freund erstarrt kurz während er aus der Trance erwacht, in die meine Blicke ihn versetzt haben und ich sehe bereits die Anzeichen für einen Rückzug. Doch mein Tier ist wach und nicht einverstanden.

"Oh nein, so nicht!" Knurre ich ihn an während meine Hand vorschnellt und sich in seinen Nacken legt. Ich habe große Hände und er einen zierlichen, langen Hals, der perfekt hinein passt. "Still gestanden, Jakobi!" Rufe ich laut, während ich ihn an Ort und Stelle halte und ihn keine Sekunde aus den Augen lasse. Seine sind vor Überraschung geweitet doch er wehrt sich nicht, als ich ihn zu mir ziehe und meine Lippen auf seine prese. Einen Moment warte ich, ob er sich zurück zu ziehen versucht, doch das Gegenteil ist der Fall und eine unglaubliche Euphorie durchströmt meinen Körper als ich spüre, wie er sich meinem Kuss hingibt und mit macht. Er will mich noch immer, obwohl sie draußen steht, lässt er sich auf mich ein. Etwas auf das er sicher ebenso lang gewartet hat wie ich, doch wenn er schon in sie verliebt wäre würde er sich doch jetzt sträuben, oder?

Welche Beweggründe ihn auch immer antreiben, ich habe vor es auszukosten. Vielleicht ist es nicht nur der erste sondern auch der einzige Kuss den wir teilen und falls es so ist, soll er wenigstens unvergesslich sein. Gierig sauge ich seine Unterlippe ein, knabbere an ihr und entlocke ihm ein leises Seufzen. Forsch dränge ich dann meine Zunge zwischen seine Lippen und er gibt meiner Forderung um Einlass augenblicklich nach. Ich kann nicht beschreiben wie befriedigend es ist, wenn sich jemand mir so anvertraut und einfach meiner Führung folgt und wie es aussieht lohnt es sich durchaus auch für ihn. Er zittert regelrecht in meinem Griff, obwohl ich mich mit meiner 2. Hand bewusst auf meinem Oberschenkel abstütze, um ihn nicht noch mehr zu bedrängen oder gar komplett an mich zu ziehen.

Er lässt mir meinen Willen, erwidert meinen Kuss voller Leidenschaft und verfällt wieder in diesen Trance ähnlichen Zustand. Womöglich hält er das hier nur für einen Traum. Diese Vorstellung lässt mich Schmunzeln und bringt mich selbst zurück in die Realität. Ganz langsam löse ich meine Zunge von seiner, ziehe mich aus seiner Mundhöhle zurück lecke ihm noch einmal über die Lippen als ob ich sie damit versiegeln könnte und beende den Kuß schließlich mit einer letzten, sanften Berührung unserer geschlossenen Lippen.

Er hat sich die ganze Zeit nicht gerührt. Außer seinen Lippen und seiner Zunge hat er einfach nur still gehalten, die eine Hand auf meiner Schulter ruhend, die andere neben sich an den Bettrahmen gekrallt sitzt er da und starrt mich ungläubig an. Ich lasse seinen Nacken los nach dem ich ihn kurz massiert habe und stehe auf, um zur Tür zu gehen und zu sehen, was Jakobi will. Ich fühle mich in diesem Augenblick so unglaublich stark und mächtig.

Dieser Kuss war so viel besser als ich je erwartet hätte und Mark so hingebungsvoll dass ich für einen Moment vergessen konnte, was uns trennt. Hätte ich wirklich ein wildes Tier in mir, würde es jetzt vermutlich schnurren. Dieser Gedanke entlockt mir ein weiteres Schmunzeln."Seb?" Ich drehe mich an der Tür noch einmal zu ihm um und mein Schmunzeln verwandelt sich bei seinem unsicheren Blick in ein sanftes Lächeln. "Ich weiß, wir müssen reden. Aber dafür brauchen wir mehr Zeit. Lass uns erst einmal sehen was Jakobi will, okay?"

Er seufzt und nickt, dann versucht er sich zu sammeln und mit einen tiefen Atemzug zu beruhigen, wärend ich mich wieder zur Tür drehe und sie öffne. Jetzt nur nichts anmerken lassen, denn auch wenn ich die Zuneigung meines Freundes gerne behalten möchte habe ich dennoch nicht vor seine Versuche bei Jakobi zu unterbinden. Als mir das klar wird schüttel ich über mich selbst verwundert der Kopf. Schließlich schenke ich meine Aufmerksamkeit der Frau vor meiner Tür.

Die Scharfschützin ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt