1. Kapitel

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Es war ein bewölkter Tag an dem ich sie das erste Mal sah. Die Wolken hingen nur knapp über der Welt in der ich lebte. Sie schienen Probleme damit zu haben sich in der Luft zu halten und so drückten sie auf den Luftraum, in dem ich existierte. Gedankenverloren lief ich den kleinen Feldweg nun schon zum wiederholten Mal ab. Ich war immer in Bewegung, ohne Genugtuung in meinen Schritten zu finden. 

Gerade als ich mich wieder umdrehte um den Weg noch einmal zu gehen, war sie da. Sie stand nur ein paar Meter entfernt von mir. Ein schmales Mädchen, etwa in meinen Alter. Ihre Haut war so weiß wie der Schnee und machte den Eindruck, als wäre sie so zerbrechlich wie feinstes Porzellan. Ihre Lippen presste sie angestrengt zusammen, sodass sie blass und blutleer waren. Die kleinen Händen hatte sie zu festen Fäusten geballt und die Haare verdeckten in struppigen Strähnen die Hälfte ihres elfengleichen Gesichts. Doch das was meine komplette Aufmerksamkeit forderte waren ihre Augen. Sie waren tiefseeblau und auf den ersten Blick wunderschön. Auf den zweiten Blick konnte man die Leere in ihnen erkennen. Man sagt ja die Augen sind das Fenster zu der Seele. Wenn das wirklich zutrifft, so hatte das Mädchen entweder keine oder der Zugang war fest verschlossen. 

Damals war ich mir nicht einmal sicher, ob sie mich überhaupt sehen konnte. Doch heute weiß ich es besser. Sie hatte nur auf mich gewartet. 

Der erste Impuls den mir mein Körper sendete war mich umzudrehen und so viel Strecke zwischen mich und der fremden Gestalt wie möglich zu bringen. Andererseits war da etwas in mir, das mich unweigerlich auf das Mädchen zu schicken wollte. Es war eine Art Band zwischen uns, dass mich schließlich dazu zwang einen Schritt auf sie zu zu machen. Ich ließ etwa einen Meter zwischen uns und trat unsicher auf der Stelle. Sie zeigte keinerlei Regung. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie in all dieser Zeit geblinzelt hatte. 

Ich räusperte mich und zwang mir ein freundliches Lächeln auf die Lippen. „Ich bin Sophie." Bei dem Klang meiner Stimme, zuckte das Mädchen erschrocken zusammen und sah mich mit großen Augen an. Unter ihrem Blick wurde mir immer unwohler und als ich das Gefühl hatte, sie würde nichts erwidern, startete ich einen neuen Versuch. „Wie heißt du?" Fragte ich sie mit leiser Stimme. Das Mädchen wiegte den Kopf leicht hin uns her, als müsste sie abwägen, ob ich einer Antwort würdig wäre. Schließlich löste sie ihre Faust und streckte mir ihre zarte Hand entgegen. Kleine rote Halbmonde zeichneten sich auf der Handfläche ab, dort wo sie ihr Nägel in die Haut gepresst hatte. 

Ich weiß nicht mehr genau wieso ich das tat was nun folgte. Vielleicht war es das Mitleid, das ich diesem verstörtem Mädchen gegenüber empfand. Oder es war einfach die Neugier auf das, was noch in der Zukunft lag. Was es auch war, es verleitete mich dazu, ihre Hand zu nehmen und damit meine Zukunft ohne meines Wissens zu bestimmen.

We are one, darlingWhere stories live. Discover now