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Heute bin ich eben ausnahmsweise mal vor Pearl da, da ich Nash irgendwie doch nicht so lange da haben wollte und nun beginne ich erstmal alle Stühle wieder von den Tischen herunter zu holen und die übliche Sitzordnung herzustellen.
Ein Blick in den Kalender verrät mir, dass sich für heute eine Gruppe mit 12 Leuten angekündigt hat. Ich sortiere die Tische also neu und stelle eine lange Tafel auf. Ein Windstos fegt in den Raum und mir wehen einige Haarsträhnen in die Augen. Ich weiß augenblicklich, ohne mich umzudrehen, dass Pearl gerade eingetoffen ist. Lächelnd drehe ich mich zu ihr um und will sie gerade begrüßen, als sie anfängt schnell vor sich hin zu sprechen.

,,Entschuldige! Ich konnte nur nicht widerstehen und habe mir mal wieder so ein Modemagazin gekauft. Ich konnte mich nur nicht entscheiden und deshalb hat es länger gedauert. Es ist ja aber zum Glück noch niemand da."

Sie stoppt und guckt auf die Uhr über der Küchenzeile. Wahrscheinlich erkennt sie gerade, dass sie gar nicht zu spät dran ist.

,,Du bist zu früh, Gavin."

,,Ich war halt Zuhause schon fertig."

Ich zucke beiläufig mit den Schultern und gucke nochmal durch das Café. Alles ist an seinem Platz und wir sind für den Anstrum gewappnet. Pearl seufzt und klatscht ihre Zeitung auf den Thresen. Noch haben wir offiziell 10 Minuten geschlossen und diese Zeit will sie wohl dadurch füllen, dass sie die Zeitung und die darin enthaltenen Bilder anschaut und kommentiert.
An Pearl ist eine solche Modebegeisterung verloren gegangen, die einem Designer gut tun würde. Sie ist zu arm, um sich die ganzen extravaganten Kleider und Jacken zu kaufen, die ihr überhaupt gefallen würden. Das Mädchen spart all ihr Geld, um sich dann ein Teil leisten zu können. Fion und ich haben ihr schon oft angeboten einfach einen Teil der Summe vorzustrecken, denn Pearl ist, trotz ihrer eher schlechten finanziellen Lage, sehr genau was Geldschulden betrifft. Meistens müssen wir sie allerdings gar nicht erst einladen oder für sie bezahlen, da sie durch ihre Rechenkünste immer im Rahmen ihres Geldbeutels bleiben kann.

,,Schau dir das Bild dieser Werbung mal an. Ist das nicht das Mädchen, mit dem du diesen intensiven Blickkontakt hattest?"

Ich ergreife das Modemagazin und starre in kalte graue Augen mit braunen Locken. Das ist eindeutig Nash, die freundlich lächelnd mit einer Brille auf der Nase für den Optiker um die Ecke wirbt. Ich erkenne sie sofort und das hätte ich wahrscheinlich auch ohne das Wissen, dass sie bei einem Optiker arbeitet geschafft.

,,Ja, das müsste sie sein."

Hat sie deshalb so komisch darauf reagiert, als ich das Modeln angesprochen habe? Ist es ihr peinlich, dass sie ein Werbegesicht ist? Denkt sie vielleicht, dass ich nun denke, dass sie bloß ein schönes Püppchen ist ohne Hirn und Verstand? Ach sicher nicht, ich bin zu egozentrisch. Nashs Leben dreht sich nicht um mich und sie denkt auch ganz bestimmt gar nicht mehr an mich. Wieso sollte sie auch? Ich bin ein Niemand, der draußen im alten Forsthaus seine kleine heile Welt aufgebaut hat und sich manchmal ganz bewusst von aller Zivilisation isoliert. Jemand wie sie ist weltoffen. Sie braucht das Pulsieren der Stadt um sich und keine stille Natur mit einem Einsiedler. Ich war ein Zeitvertreib. Das Mittel zum Zweck wie ich es anfänglich schon vermutet hatte, mehr war da nicht.

,,Naja, also so unfassbar hübsch ist die jetzt auch nicht."

Pearl hat Recht. In den Sachen ist Nash wirklich nicht schön. Ihre Haut wirkt farblos durch den dunkelroten Lippenstift. Ihre Haare wurden wahrscheinlich zurückgesteckt, denn nur eine Strähne umspielt ihr Kinn. Sie lächelt nicht mal ehrlich. Ich seufze, weil ich weiß, dass sie ohne das Makeup das schönste Mädchen ist, das ich je gesehen habe und dieses Wissen tut weh. Pearl muss das nur nicht unbedingt wissen, sonst macht sie sich noch mehr Sorgen und hat keine Freude an dem Magazin, obwohl es für sie jedes Mal etwas besonderes ist darin zu stöbern. Diesen Moment möchte ich nicht zerstören wegen einer kleinen Werbeanzeige.

,,Du müsstest dich auch mal bewerben. Die würden dich mit Handkuss nehmen, Gavin."

,,Ich hab mit soetwas nichts am Hut und das weißt du auch."

Ich blicke Nash nochmal in das glänzende Gesicht. Es ist dumm daraus ablesen zu wollen, dass ihre Augen stumm mach Hilfe rufen, nur weil ich gerne der Retter in der glänzenden Rüstung wäre. Das ist ganz besonders dämlich. Ich drehe mich weg. Keine weitere Sekunde kann ich diesem Blick standhalten. Dieser Ausdruck in ihren Augen, der weder verletzlich noch verloren aussieht, verhöhnt mich geradewegs. Er spricht mich quasi mit ihrer Stimme an und lacht: 'Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich mit dir abgeben würde. Du bist so herrlich naiv und du tust was ich will, sobald ich dich darum bitte, Vin. Wir beide wissen das. Ich habe dich komplett in der Hand'. Die aufkommende Wut ist so stark, dass meine Hände beginnen zu zittern und ich muss mich regelrecht dazu zwingen die Zeitung nicht in Stücke zu reißen. Ich werde nicht mit mir spielen lassen. Ich habe die erste Runde verloren, das muss mir als Warnung reichen. Was immer Nash für ein Spiel spielt, ich stelle mich freiwillig an den Rand und werde ganz sicher kein Spielball irgendwelcher Launen und Ideen.

vollendungUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum