Kapitel 2

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All this delusion in our heads

Is gonna bring us to our knees


Daichi:

Geduldig wartete ich vor dem Schultor auf Torioo. Diese Woche hatte ich noch Urlaub und so die Zeit meinen Neffen bei der Eingewöhnung zu helfen. Zwar war es utopisch, dass er sich schon nach einer Woche in seiner neuen Umgebung zurechtfand, aber die wichtigsten Wege konnte ich ihm zeigen. Glücklicherweise hatte mein Chef selbst zwei Kinder und sofort Verständnis für meine Situation gehabt. Ja, er hatte zwar noch eine Ehefrau und Großeltern in der Nähe, die sich um seine Kinder kümmerten, aber trotzdem konnte er im Ansatz meine Lage nachvollziehen. Er war sogar letzte Woche persönlich bei mir vorbeigekommen, um zu versichern, dass ich mir wegen meinen Arbeitszeiten keine Sorgen machen solle. Dadurch, dass Torioo erst sieben Jahre alt war, konnte ich erst einmal keine Nachtschichten mehr übernehmen und auch die Spätschichten waren schwierig. Trotzdem würde ich immer mal wieder bis zum Abend arbeiten müssen. Mir war bewusst gewesen, dass es nicht möglich war nur in Torioos Schulzeit zu arbeiten. Auf unserer Wache fehlte eh schon Personal und auch wenn mein Chef mir versichert hatte, dass er auf meine Lage Rücksicht nahm, war er immer noch nicht die Wohlfahrt. Auch in Zukunft würde ich bis an den Nachmittagen arbeiten müssen, was bedeutete, dass ich jemanden brauchte, der in dieser Zeit auf meinen Neffen aufpasste. Genauso wie an den Wochenenden. Ich konnte ihn ja schlecht auf Arbeit mitnehmen oder einfach acht Stunden allein lassen.

Für die Wochenenden hatte ich schon Yamaguchi gefragt. Zwar musste er auch manchmal an den Samstagen arbeiten, aber er hatte mir angeboten, an seinen freien Tagen auf den Kleinen aufzupassen. Auch Tanaka und Kiyko hatten mir ihre Hilfe angeboten, aber diese wollte ich nur ungern annehmen. Sie hatten selbst gerade eine Familie gegründet und mit ihrem Baby alle Hände voll zu tun. Ich wollte ihnen nicht zu nahetreten. Außerdem hatte es mich schon genügend Überwindung gekostet Yamaguchi nach Hilfe zu Fragen. Immerhin war Torioo mein Neffe und gerade jetzt, sollte ich auf ihn aufpassen und nicht bei irgendwelchen Freunden abschieben. Mir war klar, dass ich das nicht tat, aber es fühlte sich so an. Aber was sollte ich anderes machen? Ich musste arbeiten, um Geld zu verdienen und mein Job war nun einmal beschissen, wenn es um Familie ging. Ich konnte nur von Glück reden, dass ich einen Chef hatte der mir wenigstens keine Nachtschichten mehr gab.

Trotz allem musste ich immer noch jemanden finden, der auf Torioo aufpasste. Yamaguchi hatte zwar am Wochenende Zeit, aber nicht unter der Woche und auch dort würde ich Hilfe benötigen...

Während ich mir den Kopf zerbrach, wie ich die Wochentage regelte, ließ ich aufmerksam meinen Blick über die Grundschüler, die aus dem Schulgebäude strömten, schweifen. Auf der Suche nach dem dunkelbraunen Haarschopf von Torioo. Aber in der Masse entdeckte ich meinen Neffen nicht. Unruhig biss ich mir auf die Lippen und überlegte ihm entgegen zu kommen. Meine Schwester hatte am Telefon immer erzählt, dass er einer der ersten Schüler war, die das Schulgebäude nach Schulschluss verließen. Früher war er ein aufgeweckter Junge gewesen, der nie stillsitzen konnte. Torioo schien grenzenlose Energie zu besitzen und immer, wenn ich zu Besuch war, hatten wir die Nachmittage mit Volleyball spielen verbracht. Aber seitdem ich ihn aus dem Krankenhaus abgeholt hatte, erkannte ich ihn nicht wieder. Er wirkte in sich gekehrt, so als ob er sich zum ersten Mal bewusst mit seinen Gefühlen auseinandersetzen würde. Mein Neffe schien nachdenklicher geworden zu sein. Früher hatte er viel geredet und bei meinen Besuchen immer von den Erlebnissen mit seinen Freunden erzählt. Ich vermisste es seine Stimme zu hören und wünschte mir nichts sehnlicheres, als dass er wieder sprach.

Sein Psychologe meinte, dass es der Schock und die Trauer über den plötzlichen Verlust seiner Eltern die Ursache für sein Schweigen sei. Ich sollte ihm einfach Zeit geben. Er war der Meinung, dass er von allein wieder anfangen würde zu reden. Trotzdem machte ich mir Sorgen. Es tat immer weh einen geliebten Menschen zu verlieren und wenn man dann plötzlich seine ganze Familie verlor, verlor man jeglichen Halt unter den Füßen.

Art of Moving onWo Geschichten leben. Entdecke jetzt