Explodierende Kissen

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Die nächsten Tage verstrichen wie im Flug. Entweder machte er sich Gedanken über das Treiben von Bellatrix und den anderen Todessern oder er dachte an sie. Miss Granger verdrehte ihm den Kopf jedes Mal, wenn er sie zu Gesicht bekam. In den Unterrichtsstunden war sie natürlich wie immer die Fleißigste. Ihre Geschicklichkeit bei der Zubereitung der Tränke beeindruckte ihn jedes Mal aufs neue. Wenn sie ihm dann noch in die Augen blickte, wenn er neben ihr stand... Diese braunen Augen... Ob es ihr auffiel, dass er öfter neben ihr stand, als neben allen anderen? Nein, dachte er bei sich. Sie wird sich darüber keine Gedanken machen. Mit solchen Gedanken wurde seine Laune natürlich nicht besser. Seine Stimmung war sowieso schon durch die Geschehnisse getrübt, deswegen durfte er seine Gedanken nicht an sie verschwenden. Aber er verschwendete sie ja nicht wirklich... Und dann begegnete er ihr wieder im Flur oder in irgendeinem Gang. Ihm war aufgefallen, dass sie leicht errötete, wenn sich ihre Blicke trafen. Glaubte er zumindest. Dann sagte sie mit ihrer zarten aber energischen Stimme: "Guten Tag, Professor Snape", schaute ihm in die Augen und ging an ihm vorbei. Oh, er würde diese Stimme gerne öfter hören. Ob sie immer so energisch klang? Er schloss die Augen und atmete tief durch. Dann riss er sich wieder zusammen.
Er schritt weiter durch den Gang, als er plötzlich einen lauten Knall aus einem der Klassenräume vor ihm hörte. Sofort zückte er seinen Zauberstab, schritt zu der Tür des Klassenraums, aus dem der Krach zu hören war und riss sie auf. Auf dem Boden waren Kisten verteilt und lagen kreuz und quer im Raum herum. Vor einem Regal war ein Berg aus Kisten und ausgestopften Tieren, der sich zu bewegen schien. Ein Haarschopf guckte heraus, dann erhob sich der ganze Kopf heraus und sofort eilte er ihr zu Hilfe. Was trieb Miss Granger hier, fragte er sich, während er ihr unter den Trümmern hervor half. Ein Stöhnen entfuhr ihr, als sie sich neben ihn stellte. "Danke", sagte sie und zog ihre Ärmel gerade. Er unterdrückte ein Schmunzeln, zog seinen Zauberstab und lies die Sachen wieder ins Regal verschwinden.
Als er fertig war, wandte er sich an Miss Granger. Ihr standen die Haare ab und ihr Gesicht war gerötet. Anscheinend war ihr das hier alles ziemlich peinlich. „Warten Sie, Sie haben da noch ...", setzte er an und ohne darüber nachzudenken, zog er eine verirrte Feder aus ihrem Haar. Miss Granger schien die Luft angehalten zu haben. Er richtete seinen Zauberstab auf die Feder und lies sie los. Beide schauten der Feder hinterher, während sie zurück an ihren Platz flog. Dann räusperte er sich. „Miss Granger, was haben Sie hier zu suchen und warum haben Sie hier so eine Unordnung angestellt?", fragte er sie und richtete seinen Blick auf sie. Miss Granger war immer noch peinlich berührt, straffte dann aber die Schultern und blickte ihn an. „Professor McGonagall hatte mir die Erlaubnis erteilt, in diesem Klassenzimmer die Zauber aus den Unterrichtsstunden zu üben. Ich wollte den einen Fluch aus Verteidigung gegen die dunklen Künste anwenden. Der ist aber zurückgeprallt und dann gegen das Regal. Was er bewirkt hat, war nicht wirklich erwünscht..", redete sie drauf los. Selbst wenn sie keinen Unterricht hatte, konnte sie nicht still sitzen. Als sie geendete hatte, schaute sie ihn mit großen Augen an. Was erwartete sie jetzt von ihm? Eine Zurechtweisung? Dass er sie aus dem Klassenraum schmiss? Oder, dass er sie einfach wieder allein lies?

