Du (mit mir)

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»Ich würde dann nochmal hoch gehen, um Schlafsachen und so zu holen«, sagst du, während ich nochmal alle Batterien der Taschenlampen überprüfe. Noch funktionierte der Strom, aber wir wollten nicht das Risiko eingehen und später plötzlich im Dunkeln zu sitzen.

»Ah, stimmt, mach das.« Ich lege die letzte Taschenlampe ab. Auch wenn es irgendwann mehr als klar gewesen ist, dass wir tatsächlich bis zum Ende zusammenbleiben würden, hatte ich vollkommen vergessen, dass damit keiner von uns beiden gerechnet hätte.

»Du kannst mitkommen, wenn du willst?« Du siehst mich fragend an.

Ehrlicherweise bin ich neugierig, wie deine Wohnung aussieht, also bejahe ich und wir machen uns kurz darauf auf den Weg in den dritten Stock.

»Irgendwie ist es schon verdammt gruselig, wie still es hier ist«, murmele ich ins leere Treppenhaus hinein.

Du nickst zustimmend. »Ich wette die ganzen reichen Leute verstecken sich gerade in irgendwelchen Bunkern oder so.«

»Würdest du?«

»Was?«

»Dich verstecken wollen.«

Mittlerweile waren wir vor deiner Wohnungstür angekommen und du steckst gerade den Schlüssel ins Loch.

»Ich glaub nicht«, antwortest du, »ich meine, wenn der Planet nicht eh komplett draufgeht, wird er zumindest kaum bewohnbar sein. Also ich verrecke lieber hier, als irgendwo mit einem Haufen egoistischer Arschlöcher oder so eingesperrt zu sein. Und dann fangen die doch sowieso an sich gegenseitig umzubringen, weil die Ressourcen knapp werden.«

Mit diesen Worten machst du die Tür auf und ich folge dir ins Innere.

Im ersten Moment fühlt es sich komisch an, eine Wohnung zu betreten, die genau so geschnitten ist wie meine. Gleichzeitig könnten sie wahrscheinlich nicht unterschiedlicher sein.

Während meine Mitbewohnerin gefühlt einen Wald aus jedem Raum machen wollte und ich schnell mal alles ins Chaos versinken ließ, sieht es bei dir sehr schlicht und ordentlich aus. Bisschen so, als hätte jemand einfach ein IKEA-Gesamtpaket bestellt und danach nichts mehr geändert.

Aber ich erinnere mich daran, wie du meintest, dass du früher nicht oft zu Hause warst. Vielleicht sieht so eine Wohnung einfach aus, wenn man nicht wirklich in ihr lebt.

»Warum hast du eigentlich vorhin Briefe geholt?«, fällt mir auf einmal wieder ein.

»Äh...« Du greifst dir an den Nacken. »Ich war irgendwie neugierig, wie die Welt weitergegangen wäre, wenn sie nicht untergehen würde. Das klingt echt dumm, oder?«

Ich lache. »Nein, überhaupt nicht. Und, wie wäre sie weitergegangen?«

»Ich hätte mir eine geile Jeans bestellt, hab voll den guten Gutschein bekommen«, sagst du und siehst tatsächlich so aus, als würdest du um die vergeudete Chance trauern.

Ich bleibe unschlüssig im Türrahmen stehen, der ans Schlafzimmer angrenzt, während du zu deinem Schrank gehst, diesen öffnest und anfängst darin herumzukramen.

»Was ist das?«, frage ich, als meine Aufmerksamkeit auf eine Stange mit verschiedenen Stoffen fällt.

Du guckst über deine Schulter zu mir zurück, bevor dein Blick meinem ausgestreckten Finger folgt.

»Das? Sind ein paar Kostüme. Für Drehs oder Aufführungen, die ein bisschen extra waren«, erklärst du.

»Ah, cool.« Ich muss an das Video von vorhin denken und bin froh, dass du dich wieder von mir abgewendet hast und nicht die Verlegenheit siehst, die ich in meinen Gesicht spüren kann.

Bis zum Ende der WeltWhere stories live. Discover now