24 - Schwebende Wolken mit Gewitterpotenzial

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„Wann willst du eigentlich nach Hause?", fragt Vincent mich, nachdem ich das Telefonat mit Daniel beendet habe. Ich lasse das Handy sinken. „Hat deine Begleitung, dessen Name ich leider vergessen habe, dir gerade eine Zeit genannt?" Es verschwindet in der Hosentasche. Mittlerweile ist es nach drei Uhr. Viertel vier, würde ich sagen. Ich habe gerade nicht auf die Zeit geachtet. Die Müdigkeit macht sich allmählich bemerkbar. Ich gähne häufiger.

„Elise hat mich nicht angerufen. Das war Daniel." Ich erwidere seinen munteren Blick. Der Fünfundzwanzigjährige sitzt nach wie vor auf der Kante des Kofferraums, die Arme ausgestreckt neben sich. „Er will in einer halben Stunde los. Er meinte, dass er eine alte Bekanntschaft von früher getroffen hätte und sich noch kurz mit ihr unterhalten will." Ich blicke zum Haus. Allerhöchstens knappe dreißig Leute sind noch anwesend. Zwischendurch ist sogar die Polizei gekommen – zwei Streifenwagen. Es geht das Gerücht herum, dass Victor sich übel geprügelt haben soll. Die Auseinandersetzung stimmt – die Beamten haben, unter Einberufung von Verstärkung, drei Personen mitgenommen. Eine hat sich extremst widersetzt, sodass man ihn mit Gewalt hat abführen müssen. Vincent hat es spöttisch kommentiert und gemeint, als ich ihn scherzhaft darauf angesprochen habe, es sei nicht sein Job – er habe Feierabend und habe morgen Spätschicht. „Länger als vier will ich nicht hierbleiben. Das weiß er auch. Ansonsten kann er zusehen, dass er allein zurückkommt." Ich lächele verlegen, als ich seinen Blick wahrgenommen habe. „Was ist? Hab' ich 'was im Gesicht oder warum guckst du mich wie ein Fernseher an?"

Vincent lacht leise.

„Nee, keine Sorge. Da ist nichts." Es ist wiedergekehrt, dieses aufrichtige Lächeln. „Du siehst nur hübsch aus. Das ist alles." Er hält inne, als Martin auftaucht. Ich hebe überrascht meine Augenbrauen, als ich erkenne, wie er Mikołaj in seinen Armen trägt. „Du musst deine Prinzessin wachküssen, sonst passt die Story nicht." Ich lasse mich neben Vincent nieder und beobachte den Sechsundzwanzigjährigen, wie er den Polen herunterlässt und den Arm um seine Taille legt, damit er nicht umkippt.

„Vince, halt' einfach dein Maul", murrt Martin sichtbar genervt. „Ohne Scheiß: Das ist echt nicht mehr lustig. Ich hab' keine Geduld mehr. Der Typ macht mich fertig." Mikołaj regt sich kaum, was ihn allerdings nicht davon abhält, sinnlosen Mist von sich zu geben. „Mikołaj, halt' die Schnauze. Du laberst nur Scheiße. Mann, kapierst du das nicht?"

„Erst wenn-ich ... besoff'n bin, siehs' du gut ausss." Völlig neben der Spur, total benebelt im Kopf. Ohne Martin könnte er nicht einmal richtig stehen. „Ich muss mich dich schöntrinken." Er zischt vor Schmerz los, als Martin ihm einen festen Schlag auf den Kopf verpasst. „Fick dich!"

„Die Frage ist: Wie soll er nach Hause kommen?" Vincent starrt zu der Straße. Der Parkplatz hier ist mittlerweile kaum noch besetzt. Mit Vincents BMW parken hier vier Autos. „Den brauchst du nicht mehr mit 'nem Taxi losschicken. Der kippt dir entweder weg oder kotzt alles voll." Blaue Lichter zeichnen sich in der Schwärze ab, die rasch und stetig an Größe gewinnen. „Schon wieder? Die waren doch eben erst hier. Gibt's schon wieder eine Prügelei?"

„Ich bring' ihn nach Hause", beschließt Martin mürrisch und verdreht Mikołajs Arm, als er zu einem Schlag ausgeholt hat. „Willst du die Knochen knacken hören? Dann kannst du gerne ein Lied schreien." Der Pole schüttelt hastig den Kopf. „Reiß' dich zusammen."

„Du bis' so scheiße, ey ... Wass los mit dir? Will weitermachen ..." Mikołaj kneift die Augen zusammen. „Boah, mach' dasss Licht aus." Er fällt fast hin und hätte Martin mitgerissen. „Die Welt is' so schnell. Sieht wie ... breitgewischt aus." Ich halte mich aus dieser abstrusen Lage heraus. Beobachte nur und entwickle für Mikołaj pure Fremdscham. „Huppsala." Und jetzt liegt er auf dem Boden. „Ich will schlaf'n." Martin knurrt hörbar und rafft den Neunzehnjährigen auf. „Mir is' übel ... Kopf schmerzt." Er lässt den Kopf hängen. „Alles ... scheiße."

Symmetrie der HerzenМесто, где живут истории. Откройте их для себя