Ausgerechnet DAS musste er mitbekommen. Am liebsten hätte sie sich mit der Hand vor die Stirn gehauen, aber dadurch wäre die Situation auch nicht besser geworden. An dem Zauberspruch übte sie schon so lange, doch er wollte ihr einfach nicht gelingen! Jetzt stand sie hier neben Professor Snape und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Was er jetzt wohl über sie dachte... wie wenig Gehirn wohl in ihr drin war? Bestimmt so etwas. Das was als Nächstes kam, hatte sie auf jeden Fall nicht erwartet. Seine raue, tiefe Stimme erklang und eine Gänsehaut machte sich auf ihr breit. Verwirrt schaute sie ihn an. „Sie wollen... was?" Hatte sie ihn gerade richtig verstanden? Als könnte er ihre Gedanken lesen, fuhr er fort. „Ja, Miss Granger, ich habe ihnen gerade meine Hilfe angeboten. Ich kenne mich, wie sie vermutlich wissen, in Verteidigung gegen die dunklen Künste aus. Somit würde ich ihnen raten, meine Hilfe anzunehmen. Außer Sie möchten lieber noch ein paar weitere Regale leeren. Dann könnte ich Ihnen auch den Zauberspruch zeigen, mit dem Sie alles wieder aufräumen können.", sagte er. War das ein Grinsen auf seinem Gesicht? Ja, ein leichtes Schmunzeln lag auf seinen Lippen. Machte er sich gerade über sie lustig? Sie musste zugeben, dass das Lächeln, auch wenn es sehr zaghaft war, ihn noch attraktiver machte. „Ok, Professor Snape. Aber ich warne Sie gleich. Ich habe diesen Spruch schon so oft probiert", fing sie an und merkte, wie doof sie sich anhörten musste. Also brach sie ab mit ihrem Einwand. Professor Snape blickte sie noch einen weiteren Augenblick an, dann streifte er sich seinen Umhang ab und trat an ihre Seite. „Sie müssen den Spruch deutlich aussprechen, sonst kann alles mögliche passieren. Also probieren Sie es", sagte er, als er sie anblickte. Ist das sein Ernst? „Haben Sie ein Problem, Miss Granger? Sie können es auch gerne weiter auf Ihre Art machen, aber das scheint ja nicht geklappt zu haben", fuhr er fort und zog eine Augenbraue hoch. Neckte er sie gerade? Das gibt es doch gar nicht! Er trat von ihr weg. Mit einem Seufzen wiederholten sie den Spruch ein paar Mal, bis Professor Snape davon überzeugt war, dass nichts katastrophales mehr passieren könnte. Sehr hilfreich, dachte sie sich.
Er kam wieder auf sie zu, näher als davor. Das Kribbeln in ihrem Körper verstärkte sich. „Füße schulterbreit auseinander. Blick nach vorn. Ihre Hüfte muss stabil sein", sagte er und legte seine Hände währenddessen auf ihre Hüfte. Ihr Magen zog sich zusammen und sie hatte das Gefühl, dass ihr Atem schneller ging. Hoffentlich merkt er es nicht, dachte sie bei sich. Seine Hände ruhten weiterhin auf ihrer Hüfte. Er drehte sie leicht und lies sie wieder los. Es war, als würde etwas fehlen.
Mit einem Wink seines Zauberstabes platzierte er ein Kissen auf der anderen Seite des Raums. „So probieren Sie es, Miss Granger. Sie müssen sich auf das Ziel konzentrieren und dann sprechen Sie den Zauber laut aus." Wenn das nur so einfach wäre.. Sie richtete ihren Zauberstab auf das Kissen und sprach den Spruch. Ob er sie wohl für schlecht hielt, dachte sie gerade, als das Kissen vor ihr auf einmal anfing zu qualmen und sich dann in eine braune Flüssigkeit verwandelte. Entsetzt starrte sie das Kissen an. Wie hatte sie denn das geschafft, fragte sie sich, als sie ein Lachen hörte. Sie drehte sich zu Professor Snape um, der gerade versuchte, sich zusammenzureißen. „Miss Granger, ich glaube nicht, dass das der Sinn des Zauberspruches ist. Ja, das Kissen wird wohl nicht mehr als Kissen zu benutzen sein. Doch der Sinn des Zauberspruches ist ein anderer!", sagte er zu ihr. Er war schlagartig wieder ernst geworden, nachdem sie sich umgedreht hatte.

