Kapitel 4

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Am Hauptbahnhof kümmerte ich mich um die Zugtickets, da Eren absolut nicht verstanden hatte, wie die Automaten funktionierten.

Der 17-Jährige stand hinter mir, beobachtete genau jeden meiner Züge und hörte erst auf zu glotzen, als ich ihm sein Ticket in die Hand drückte. Er hatte nebenbei erwähnt, dass er noch gar nicht 18 war. Hätte ich nicht gedacht, er sah älter aus. Nicht viel. Aber auf 19 hätte ich ihn mindestens geschätzt.

Eren folgte mir zum Gleis, wartete bis die Zugtür auf ging und trottete mir zu einem der Viererplätze hinter her. Es war Samstag und erst 18 Uhr. Da würden nicht mal hier viele Leute sein. Er sah sich in dem Zug um. „Wurde der gerade erst geputzt?", fragte er leise.

„Leider nicht.", eigentlich war der Zug echt dreckig. Ich wollte gar nicht wissen was das für ein Fleck auf dem Sitz in der nächsten Reihe war. Es war eklig. Eren staunte nicht schlecht. Die U-Bahn in New York war nicht so eklig wie die öffentlichen Toiletten, aber aufgrund der ganzen Ratten und Obdachlosen auch nicht unbedingt angenehm, hatte er gesagt.

Der Zug fuhr los und ich sah aus dem Fenster.
Ich mochte Zug fahren nicht wirklich. War vor ein paar Jahren keine gute Entscheidung gewesen. Und jedesmal, wenn ich in einem Zug saß, kamen Erinnerungen und Gedanken wieder hoch. Ich war inzwischen dran gewöhnt, aber schön war es trotzdem nicht.

Zwei Haltestellen später kam ein Kontrolleur, wir zeigten unsere Karten. Ein Halt weiter und das übliche "Der Ausstieg ist in Fahrtrichtung links." ertönte. Kurz darauf gab ich Eren das Zeichen zum Aufstehen, rief nebenbei Mike an.

Er hing noch in der Werkstatt fest, Erwin war auch noch bei ihm. Was auch immer sein Kollege veranstaltet hatte, nahm wohl noch ein bisschen Zeit in Anspruch. Ich legte auf, erklärte Eren die Situation. „Macht es dir was aus, mit zu mir zu kommen?" Er schüttelte den Kopf. Sein Blick sagte in etwa "warum sollte es" oder sowas.

Kaum war die Zugtür offen, packte ich den Größeren am Unterarm und rannte mit ihm zu den Bussen. Er war erstaunlich langsam für jemanden mit dieser Beinlänge.

Gerade so erwischten wir noch den Bus, zeigten erneut unsere Zugkarten vor und setzten uns auf einen Zweiersitz in der Nähe vom Ausgang.

Ein paar Rentner sahen uns an, der Rest interessierte sich nicht für uns.

-

Kaum waren wir ausgestiegen atmete ich tief durch und sah zu Eren. „Du redest echt nicht gerne, oder?", fragte er dann und irritiert sah ich ihn an. „Seit wir aus Kiel weg sind, hast du kaum was gesagt.", erklärte er und wartete neben mir an der Ampel.

„Oh das. Ja, sorry." stammelte ich nur und ging rüber. Er folgte mir. Es lag nicht daran, dass ich nicht gerne redete. Es lag am Zug. Ich redete nicht gerne in der Öffentlichkeit. Das war alles. Besonders Englisch. Ich war zwar gut, aber es passierte immer mal wieder, dass mir Wörter nicht einfielen oder ich sie falsch aussprach. So klang mein Englisch manchmal wie das eines Drittklässlers, aber es reichte ja scheinbar aus.

Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte um und hielt instinktiv mein Knie in den aufkommenden Türspalt. Wollte nicht, dass Zava raus rannte. Er sprang sofort an mir hoch, als er mich entdeckte. Eren trat ebenfalls ins Haus ein, sah sich um.

In dem schmalen Flur hingen einige Bilder von meiner Familie. Und auch von mir. Peinlich. Ich zog die Schuhe aus, streichelte Zava über den Kopf und stellte meinen Rucksack auf die Treppe. Eren hatte sich hingehockt, freute sich mehr den Hund zu sehen, als der Hund sich über ihn freute.

„Wie heißt er?", fragte er mich dann und kraulte den braunen Hund am Bauch. „Zava." - „Hello Zava.", sprach er in einer hohen Stimmlage. Irgendwie niedlich.

Ich hängte meinen Schlüssel ans Brett, sagte Eren er solle hier warten und ging zum Schlafzimmer meiner Mutter. Sie war mal wieder nicht Zuhause. Besser so. Sie würde mich bestimmt nur blamieren.

Ohne weiter auf Eren zu achten, holte ich das Hundefutter und füllte Zavas Napf. Sofort kam der Fettsack angelaufen und begann zu fressen. „Willst du was trinken?", fragte ich Eren und er schüttelte den Kopf. „Aber kann ich mal auf Toilette?"

Ich deutete auf die Tür neben der Treppe und er verschwand im Badezimmer.
Was ein stressiger Tag.

Ich nahm mein Handy, schrieb Erwin, dass ich Eren mit zu mir genommen habe und er Bescheid sagen solle, wenn sie wieder Zuhause wären.

Dann setzte ich mich auf die Arbeitsplatte, sah dem Hund beim fressen - wohl eher verschlingen - zu und ließ die Beine baumeln. Eren kam wieder sah sich in der Küche um und musterte dann schließlich mich. „Du bist echt klein.", grinste er dann, lehnte sich gegen den Kühlschrank und kreuzte die Arme vor der Brust.

Sogar jetzt, wenn ich auf dieser Platte saß, war er größer als ich. Nicht mehr viel. Aber dennoch genug.

„Wie sieht der Plan noch aus?", fragte er dann und sah ebenfalls zur Fressmaschine, die sich Hund nannte. „Er muss noch raus. Das kann ich alleine machen, wenn du nicht mitkommen willst. Und ich hoffe, dass Erwin und Mike dann wenigstens auf dem Rückweg sind.", erklärte ich. „Willst mich loswerden, was?"

Das hatte ich nicht gesagt. Es war nur verdammt ungewohnt einen ganzen Tag mit einem völlig Fremden zu verbringen. „So ist es nicht.", sagte ich dann nur. „Ich mag dich, Levi.", er sagt es, als wäre es nichts besonderes. Als würde er über das Wetter reden.

Doch das störte mich nicht. Im Gegenteil. Er machte keine große Sache draus. Das fand ich gut. Eigentlich fand ich bisher alles, was er getan hat, gut.

Right Now [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt