Stelle dir doch mal vor...

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Stelle dir für eine Sekunde eine Szenerie vor, von der ich dir jetzt einmal erzähle. 

Bloß für einen Augenblick. Du stehst jetzt in einem Tunnel. Keine genaueren Details, keine richtigen Angaben, was für ein Tunnel es ist, aber es ist dunkel. Du hast keinerlei Orientierung, weißt nicht wo du bist, woher du kamst, wie du in diesem Tunnel geraten bist. Egal, was dich in diesen Tunnel geführt hat, alleine dein purer Lebensinstinkt würde dich nach einer Weile dazu veranlassen, deine Gegend zu erkunden und die ersten Schritte zu gehen. Am Anfang hast du vielleicht Angst, du bist verunsichert und nimmst zunächst zögernde, behutsame Schritte. Doch nach einer Weile wird dein Stand fester, deine Richtung entschlossener, du willst vielleicht raus, oder mehr von diesem Tunnel sehen, es ist belanglos an diesem Punkt. Was zählt, ist, dass du vorangehst. Man folgt einem Weg, welcher genau das ist, das muss jeder für sich entscheiden. Denn anhand von vergangenen Erfahrungen kann man diesen Moment nicht beurteilen. Du kannst nicht sagen: „Ich habe schlechte Erfahrungen in Tunneln, Dunkelheit und unsicheren Umgebungen gemacht, also suche ich schleunigst hinaus", oder: „Ich habe aus Erfahrung gelernt, dass unbekannte Gegenden etwas Positives mitbringen können, also schaue ich mich nach neuen Lebenserfahrungen und Abenteuern um". Diese Werte hast du an diesem Punkt nicht. All diese Lebensweisheiten, die dich gerade durch dein Leben bringen, sind fort, und dich treiben alte Geister nicht mehr an. Dein Rucksack, welchen du gedanklich jeden Tag mit trägst, ist leer. Keine Gedanken über Situationen, die sich ängstlich, panisch oder sogar wütend gemacht haben. Aber auch genauso keine positiven Beispiele, welche dein Leben bereichert haben. Du stehst in diesem Tunnel, ohne irgendeine Hilfslinie im Kopf, die dir den Weg vorgibt, die dich zwingt, zu handeln.

Du alleine stehst in diesem Tunnel. Als Mensch. Als Lebewesen ohne den Geist, der den Menschen so von anderen Lebewesen unterscheidet.

Wie handelst du?

Ganz einfach. Du weißt es nicht. Jede deiner Antworten würde sich auf Erfahrungswerte beruhen, egal, wie sehr du zu versuchen glaubst, deine Last auf den Schultern loszuwerden.

Ich zum Beispiel würde am Ehesten einen Ausweg finden wollen. Dabei würde eine Seite in mir gerne in Verzweiflung geraten und all diese negativen Gefühle zulassen, die mich gerne mal aufgefressen haben, als ich im Dunkeln alleine mit mir selbst war. Weil nicht die Dunkelheit der Feind war, sondern ich selbst, und die Dunkelheit war nur ein Auslöser dieses Karussells voller hasserfüllter und schmerzhafter Gedanken.

Ein anderer Teil in mir würde sich durch diese neue Situation herausgefordert fühlen. Ich sehe mich in diesem dunklen Tunnel zielstrebig auf und ab laufen, auf der Suche nach einer Struktur, einem Weg, einer Richtung, der ich irgendwie folgen könnte.

Aber das sind alles Taten, die ich nur treffen würde, weil der Rucksack es mir so vorleben würde.

Für was würde ich mich entscheiden?

Und damit meine ich wirklich mich? Mein Kern? Was würde dein Wesenskern in solch einem Moment tun? Schlummert in dir eine Unsicherheit, die durch Ballast weggedrückt wird, welche du tagtäglich übertünchst? Wartet in dir ein lebenslustiger Kern, welcher nur nach solch einer Erfahrung im Tunnel dürstet?

Die Antwort bleibt bei jeder dieser Antworten gleich. Du weißt es nicht. Und wirst es wahrscheinlich in deinem Leben niemals erfahren. 

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⏰ Last updated: Apr 10, 2020 ⏰

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Leben ohne VergangenheitWhere stories live. Discover now