3.16: real chaos makes no noise

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Der angenehme Wind des frühen Morgens ließ die bewachsenen Zweige der hohen Baumkronen leise rascheln, während ihre aufgeheizte Haut sanft gekühlt wurde. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen; genoss die erfrischende Luft und den Duft des warmen Sommerregens, welcher in der Nacht zuvor noch strömend gefallen war.

Einen Augenblick lang fühlte sie sich in ihre Kindheit zurückgesetzt. Erinnerte sich an die vielen Stunden, die sie mit all den anderen Mädchen im Wald verbracht hatte, während sie gemeinsam so lange laufen mussten, bis ihre aller Füße blutig waren. An die sonnigen Frühlingstage, wenn sich der eisige Winter endlich dem Ende zugeneigt und nun dem drohenden, unerträglich heißen Sommer Platz gemacht hatte.

Es waren die wenigen Tage in eben dieser Übergangsphase, wenn der Wald langsam erwachte und die Natur in all ihren Farben erblühten, an die sie sich gerne erinnerte. An denen sie es so genossen hatte, Stunde um Stunde im Wald zu verbringen; fernab von den einengenden, grauen Wänden der Akademie, die sie den gesamten Winter lang anstarren musste.

Denn es gab kaum ein besseres Gefühl, als wenn einen die ersten wärmenden Strahlen der Frühlingssonne nach einem unerträglich langen, eisigkalten Winter erwarteten. Die Wärme in ihren ansonsten so durchgefrorenen, steifen Knochen zu spüren. Den Duft des Waldes nach einer langen Regenschauer einzuatmen.

In diesen seltenen, friedlichen Zeiten hatte sie sich oft gefragt, wie es wäre, ein in den Zweigen singender Vogel zu sein. Ein kleines Vögelchen, welches nur mit den Flügeln schlagen musste, um die weite Welt fernab des scheinbar endlosen Waldes entdecken zu können. Welches frei war von jeglichen Zwängen der Welt.

Doch spätestens dann, wenn eben diese freien Tiere von den treffsicheren Kugeln der vielen Mädchen getroffen wurden, erinnerte sie sich daran, dass niemand in dieser Welt frei von Zwängen war.

Denn es gab immer jemanden, der über einen stand. Jemanden, der das Leben von einem selbst in der Hand hielt – zerbrechlich und so verletzbar, als wäre man selbst eben nicht mehr als ein kleiner, hilfloser Vogel.

Etwas, was Ivana nie in ihrem Leben sein wollte.


Ein übertrieben lautes Stöhnen riss sie aus ihren Erinnerungen.

Vor sich sah sie nicht mehr den scheinbar endlosen Nadelwald, sondern den durchnässten Sandpfand, welcher sie an dem weiten, glitzernden See entlangführte und den sie nach so vielen Wochen bereits auswendig kannte. Es waren nicht mehr als ein oder zwei Kilometer, bis der Pfand nach rechts abbiegen und sie zurück in den kleinen Laubwald führen würde. Von dort aus konnte man zwischen der etwas längere Strecke, die an der hohen Steinmauer entlangführte, und dem kurzen Pfad wählen, welcher auf direkten Wege zurück zum Hauptgebäude führen würde.

Wäre sie alleine, würde sie den deutlich längeren Weg wählen – nur war sie nie alleine.

Mit Mühe versuchte sie das nächste, noch dramatisch klingendere Stöhnen zu ignorieren und sich nur darauf zu konzentrieren, in keine der vielen, schlammigen Pfützen zu treten. Doch ein erschrockener Schrei, gefolgt von dem unverkennbaren Laut einer Person, die in eine der Matschpfützen gefallen war, zwang sie schließlich zum Halten.

Ein frustriertes Seufzen, begleitet von einem Kopfschütteln, löste sich von ihren Lippen, ehe sie sich langsam umwandte. Wie erwartet lag im nassen Sand zu ihren Füßen die Gestalt ihrer Begleiterin, welche für einige Sekunden einfach nur regungslos liegen blieb. Letztendlich löste sich ein letztes, verzweifeltes Stöhnen von ihren Lippen, ehe Wanda ihr sandbeklebtes Gesicht vom Boden anhob und sich die nassen Strähnen ihres braunen Haares aus dem Gesicht pustete.

Phantom 3 - a chain reaction {Captain America: CW}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt