𝐄𝐏𝟎𝟏 ➳ Marian

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• Marian Waldorf •

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• Marian Waldorf •

„Let it hurt,
then let it go."

Gelangweilt stieg Marian von seinem Motorrad und schob es den restlichen Weg in die sonnige Einfahrt. Sein Vater hatte es nicht gern, wenn er neben seinem sündhaft teuren Wagen einparkte. Womöglich befürchtete er, dass er ihm einen Kratzer in den Lack fuhr oder einen Rückspiegel mitnahm. Oft genug spielte Marian mit dem Gedanken dies tatsächlich zu tun. Rein aus Trotz.

Bereits der erste Schultag hatte ihn so fertig gemacht, wie ein Fußballspiel mit zweifacher Verlängerung. Wie sollte er bloß den Rest der Woche überstehen? Als er seufzend durch die Haustür des modernen Anwesens trat und kaum eine Sekunde einen Fuß in das Haus gesetzt hatte, kam ihm bereits sein Vater entgegen. Die Furche auf seiner Stirn war tief und die Haut vor Stress gerötet. Das bedeutete gewiss nichts Gutes. „Dein Lehrer hat gerade angerufen und mir mitgeteilt, dass du nachsitzen musst am Mittwoch."

„Erzähl mir was Neues", erwiderte Marian bloß augenverdrehend und schlängelte sich an seinem alten Herrn im Flur vorbei. Dabei griff er wie selbstverständlich nach dem Fußball, der auf dem Schuhschrank lag. Konnte ja nicht schaden ein paar Tore zu schießen, um ein wenig runterzukommen, während er wartete, bis es Essen gab.

„Oh, nein. Den nehme ich." Mit einer flinken Handbewegung, die Marian ihm nicht zugetraut hätte, hatte er ihm schon den Ball aus der Hand geschnappt. „Wie wäre es, wenn du dich stattdessen mehr auf die Schule konzentrierst? Du weißt, dass du dein Abitur schaffen musst, um Jura zu studieren."

Und er sollte Jura studieren, um eines Tages die Kanzlei zu übernehmen, beendete Marian in Gedanken die beinahe alltägliche Rede seines Vaters. Er funkelte seinen Vater an und schluckte seinen aufkommenden Ärger hinunter. Er wollte kein Anwalt werden, doch eine Diskussion nutzte ihm nichts. Das wusste er. Nicht mit seinem Vater, dem erfolgreichen Anwalt seiner eigenen Kanzlei, die natürlich nach ihm benannt war. Waldorfs. Wie sollte es auch anders sein? Sein Blick wurde nach links gelenkt. Blondes Haar umrahmte das finstere Gesicht seiner kleinen Schwester und er glaubte den Grund für ihren Zorn zu kennen.

Denn das Potenzial, was sein Vater glaubte in ihm zu sehen, übersah er in Marie gänzlich. Sie war es, die das Jura im Blut hatte, schon von klein auf hatte sie verhandelt, als würde ihr Leben daran hängen. Sie wollte die Kanzlei übernehmen und gab ihm die Schuld, dass sie es niemals tun würde. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stapfte Marian wütend die Treppe zu seiner Rechten hinauf. Wie so oft wünschte er sich seinem Leben gänzlich entfliehen und ein neues anfangen zu können. Irgendwo in der Großstadt. Weit weg von Salem.

Die Tür seines Zimmers schlug er laut zu. Lauter als beabsichtigt, jedoch mit dem gewünschten Effekt, welcher seine Wut untermalte. Sein Zimmer war nichts Besonderes, ein typisches Jungenzimmer eben. Eine Wand war schwarz gestrichen, während die übrigen weiß geblieben waren. Ein Wunsch seiner Mutter, die dies zu düster gefunden hätte. Nicht, dass sie ihn ohnehin besonders häufig in seinem Zimmer besuchen würde.

An den weißen hingen Poster seiner Idole. Allesamt professionelle Fußballspieler, wie er selbst gerne einer wäre. Auch seine Möbel waren dunkel und glänzend poliert. Das und das beseitigte Chaos hatte er wohl Martha, ihrer Putzfrau zu verdanken. Achtlos warf er seine Schultasche neben seinen Schreibtischstuhl und stand für einen Augenblick bloß planlos in dem großen Zimmer auf dem flauschigen Teppich herum.

Seine grünblauen Augen fielen auf das Bild, welches auf seiner Kommode stand. Ihre Oberfläche war saubergewischt und strahlte, während er ganz genau wusste, welches Chaos sich in ihrem Inneren befand. Beinahe wie seine Familie, wie er bitter feststellen musste.

Marians Blick blieb jedoch auf dem Foto hängen. Es zeigte ihn, im Anzug und nicht weniger aufpoliert als seine Holzmöbel, mit einem blonden Mädchen im Arm. Lena. Das Lachen zeigte ihre Grübchen, welche sie hasste, er jedoch liebte. Noch immer. Obwohl sie ihm das Herz gebrochen hatte. Er hatte sie ewig nicht mehr gesehen, denn sie ging auf eine Privatschule etwas außerhalb der Kleinstadt. St. Lorenz. Auch er hätte diese Schule besuchen können, doch er hatte sich geweigert wegen Felix. Es war das einzige Mal gewesen, dass er sich hatte durchsetzen können.

Der Gedanke an Lena hinterließ einen Felsen in seinem Herzen, der es herunterzog und so schwer machte, als würde es diese Last nicht mehr lange aushalten. Auch seine Eltern liebten Lena, weswegen sie nicht ahnten, dass sie längst getrennt waren. Doch er nutzte sie als Alibi. Stattdessen traf er sich zum Fußballspielen mit Felix.

Marian musste sich an dem kalten Holz seiner Kommode festhalten. Es war einer dieser Momente, der ihn aus der Bahn warf. Der ihm zu viel war. Die Worte und Anforderungen seiner Eltern spukten ihm im Kopf herum wie ein lästiger Poltergeist. Lena grinste ihn von dem Bild an. Spöttisch, als wäre sie nun glücklicher ohne ihn. Felix, der ihm sagte, er solle einfach sein Ding machen. Sein Vater ihm jedoch genau das Gegenteil riet. Er wäre noch zu jung, wisse nicht, was er wolle.

Es war genau einer dieser Momente, in dem der Elftklässler sich bückte und eine Hand unter die Matratze seines Bettes schob. Seine Finger glitten unter den Lattenrost und suchten die Unterseite nach einem Streifen Klebeband ab. Er wurde fündig und fummelte den daran befestigten Gegenstand vorsichtig ab. Schließlich zog er ein durchsichtiges Tütchen unter seiner Matratze hervor, in dem ihn bunte kleine Pillen heraus anlächelten. Es war eben eine typische Partydroge dummer Jugendlicher. Doch Marian konnte weder auf die nächste Party warten, noch würde er sich als besonders klug bezeichnen.

Er zögerte nicht, sondern warf sofort eine blaue Pille ein. Bevor diese ihre volle Wirkung entfalten konnte, ging er zurück zu seinem Rucksack und steckte die illegale Droge dort in die Seitentasche, statt sie zurück an ihrem geheimen Platz zu kleben. Felix wäre sicher sauer, wenn er bei seinem Trip bloß zuschauen dürfte.

Wenig später wurden auch schon Glückshormone in seinem Körper ausgeschüttet und hinterließen ein Entspannungsgefühl und tiefe Friedlichkeit, als könne nichts ihn mehr aus der Fassung bringen. Er fühlte sich geradezu euphorisch und die vorige Müdigkeit war wie vom Winde verweht. Das Geräusch von klappernden Töpfen und Geschirr aus der Küche kam ihm nun viel lauter vor und das Grün der Bäume vor seinem Fenster intensiver.

Er hatte längst keinen Hunger mehr, er brauchte Bewegung! Ohne groß darüber nachzudenken, schulterte Marian seinen Rucksack und schlich die Treppe hinunter. Dort griff er erneut nach seinem Fußball und verschwand aus der Tür hinaus in die sonnige Einfahrt. Erneut wurde er von den Eindrücken überwältigt. Die bunten Farben der Blumen seiner Mutter, das Zwitschern der Vögel und die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Die Welt konnte so schön sein, wenn sie es wollte.

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Nehmt keine Drogen, Kinder!

Unter Umständen kann dieses Hochgefühl nämlich rasch umschlagen: Aus Euphorie werden dann Angst und Depression. Auch Herzrasen, Kreislaufkollaps, Nieren- und Leberversagen können zu den unerwünschten Wirkungen der Designerdroge zählen.

Wollte es nur gesagt haben ;)

𝐒𝐀𝐋𝐄𝐌 | Staffel 1Where stories live. Discover now