6. "Gedanken und Entscheidungen"

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6. "Gedanken und Entscheidungen"

Die Wohnung war kalt und leer. Es fiel ihm immer mehr auf. Gegenüber dieser kahlen, stilvoll gestalteten Wänden, brummten die vollgestellten Holzwände in dem Buchladen voller Leben. Und das lag nicht an den Kunden, die sich manchmal doch in den urigen Buchladen verirrten. Doch dort konnte er noch nicht hin, so wie seine Gedanken sich umkreisten.

Ein Gefühl der Sehnsucht machte sich in seiner Brust breit, wollte ihn in Richtung SoHo ziehen, dass Denken betäuben und das Geschnatter des Engels lauschend. Stattdessen nahm der Dämon die Sprühflasche und ging zu seinen Pflanzen. Überraschend sanft gab er ihnen das Wasser. Während er mit seinen Gedanken woanders war, waren seine Zimmerpflanzen sicher.

Und die Handarbeit, das Zupfen der welken Blätter, das lockern der Erde, hatte etwas beruhigendes. Natürlich hätte Crowley die Macht gehabt mit einem Fingerschnippen alles zu erledigen, besser als wenn er es ohne Wunder zu wirken können würde. Doch wo blieb dabei der Sinn der Handlung? Tat er nicht genau aus diesem Grund? Um seinen Gedanken die Möglichkeit zu geben sich auf etwas anderes zu konzentrieren als den Engel? Um eine Ablenkungen in den so bekannten Bewegungen zu finden?

Machten ihn das menschlich? Unwürdig? Hatte er Zoriah vorhin doch noch für ihre menschlichen Züge verurteilt. Dabei war er keinen Deut besser. Das nächste welke Blatt wurde mit mehr Kraft als nötig rausgerupft. Ein Zittern ging durch die gesamte Flora. Crowley verdrehte die Augen, fuhr aber sanfter fort.

Er sollte sich darauf konzentrieren, wie er möglichst schnell und ohne viel Aufwand diese Aufgabe hinter sich bringen konnte. Aus der Vergangenheit wusste er, dass Moriarty ein fähiger Mann war. Viel würde er sicher nicht tun müssen. Und Zoriah würde sicherlich auch kompetent genug sein, das alles mehr oder weniger allein zu bewältigen. Er hatte es damals schließlich auch im Alleingang hinbekommen. Wenn es ihm auch einiges gekostet hatte.

Crowley hielt in der Bewegung inne. Wenn Pflanzen sich hinkauern könnten, würde sie es nun tun. Doch der Dämon zischte nur "Wachst besser.", und ließ die Pflanzen wieder in Ruhe. Man konnte das Aufatmen förmlich hören, als Crowley den Raum verließ.

Er musste nach SoHo. Unverzüglich. Er musste sicher stellen, dass sich nichts wiederholte. Das Aziraphale nicht Teil dieses Spiels war! Zum Teufel... oder sonst wohin mit seiner Aufgabe! In den zweihundert Jahren die vergangen waren, hatte er so einiges erlebt und gelernt. Hatte herausgefunden, dass es etwas gab, dass wichtiger war als Himmel und Hölle, Gott oder Satan. Etwas, dass wichtiger war als der Große Plan. ...Denn niemand ertrug einen traurigen Engel.

Sie hatten es schon einmal geschafft die obersten Instanzen zu täuschen. Wenn es darauf ankommen würde, würden sie es wieder schaffen. Aber vielleicht, vielleicht musste es gar nicht so weit kommen. Vielleicht hatte Crowley Glück und Aziraphale würde unwissend in seinem urigen Buchladen sitzen und gemütlichen in einem dicken verstaubten Wälzer blättern. Nur wann hatte Crowely jemals Glück gehabt?

Ruhelos wanderte er auf und ab. Sein Blick wanderte zu dem altmodischen Telefon auf dem Schreibtisch. Aber es würde nichts bringen anzurufen. Wenn der Engel überhaupt rangehen würde, würde es viel zu viele Nerven kosten und er schließlich frustriert aufgeben. Besser war es, persönlich vorbeizugehen.

Eigentlich war das keine schlechte Idee. Unter dem Vorwand, dass er herausfinden musste, was die gegnerische Seite im Falle Moriarty vorhatte, würde er seinen Besuch erklären können. Feindesland auskundschaften und Himmelspläne vereiteln... ja, so konnte er es begründen.  Niemand würde Verdacht schöpfen. Und hinterher könnte er Zoriah die Informationen geben, die ihn und Aziraphale am wenigsten belasten würde. Und wenn er nur herausfinden würde, welcher Engel anstelle von Azi diesmal in diesem Vorhaben beteiligt war.

Der Entschluss war gefasst und der Motor angeschmissen. Seine grimmige Entschlossenheit spiegelte sich in der Musik wider, die ein unheilvolles Gitarrensolo spielte. Bei nächster Gelegenheit musste er die CD unbedingt mal wieder wechseln, um nicht immer die selbe Akkordfolge hören zu müssen.

Fluchend und hupend bahnte er sich seinen Weg durch die übervolle britische Hauptstadt, bis er schließlich vor dem alten Buchladen anhielt. Doch im selben Moment, wie er den Motor abstellte und dem gequälten Radio eine Pause gönnte, spürte er bereits, dass sein Besuch umsonst war.

Written by Federsturm

Between Heaven and Hell (Abgebrochen) Where stories live. Discover now