Vulkandrache

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Mir war warm. Meine Haut brannte und mein Kopf pochte vor Hitze. Mein Trinkschlauch war leer, dennoch versuchte ich den letzten Tropfen auf die ausgetrockneten Lippen zu träufeln. Aber auch Erschöpfung quälte mich. Seit drei Tagen marschierte ich ohne Pause und kletterte diesen Berg rauf. Und das nur für einen Schatz, von dem ich noch nicht einmal wusste, ob er da war. Ich hatte nur eine Vermutung und Hoffnung. Ich brauchte ihn. Dringend.

Meine Sicht verschlechterte sich, ein Zeichen dafür, dass mein Ziel nah war. Der dichte, schwarze Rauch brannte in meinen Augen. Ich verkleinerte meine Schritte und tastete mich langsam voran. Weit konnte es nicht mehr sein. Nur noch ein paar Meter.

In diesem Augenblick erreichte ich sie, die Kante. Die Hitze stieg noch weiter an. Ich sollte mich beeilen. Nicht mehr lange und der Vulkan würde ausbrechen. Die Lava brodelte, bereitete sich darauf vor empor zu steigen.

„Bitte, bitte, bitte! Sei da!", flehte ich suchend. Der Rauch machte es mir nicht einfach. Irgendwo musste er sein. Der Schatz.

Da war er. Auf einer Gesteinsplatte, die wie eine Insel in der Lava trieb. Schnell schaute ich mich um, kundschaftete einen Weg nach unten aus. Ein riskanter Weg, aber ich musste es versuchen. Es stand zu viel auf dem Spiel. In weiser Voraussicht hatte ich ein Seil mitgenommen. Hoffentlich hielt es dieser Hitze stand. Ich knotete es an einen spitzen Vorsprung und zog kräftig daran. Auf den ersten Blick schien es zu halten.

Ganz vorsichtig hangelte ich mich von einem Vorsprung zum anderen. Je näher ich dem Schatz kam, desto wärmer wurde es. Ich hielt es kaum noch aus. Am liebsten hätte ich mir meine Kleider vom Leib gerissen. Ebenfalls wurde die Luft immer dünner und das Atmen fiel mir schwer. Aber an Aufgeben war nicht zu denken. Mein Ziel im Visier kämpfte ich mich weiter voran. Ich war so erleichtert, als ich die Plattform erreichte. Jetzt gab es nur noch eins zu hoffen: Dass der Schatz auch das war, wofür ich ihn hielt. Ich hob den Wassermelonen großen Stein mit beiden Händen hoch. Man würde meinen er wäre sehr schwer, doch er wog gerade mal so viel wie eine gewöhnliche Katze.

Die Oberfläche war rau und schwarz, wie das Lavagestein um mich herum. Ich packte den Stein in einen Beutel und schulterte ihn. Dann nahm ich das Seil und kletterte auf dem gleichen Weg wie vorher aus dem Krater.

Der Abstieg dauerte nicht einmal halb so lange wie rauf. Unten im Tal legte ich eine Rast ein, um den Stein genauer zu untersuchen. Ich legte ihn ins grüne Gras und strich darüber. Er war noch warm, wie ein lebender Körper. Ich zog meinen Dolch aus dem Gürtel und kratzte damit über den Stein. Es dauerte eine Weile, doch nach und nach löste sich das schwarze Gestein und ein goldener Schein wurde erkennbar. Am liebsten wäre ich vor Freude in die Luft gesprungen, laut jubelnd und jauchzend. Aber ich musste vorsichtig sein. In den umliegenden Wäldern gab es Räuber, die besser nicht erfahren sollten, welche Entdeckung ich gemacht hatte. Ich konnte es immer noch nicht fassen, ich hatte tatsächlich eins gefunden. Ein Drachen-Ei!

Ich rannte in Richtung meines Dorfes. Meine Sorgen hatten bald ein Ende. Ich malte mir schon aus, was ich für das Ei verlangen konnte. Ein hoher Wert käme mir zugute.

Es war später Morgen als ich ankam. Eigentlich hätte ich erschöpft sein sollen, aber ich befand mich in einem Hochgefühl. Ich schlängelte mich durch die Leute, die mit ihrem Tagewerk beschäftigt waren. Hin und wieder begrüßte ich einen Nachbarn oder nickte Bekannten zu. Die ganze Zeit überlegte ich, bei wem ich das Ei verkaufen konnte. Am besten wäre ein fahrender Händler, der bezahlte besser als ein Einheimischer, da er in Städten einen besseren Preis verlangen konnte. Sie kamen leider nur selten ins Dorf und heute hatte ich kein Glück. Schade!

Plötzlich fiel mir jemand von hinten um den Hals. „San, wo hast du dich rumgetrieben?"

Es gab nur eine Person, die mich so nannte. Ich hasste diesen Spitznamen. Dabei war Sanya doch schon kurz genug. „Marla!", sagte ich und schüttelte das Mädchen ab. Ich zog sie in eine unbelebte Gasse und hielt ihr den Beutel unter die Nase.

VulkandracheWhere stories live. Discover now