Kurz verengte sie ihre Augen misstrauisch, dann richtete sie ihren Blick wieder auf das Kissen. Es war wieder komplett normal. „Und nochmal, Miss Granger", ertönte die Stimme von Professor Snape, welche entschlossen, aber auch zuversichtlich klang.
Sie atmete einmal tief ein und wieder aus. Dann stellte sie sich stabil hin und richtete ihren Zauberstab auf das Kissen. Ihre ganze Konzentration lag auf dem Kissen und dem, was sie damit machen wollte. Mit lauter und fester Stimme sprach sie den Spruch aus und mit einem lauten Knall explodierte das Kissen. Alles was von ihm übrig blieb, war eine dunkle Rauchfahne.
Überrascht und zufrieden riss sie die Arme hoch und genauso schnell wieder runter. In dem kurzen Moment hatte sie ganz vergessen, dass Professor Snape ja auch im Raum war. Begeistert drehte sie sich zu ihm um. Da war wieder das Grinsen. „Das war gar nicht schlecht, Miss Granger", sagte er. Nicht schlecht? Sie hatte das Kissen so sehr explodieren lassen, wie es nur möglich war! Nicht schlecht? Tttz... Professor Snape schien wieder genau zu wissen was sie dachte. „Nun, nur, weil Sie es einmal geschafft haben, können Sie es noch nicht. Los, nächstes Kissen!"
Und somit ging es weiter. Sie ließ unzählige Kissen explodieren und schaffte es jedes Mal.
Die Zeit schritt voran und draußen wurde es immer dunkler. Als sie ihr letztes Kissen explodieren ließ, war die Sonne komplett verschwunden. „Ich glaube, Sie haben heute genug Kissen kaputt gemacht, Miss Granger", sagte Professor Snape, nachdem es ein letztes Mal geknallt hatte. Erschöpft aber glücklich drehte sie sich zu ihm um.
Ihr Haar war wirr, doch das störte ihn überhaupt nicht, denn ihre Augen glitzerten. Sie strahlten so eine Zufriedenheit aus, dass er selber lächeln musste. Was stellte sie nur mit ihm an? „Ach Professor Snape... vielen Dank für Ihre Hilfe", fing Miss Granger an und trat einen Schritt auf ihn zu. „Manchmal muss Schülern geholfen werden, selbst wenn sie aus dem Haus Gryffindor kommen, Miss Granger", sagte er und machte auch einen Schritt auf sie zu. „Das stimmt", sagte sie und ihr Lächeln strahlte noch mehr. „Aber gerade deswegen hätten Sie mir nicht helfen müssen, Professor." Sie trat noch näher an ihn ran. Er blickte tief in ihre wunderschönen braunen Augen, die ihn geradezu anstrahlten. „Ach Miss Granger", fing er an, doch es gab nichts, was er hätte sagen können. Also hob er seine Hand an ihr Kinn, hob es an und beugte sich zu ihr hinab. Seine Lippen trafen auf ihre. Das Kribbeln in seinem Inneren explodierte, als sie seinen Kuss erwiderte. Sie legte eine Hand an seine Brust und die andere um seinen Hals. Er legte die andere Hand auf ihren Rücken und zog sie näher zu sich heran. Ihre Lippen waren so zart. Ein leichter Duft nach Lavendel streifte seine Nase. Dieser Moment hätte endlos sein können, dachte er, als sie sich von einander lösten. Stille trat ein, während sie sich gegenseitig in die Augen blickten.

Eine ungewöhnliche Entwicklung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt