Kapitel 28 - Ein Vater-Sohn-Moment

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Alexanders Sicht

~Ich habe dein Gespräch mit Valentin mitbekommen~, startete Alec unverblümt,~Ich hatte also nie eine Wahl, wenn es um meine Braut ging. Es sollte immer Lydia werden, nicht wahr?~

Mittlerweile saß er auf einem der weichen Sofas gegenüber seines Vaters, der ihn aufmerksam, aber neutral anblickte.

In einem glücklicheren Moment hatte ihm Robert einmal erzählt, dass das sein Regenten-Gesicht sei. Mit diesem konnte er wichtige Gespräche und Verhandlungen führen, da man so nicht die kleinste Emotion aus seinem Gesicht herauslesen konnte und so auch nicht wusste, was wirklich in dem König vorging.

Alec fand diese Maske etwas gruselig, aber als zukünftiger König hatte auch er diese Kunst der perfekten Fassade erlernt, denn leider waren solche Dinge elementar, wenn man lange und sicher regieren wollte.

~Du weißt, dass ich mit den Branwells befreundet bin und wir waren alle der Meinung, eine Ehe würde unsere Beziehung zueinander stärken. Diese Abmachung wurde aber gemacht, als du noch ein kleines Kind warst. Ich wusste also nicht, dass du ganz andere ... Vorlieben hast~, erklärte Robert geduldig,~Aber das ist nicht der Grund, weswegen du mit mir reden möchtest.~

Alec nickte und überlegte, wie er seinem Vater seinen Standpunkt am geschicktesten beibringen konnte. Nur leider musse er feststellen, dass ihm nichts Besseres einfiel als die schonungslose Wahrheit.

~Ich kann das nicht. Ich habe wirklich versucht, mich damit abzufinden, eine Frau zu heiraten und mit ihr über Idris zu regieren, aber ich kann es nicht. Ich will mich nicht ein Leben lang verstecken müssen. Deshalb auch mein Auftritt auf dem Ball. Ich will keine Lüge mehr leben müssen~, erklärte er nun möglichst ruhig.

Sein Vater musterte ihn schweigend und er hatte Mühe, diesem eindringlichen Blick Stand zu halten. Er wusste, wie wichtig dieses Gespräch für ihn war und wie viel davon abhing. Nervosität und Angst mischten sich unter seine Ruhe, denn er kam nicht umhin zu überlegen, was passieren würde, wenn er nun scheiterte.
Wenn er doch Lydia heiraten und die Lüge leben musste, die man für ihn vorsah.

Er versuchte sich zu beruhigen, indem er sich die freundlich sanften Augen seiner Cinderella in Erinnerung rief, die er trotz der eindrucksvollen Schminke wiedererkannt hatte.

Sie hatten ihn schon gestern Nacht beruhigt, aber gleichzeitig hatte er sich auch so lebendig gefühlt wie schon lange nicht mehr. Vor allem die Aufrichtigkeit in ihnen hatte ihn überrascht, denn gerade für ihn war es selten, eine von Grund auf ehrliche Person zu treffen, die es ernst und gut mit ihm meinte, ohne ihn zu irgendetwas drängen zu wollen.

~Du hast jemanden gefunden.~
Eine Feststellung, keine Frage.

Alec nickte.
~Ja. Der Mann auf den Ball gestern war mir nicht gänzlich unbekannt. Er hat mich mit seiner bloßen Art verzaubert und egal wie oft ich es versuche, ich kann ihn nicht aus meinen Gedanken verdrängen. Ich ... Ich habe mich in ihn verliebt.~, gestand er nun und tat sein Bestes, um nicht zu erröten als er das sagte.

Gleichzeitig legte sich ein warmes Gefühl über ihn, denn er hatte es zum ersten Mal laut gesagt. Er hatte sich in seinen schönen Fremden, seine Cinderella verliebt und zwar unwiderruflich und bis über beide Ohren. Er kannte ihn kaum, aber dennoch war er sich so sicher wie noch nie zuvor. Er war verliebt und das war gut so.

~Du weißt, dass es selten darum geht, was man tun will, sondern viel mehr, was getan werden muss. Es ist schön, dass du Gefühle für jemanden entwickelt hast, aber du kannst wegen so etwas nicht dein ganzes Leben über den Haufen werfen.~

~Das will ich doch gar nicht! Ich will es ändern! Ich will glücklich werden und wäre das nicht auch besser fürs Königreich, wenn ich glücklich wäre? Was für ein König wäre ich, wenn ich mein Volk belügen würde? Du hast immer gesagt, dass Lügen schwach machen und jetzt verlangst du genau das von mir~, stellte Alec mit unterdrückten Zorn fest,~Hättest du in meiner Situation etwa Mom aufgegeben?~

~Lass deine Mutter da raus.~, ermahnte ihn der König und die versteckte Warnung dahinter war deutlich zu hören.

Alec dachte aber gar nicht erst daran, sich an diese zu halten.
~Aber wieso denn? Du hast mir erzählt, dass es bei dir Liebe auf den ersten Blick war, als du Mom gesehen hast. Für dich war klar: Sie oder keine. Dir war es egal, von welchem Stand sie kam. Du hättest sie auch geheiratet, wenn sie eine einfache Dienstmagd gewesen wäre. Wir Lightwoods lieben nur einmal, hast du mir nach Moms Tod gesagt~, hielt er dagegen,~Und bei mir ist nun genau dieser Fall eingetreten. Ich möchte nur ihn und niemand anderen sonst, egal ob Mann oder Frau. Mir ist es egal, ob er Geld hat oder nicht, ob er adlig ist oder nicht. Er ist und wird der einzige sein, der für mich zählt -genauso wie bei dir Mom.~

~Aber deine Mutter war bereits eine Prinzessin. Und sie war kein Kerl, also ist das etwas komplett anderes. Außerdem ...~
~Wer ist Michael?~, unterbrach er seinen Vater.

Zum ersten Mal in diesem Gespräch huschte eine Emotion über Roberts Gesicht. Ein tiefer Schmerz, der Alec sowohl überraschte als auch neugierig machte.
Wer auch immer dieser Michael ist, er hat Vater etwas bedeutet.

~Michael Wayland entstammte aus einer sehr alten Herzogsfamilie, die am Rande von Idris gelebt hat. Wir waren in unserer Jugend eng miteinander befreundet. Er war derjenige, der sich meine Schwärmereien über Maryse anhören durfte~, begann er mit einem versonnenen Lächeln, bevor sich ein betrübter Ausdruck auf sein Gesicht schlich,~Er war genauso wie du. Und er wollte allen zeigen, dass er anders und damit zufrieden war. Das ging auch erstmal gut, aber plötzlich brach der Kontakt zwischen uns ab. Er hat nicht mehr auf meine Nachrichten reagiert und erst Wochen später habe ich erfahren, dass er gestorben ist. Ermordet. Der Grund wurde nie offenkundig, aber es war ziemlich klar, dass es an seinen Neigungen gelegen hat.~

Alec schluckte trocken.
~Deshalb wollte ich nie, dass du dein Geheimnis offenbarst. Ich habe Angst um dich, mein Sohn und ich will dich dadurch einfach schützen, verstehst du?~

Alec konnte seine Überraschung nicht verbergen und das wollte er auch nicht. Er hatte immer gedacht, dass sein Vater paranoid oder schlichtweg zu konservativ war, um ihn so sein zu lassen, wie er war, aber jetzt erfuhr er, dass er ihn nur schützen wollte. Das erwärmte sein Herz und machte ihm Hoffnung.

~Natürlich verstehe ich das und es ... rührt mich, aber du musst mich doch auch verstehen. Ich möchte endlich zu mir selbst stehen. Ich bin mir bewusst, dass das mit Gefahren verbunden ist, aber ich will das. Wir Lightwoods brechen Nasen und tragen die Konsequenzen.~

Sein Vater lächelte traurig, bevor er in Schweigen versank und seinen eigenen Gedanken nachhing. Alec knetete derweil nervös seine Hände, denn er wusste, wie viel von Roberts Entscheidung abhing.

Ein Seufzen kündigte seinen Entschluss an.
~Wenn es das ist, was du wirklich willst, mein Sohn, dann werde ich deinem Glück nicht im Wege stehen. Geh, finde deinen Partner und werde glücklich. Ich kümmere mich um den Rest.~

Alec konnte nicht anders, als vorzuhechten und seinem Vater um den Hals zu fallen. Er hatte so gehofft, dass er hinter ihm stehen würde und doch hatte er bis zuletzt nicht daran geglaubt, dass das wirklich passierte.

Pure Erleichterung flammte in ihm auf und auch sein Vater schien davon nicht ganz kalt gelassen worden zu sein, denn er schloss die Arme fest um ihn und drückte ihn an sich.

Dieser Moment gehörte ganz ihnen und sie hätten nicht glücklicher darüber sein können,  als Vater und Sohn.

Das Wunder in jedem Tag (Malec)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt